Читать книгу «Lagezentrum: Ein Luke Stone Thriller – Buch 3» онлайн полностью📖 — Джека Марса — MyBook.

KAPITEL FÜNF

16. August

07:15 Uhr

Black-Rock-Damm, Great Smoky Mountains, North Carolina

Von Lukes Fenster aus war nichts Ungewöhnliches zu erkennen, als der elegante schwarze Hubschrauber tief über den Damm flog. Sie befanden sich über dem Black Rock Lake, der lang und malerisch unter ihnen lag und auf allen Seiten von dichter grüner Wildnis und steilen Hängen umgeben war. Eine schmale Fahrbahn erstreckte sich an einer Seite des Damms. Sie flogen an ihr vorbei und sahen den fünfzig Stockwerke hohen Abgrund, an dessen unterem Ende sich das Kraftwerk und die Schleusen befanden. Die Schleusentore schienen normal zu funktionieren. Nicht mehr als ein kleines Rinnsal floss aus ihnen heraus. Über eine Strecke von etwa 500 Metern spannten sich Stromtransformatoren, ein Spinnennetz aus Stahltürmen und Hochspannungsdrähten vom Damm weg. Sie schienen ebenfalls intakt zu sein.

„Es gibt nicht viel zu sehen“, sagte er in sein Headset.

Zu seiner Linken saß der große Ed Newsam und starrte aus dem Fenster auf der gegenüberliegenden Seite. Eds gebrochene Hüfte war geflickt, und es sah aus, als hätte er viel Zeit im Kraftraum verbracht. Seine ohnehin schon dicken Arme waren noch größer, als Luke sie in Erinnerung hatte, seine Brust und Schultern waren noch breiter, seine Beine sahen noch mehr aus wie Eichenstämme. Er trug Jeans, Arbeitsstiefel und ein einfaches blaues T-Shirt.

Im Sitz hinter ihnen saß Mark Swann. Er war groß und schlank, seine schlaksigen Beine waren ausgestreckt, seine Chuck-Taylor-Sneakers nur wenige Zentimeter von Lukes eigenen Füßen entfernt. Seine sandfarbenen Haare waren länger als zuvor und zu einem Pferdeschwanz gebunden, und er hatte irgendwann in den letzten zwei Monaten seine Fliegerbrille gegen eine runde John-Lennon-Brille getauscht. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo der Punkrock-Band The Ramones.

„Das Wasser läuft durch die Schleusen, genau wie es soll“, sagte der Hubschrauberpilot. Er war ein Mann mittleren Alters und trug eine schwarze Nylonjacke mit den Großbuchstaben FEMA in Weiß auf dem Rücken. „Es gab keine Schäden am Damm oder an den Einrichtungen und auch vom Dammpersonal ist niemand zu Schaden gekommen. Das einzige, was hier passiert ist, war, dass die Zufahrtsstraße weggespült wurde. Etwa fünf Kilometer südlich beginnt die eigentliche Katastrophe.“

Sie waren mit einem Secret Service Jet von Washington, DC aus zu einem kleinen städtischen Flughafen am Rande des Nationalparks geflogen. Sie waren kurz vor Sonnenaufgang angekommen, und der Hubschrauber hatte bereits auf sie gewartet. Auf dem Flug selbst hatten sie nicht viel geredet. Die Stimmung war angesichts der Umstände düster und Trudy Wellington als Geheimdienstlerin hätte normalerweise den größten Teil des Gesprächs geführt. Susan hatte Luke einen Ersatz angeboten, aber Luke hatte abgelehnt. Ihre Aufgabe war es sowieso, Informationen von ihrem Gefangenen zu erhalten. Sicher konnte er ihnen alles erzählen, was sie wissen mussten.

Luke wusste, dass sie alle gleichermaßen von Trudys Verlust betroffen und schockiert über ihren Verrat waren. Er wusste auch, oder vermutete es zumindest, dass seine ehemaligen Teammitglieder mit diesem Kapitel ihres Lebens abgeschlossen hatten. Sie alle hatten neue Aufgaben, neue Herausforderungen, neue Kollegen, auf die man sich freuen konnte. In zwei Monaten hatte sich viel geändert.

Das Special Response Team existierte nicht mehr. Luke hätte es bestimmt in irgendeiner Form retten können – nach dem Putschversuch und den Ebola-Angriffen hätte er den Erfolg genießen und das Team ausbauen können – aber er hatte sich dagegen entschieden. Jetzt war das SRT Vergangenheit und Luke Stones Rolle selbst ebenfalls. Er hatte sich zur Ruhe gesetzt. Nicht nur das, er war komplett untergetaucht und hatte sich nicht gerade Mühe gegeben, in Kontakt zu bleiben. Der Zusammenhalt eines Teams war ein wichtiger Bestandteil im Geheimdienst und unter Sondereinsatzkräften wie ihnen. Ohne Kontakt gab es keinen Zusammenhalt.

Was bedeutete, dass es im Moment auch kein Team gab.

Der Hubschrauber machte eine Kurve und flog nach Süden. Fast sofort wurde die Verwüstung deutlich. Das gesamte Gebiet unterhalb des Dammes war überflutet. Überall waren große Bäume ausgerissen und wie Streichhölzer herumgeschleudert worden. In wenigen Minuten erreichten sie das Gelände des ehemaligen Black Rock Resorts. Teile des Obergeschosses des Hauptgebäudes waren noch intakt und ragten aus dem Hochwasser heraus. Autos stapelten sich an der Außenwand des zerstörten Hotels, zusammen mit weiteren Bäumen, von denen einige ihre Äste zum Himmel streckten, wie Gläubige, die Gott um ein Wunder anflehen.

Die Autos, die Bäume und das Treibgut hatten sich zu einem Minidamm ineinandergeschoben, hinter dem sich ein breiter See gebildet hatte. Etwa ein Dutzend Zodiacs waren am Rande dieses Sees geparkt. Taucherteams in voller Montur bereiteten sich in mehreren Booten auf ihren Einsatz vor.

„Haben sie hier Überlebende gefunden?“, fragte Luke.

Der Pilot schüttelte den Kopf. „Keinen einzigen. Zumindest nach dem Stand heute Morgen. Allerdings fand man etwa hundert Leichen in der Cafeteria des Resorts. Sie bringen sie eine nach der anderen hoch. Ich glaube, sie haben noch nicht mit der Suche in den Zimmern begonnen. Vielleicht warten sie damit sogar, bis das Wasser abgesackt ist. Sich unter Wasser durch die Gänge zu bewegen ist gefährliche Arbeit und wahrscheinlich unnötig. Da unten lebt eh niemand mehr.“

Ed Newsam, der in seiner entspannten Art ausgestreckt dasaß, streckte sich und richtete sich nur einen Hauch auf. „Woher wollen Sie das wissen? Es könnte noch Luftblasen geben. Da unten könnten immer noch Leute sein, die auf Rettung warten.“

„Sie haben Unterwasser-Abhörgeräte auf den Booten“, sagte der Pilot. „Wenn da tatsächlich noch jemand am Leben ist, hat er gestern den ganzen Tag über keinen Mucks von sich gegeben.“

„Wenn ich das Sagen hätte, würden meine besten Taucher Raum für Raum durchgehen. Dass die Leute in der Cafeteria tot sind, wissen wir bereits. Und die Taucher wussten, dass ihr Job gefährlich ist. Die Zivilisten im Resort hatten jedoch keine Ahnung, was auf sie zukommt.“

Der Pilot zuckte die Achseln. „Wie dem auch sei, sie arbeiten so schnell sie können.“

Der Hubschrauber zog weiter nach Süden. Die Flut hatte eine Schneise durch das Tal geschnitten. Es sah aus, als wäre ein Riese durch den Wald gestapft und hätte die Bäume herausgerissen. Überall war Wasser. Das ursprüngliche Flussbett war nicht mehr zu erkennen.

Sie überquerten die Stadt Sargent, die immer noch mindestens zwei Meter hoch überschwemmt war. Die Verwüstung hier war allerdings nicht so verheerend. Es gab eine Menge leerer Grundstücke, wo vorher Häuser gestanden haben mussten – an anderen Ecken ragten Gebäude und Fastfood-Schilder noch wie Finger aus dem Wasser. Der Hubschrauber flog über ein Betongebäude, an dem sich ein Stapel von Autos und Geländewagen türmte. HONEST ABE'S GEBRAUCHTWAGEN besagte ein Schild, das halb aus dem Wasser ragte. Eines seiner Stützbalken war eingestürzt.

„Wie viele Tote gab es hier?“, fragte Luke.

„Fünfhundert“, sagte der Pilot. „Plus/minus ein paar Zerquetschte. Es fehlen immer noch 100 Menschen oder mehr. Es war früh am Morgen, und es gab keine große Vorwarnung. Viele Leute wurden noch in ihren Häusern weggefegt. Man liegt ruhig im Bett und auf einmal geht das alte Luftangriffssignal aus Zeiten des Kalten Kriegs los, was macht man da? Viele flohen anscheinend in ihre Keller. Das ist nicht gerade der Ort, an dem man sein sollte, wenn eine Flut kommt.“

„Niemand hat damit gerechnet, dass der Damm bricht?“, fragte Swann. Es war das erste, was er gesagt hatte, seit sie in den Hubschrauber gestiegen waren.

Der Pilot war mit seiner Steuerung beschäftigt. „Warum sollten man auch? Der Damm ist schließlich auch nicht gebrochen. Er wurde gebaut, um 1000 Jahre lang standzuhalten.“

„Okay“, sagte Luke. „Ich habe genug gesehen. Lasst uns mit dem Gefangenen reden.“

*

08:30 Uhr

Chattahoochee National Forest, Georgia

Das Lager erschien aus dem tiefen Wald wie eine Fata Morgana.

„Hübsch ist es ja nicht gerade“, sagte Ed Newsam.

Inmitten des Dunkelgrün des umliegenden Walds lag ein perfektes braun-graues Quadrat mit einer Seitenlänge von einem Kilometer. Als der Hubschrauber näher kam, konnte Luke Dutzende von Baracken ausmachen, die Reihe an Reihe standen, sowie ein großes, quadratisches Wasserreservoir in der Mitte des Lagers. Nebengebäude umgaben das Reservoir, das mit einem stählernen Laufsteg überquert werden konnte.

Der Hubschrauber begann seinen Landeanflug und Luke konnte zusehen, wie sich der Hubschrauberlandeplatz näherte. Er befand sich in einem Bereich in der äußersten westlichen Ecke des Lagers, mit einigen großen Verwaltungsgebäuden, einem Schwimmbad und ein paar Parkplätzen. Er konnte nun deutlich Betonflächen, eine Zufahrtsstraße, Straßen innerhalb des Lagers und eine Mauer mit Stacheldraht und Wachtürmen um den Rand des Lagers erkennen. Der Ort war wie eine offene Wunde inmitten des Waldes.

„Was ist das für ein Ort?“, fragte Luke in sein Headset.

Der Hubschrauberpilot war mit der Landung beschäftigt, aber nicht zu beschäftigt, um zu antworten. „Ich habe gehört, es heißt Camp Enduring Freedom“, sagte er. „Die Leute hier neigen dazu, es Camp Nirgendwo zu nennen. Offiziell gehört es zu uns, der Bundesagentur für Notfalleinsätze. Sie werden es auf keiner Karte finden. Ich schätze, es gibt keinen offiziellen Namen.“

„Also existiert es nicht?“, fragte Luke.

Der Hubschrauber flog jetzt tief, die grauen Gebäude des Lagers ragten um sie herum auf. Luke bemerkte, dass sich an den Gebäuden mit Stahldrähten verstärktes Glas befand.

Der Pilot schüttelte den Kopf lächelnd. „Was existiert nicht? Ich sehe hier nur unbewohnte Wildnis. Hier gibt es nichts als Wald.“

Ein Flugeinweiser in einer gelben Weste stand mit leuchtend orangefarbenen Stäben in der Hand seitlich des Hubschrauberlandeplatzes und winkte ihnen zu. Der Pilot setzte den Hubschrauber perfekt in der Mitte des Landeplatzes ab. Er schaltete den Motor ab und die Rotoren begannen sich sofort unter lautem Heulen zu verlangsamen.

„Wenn Sie den Chinesen sehen“, sagte der Pilot, „verpassen Sie ihm ein paar von mir.“

„So was machen wir nicht“, sagte Luke.

Der Pilot drehte sich um und lächelte. „Natürlich nicht. Ich fliege ständig Leute an solche Orte und zurück. Ich muss Leute wie Sie nur ansehen und weiß, wofür Sie hier sind, glauben Sie mir. Ein Blick hat mir gereicht und mir war klar, dass es für den Kerl langsam brenzlig wird.“

Er, Swann und Ed verließen den Hubschrauber mit eingezogenen Köpfen. Ein Mann wartete bereits auf dem Landeplatz, um sie zu begrüßen. Er trug einen grauen Geschäftsanzug und eine blaue Krawatte. Seine Haare wurden von den langsamen Rotorblättern des Hubschraubers umhergeblasen. Der Stoff seines Anzugs kräuselte sich. Seine schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert. Er sah aus, als sei er gerade aus einem Pendlerzug in Manhattan gestiegen. Er war so fehl am Platz, wie es nur möglich war.

Als Luke näher kam, betrachtete er sein Gesicht näher. Sein Alter war schwer zu schätzen – weder alt, noch jung, irgendetwas dazwischen. Er streckte seine Hand aus. Luke schüttelte sie.

„Agent Stone? Ich bin Pete Winn. Man sagte mir, die Präsidentin hätte Sie geschickt. Danke, dass Sie uns besuchen kommen.“

„Danke, Pete. Bitte nennen Sie mich Luke.“

Luke, Ed und Swann folgten Pete Winn vom Hubschrauber weg zu einer geriffelten Aluminiumhütte auf der anderen Seite des Platzes. Sogar der Hubschrauberlandeplatz war von Stacheldrahtzäunen umgeben. Der einzige Weg zum oder vom Hubschrauberlandeplatz war durch dieses Gebäude. Die Türen zum Gebäude waren kameragesteuert. Sie öffneten sich automatisch, als sich die Männer näherten.

„Was ist das hier für ein Ort?“, fragte Luke.

„Sie meinen unser bescheidenes Lager?“, fragte Winn.

„Ja.“

„Ah, nun ja. Lassen Sie mich Ihnen die Kurzpräsentation geben. Im Grunde ist es ein Internierungslager. Wir haben im Moment etwas über 250 Gefangene, darunter mehr als 70 Kinder. Die meisten sind illegale Einwanderer aus Mexiko und Mittelamerika, deren Leben durch Drogenkartelle oder kriminelle Banden gefährdet wäre, wenn sie nach Hause geschickt werden würden. Sie haben kein Asyl, also bleiben sie hier bei ihren Familien, bis die Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde entscheidet, was mit ihnen geschehen soll. Ihr Immigrationsstatus ist offiziell unbestimmt. Da dieser Ort quasi unsichtbar ist, haben die Banden keine Ahnung, wo sie sind.“

Sie gingen schnell durch das Gebäude. Es war im Grunde ein Pausenraum für Fluglotsen, Signalgeber und Piloten. Es gab ein paar Tische und Stühle, einige Funk- und Videoüberwachungsgeräte, einen Radarschirm, eine Kaffeemaschine und eine alte Schachtel mit abgestandenen Donuts auf dem Tisch.

„Also sitzen sie hier fest?“, fragte Swann.

„Nun ja, festsitzen ist etwas stark ausgedrückt“, sagte Winn. „Aber ja, die Familie, die am längsten hier ist, ist bereits seit sieben Jahren hier.“

Winn bemerkte ihre Blicke.

„Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wirklich nicht. Alle Kinder gehen fünf Tage in der Woche zur Schule. Die Schule ist gleich hier auf dem Gelände. Es gibt jede Menge Aktivitäten, darunter zwei neue Filme an jedem Wochenende, die sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch gezeigt werden. Es gibt Fußball und Basketball, und die Erwachsenen können Sprachunterricht und Berufstraining nehmen, zum Beispiel bei den Tischlermeistern, die wir hierher bringen.“

„Hört sich ja toll an“, sagte Swann. „Macht es euch was aus, wenn ich meinen Urlaub hier verbringe?“

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