Читать книгу «Lagezentrum: Ein Luke Stone Thriller – Buch 3» онлайн полностью📖 — Джека Марса — MyBook.

KAPITEL VIER

18:15 Uhr

Marine-Observatorium – Washington, DC

Luke saß auf dem Rücksitz eines schwarzen SUV, als dieser vor der weiß-gegiebelten Residenz aus den 1850er Jahren zum Stillstand kam. Diese Villa war jahrelang die offizielle Unterkunft des Vizepräsidenten gewesen. Da das Weiße Haus zwei Monate zuvor zerstört worden war, diente dieser Ort nun als das Neue Weiße Haus, was passend war, da die Präsidentin fünf Jahre lang hier gelebt hatte, bevor sie ihre neue Rolle übernommen hatte.

In den zwei Monaten, die Luke weg gewesen war, hatte er fast nie über diesen Ort oder die Menschen, die sich hier befanden, nachgedacht. Das Satellitentelefon hatte er auf Wunsch der Präsidentin bei sich, aber die ersten Wochen hatte er ständig in Angst gelebt, tatsächlich einen Anruf zu erhalten. Nach und nach hatte er jedoch fast vergessen, dass er das Telefon überhaupt hatte.

Eine junge Frau kam ihm auf dem Gehweg vor dem Haus entgegen. Sie war brünett, groß und äußerst hübsch. Sie trug einen schlichten schwarzen Rock und eine schwarze Jacke. Ihre Haare waren nach hinten gebunden. In ihrer linken Hand trug sie einen Tablet-Computer. Die andere Hand streckte sie Luke entgegen. Ihr Händedruck war fest und gänzlich geschäftlich.

„Agent Stone? Ich bin Kathryn Lopez, Susans Stabschefin.“

Luke war etwas verblüfft. „Werden Stabschefs heutzutage direkt von der Highscool rekrutiert?“

„Sehr nett von Ihnen“, sagte sie beiläufig. Er wusste, dass sie das ständig zu hören bekommen musste, und die meisten meinten es wahrscheinlich nicht freundlich, so wie er. „Ich bin siebenunddreißig Jahre alt. Ich bin seit dreizehn Jahren in Washington, seit ich meinen Masterabschluss habe. Ich habe für einen Abgeordneten, zwei Senatoren und den ehemaligen Direktor für Gesundheit und Soziales gearbeitet. Ich kenne mich also ein wenig hier aus.“

„Okay“, sagte Luke. „Dann bin ich ja in guten Händen.“

Sie traten durch die Vordertür. Im Inneren standen sie einem Kontrollpunkt mit drei bewaffneten Wachen und einem Metalldetektor gegenüber. Luke nahm seine Glock aus seinem Schulterholster und legte sie auf das Förderband. Er griff nach unten und schnallte die kleine Taschenpistole und das Jagdmesser, das an seine Waden geklebt war, ab und legte diese ebenfalls auf. Zum Schluss nahm er seine Schlüssel aus der Tasche und ließ sie zusammen mit den Waffen auf das Band fallen.

„Entschuldigung“, sagte er. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es hier eine Sicherheitskontrolle gab.“

„Gab es auch nicht“, sagte Kat Lopez. „Sie ist erst seit ein paar Wochen hier. Es kommen immer mehr Leute her und wir mussten die Sicherheitsvorkehrungen formalisieren.“

Luke erinnerte sich an die Vorfälle. Als die Angriffe anfingen und Thomas Hayes starb, musste Susan plötzlich das Präsidentsamt übernehmen. Das Weiße Haus war größtenteils zerstört worden und alles – alle Vorkehrungen, die gesamte Logistik – war in dieser Zeit mehr schlecht als recht hastig neu errichtet worden. Es war eine verrückte Zeit gewesen. Er war froh, dass er seitdem frei gehabt hatte. Er bewunderte Susan ein wenig dafür, dass sie die ganze Zeit über selbst vor Ort gewesen war.

Nachdem die Wachen Luke abgetastet und mit einem Metalldetektor überprüft hatten, gingen er und die Stabschefin weiter.

Es war viel los hier. Das Foyer war überfüllt mit Menschen in Anzügen, Militäruniformen, hochgekrempelten Ärmeln, Menschen, die schnell durch die Gänge eilten und hinter denen sich eine Schar an Helfern herzog. Eines fiel sofort auf – es waren viel mehr Frauen hier als vorher.

„Was ist mit Ihrem Vorgänger passiert?“, fragte Luke. „Der vorherige Stabschef. Richard…“

Kat Lopez nickte. „Richard Monk. Nun, nach dem Ebola-Vorfall waren er und Susan sich einig, dass es ein guter Zeitpunkt für ihn war, weiterzuziehen. Aber obwohl er hier raus ist, ist er auf seinen Füßen gelandet. Er arbeitet als Stabschef für den neuen US-Repräsentanten aus Delaware, Paul Chipman.“

Luke wusste, dass es neue Repräsentanten und Senatoren aus neununddreißig Staaten gab, um diejenigen zu ersetzen, die beim Angriff am Mount Weather gestorben waren. Unzählige Leute waren aus den unteren Ligen plötzlich aufgestiegen oder sind aus dem Ruhestand zurückgekehrt. Mehr als nur ein paar von ihnen waren von Gouverneuren ernannt worden, die fragwürdige Motive oder Gefallen zu erfüllen hatten. Wenn man genau hinsah, konnte man das Schmiergeld an jeder Ecke riechen.

Er lächelte. „Richard arbeitet nicht mehr für die Präsidentin, sondern für den Vertreter des zweitkleinsten Bundesstaates Amerikas? Und das nennen Sie auf den Füßen landen? Klingt für mich, als wäre er auf dem Kopf gelandet.“

„Kein Kommentar“, sagte Kat und lächelte fast. Es war die menschlichste Geste, die er bis jetzt von ihr gesehen hatte. Sie führte ihn durch die Menschenmenge zu einer Doppeltür am Ende der Halle. Luke kannte sich bereits aus. Als Susan Vizepräsidentin gewesen war, war der große, sonnige Raum ihr Konferenzraum gewesen. In den Tagen, nachdem sie ihren Amtseid abgelegt hatte, hatte er sich jedoch schnell in ein notdürftiges Lagezentrum verwandelt.

Nun sah er bereits voll ausgestattet aus. Fertigwände durchzogen den Raum und verdeckten die alten Fenster. Riesige Flachbildschirme waren überall im Abstand von 1,5 Metern montiert. Ein größerer Eichen-Konferenztisch war aufgestellt worden und an der Wand hinter ihm befand sich das Siegel des Präsidenten. Es waren etwa zwei Dutzend Leute hier, als Luke und Kat hereinkamen, ein Dutzend am Konferenztisch und weitere in Stühlen, die die Wände säumten.

Auch hier war der Geschlechter-Wechsel offensichtlich. Luke erinnerte sich, wie er vor zwei Monaten hier gesessen und über die gestohlene Ebola-Probe informiert worden war. Von den dreißig Leuten in dem Raum zu dieser Zeit war Susan die einzige Frau gewesen. Neunundzwanzig große, kräftige Männer und eine kleine Frau.

Heute machten Frauen ungefähr die Hälfte aller Anwesenden aus.

Susan erhob sich, als Luke hereinkam. Auch sie hatte sich verändert. Härter, so wie es aussah. Ein wenig dünner als vorher. In ihrer Jugend war sie Model, doch der Babyspeck auf ihren Wangen hatte sich bis ins mittlere Alter gehalten. Der war jetzt jedoch weg, und sie schien fast über Nacht Krähenfüße um die Augen entwickelt zu haben. Die hellen Augen selbst schienen fokussierter zu sein, wie Laserstrahlen. Sie war ihr gesamtes Leben die schönste Frau im Raum gewesen – nach ihrer Präsidentschaft würde das jedoch vielleicht nicht mehr der Fall sein.

„Agent Stone“, sagte sie. „Ich bin froh, dass Sie sich uns anschließen konnten.“

Er lächelte. „Frau Präsidentin. Ich bitte Sie. Nennen Sie mich Luke.“

Sie erwiderte das Lächeln nicht. „Danke, dass Sie gekommen sind.“

An einem der großen Bildschirme stand Kurt Kimball, Susans nationaler Sicherheitsberater. Luke hatte ihn schon einmal getroffen. Er war groß und hatte breite Schultern. Sein Kopf war völlig kahl.

Kimball bot ihm einen Handschlag an. Wenn Kat Lopez' Handschlag fest war, dann war Kurt Kimballs aus Granit. „Luke, schön, Sie zu sehen.“

„Kurt, ebenfalls.“

Die Stimmung war angespannt. Diese Leute hatten die letzten zwei Monate nicht mit Campen und Segeln verbracht. Trotzdem, Luke war von jetzt auf gleich von Maine hergeflogen und hatte seinen Sohn bei seiner wütenden bald Ex-Frau abgesetzt, die all dies nur als Bestätigung sah, warum sie sich von ihm scheiden ließ. Er hatte einen etwas freundlicheren Empfang erwartet.

Er entschied sich, nicht weiter darauf einzugehen. Hunderte von Menschen waren heute Morgen gestorben und die Menschen in diesem Raum vermuteten einen Terroranschlag.

„Sollen wir zur Sache kommen?“, fragte er.

„Bitte setzen Sie sich“, sagte Kimball.

Ein Sitzplatz an Susans rechter Flanke wurde wie durch ein Wunder frei und Luke nahm ihn dankend an.

Auf dem Bildschirm erschien das Foto eines großen Dammes. Groß war nicht ganz das richtige Wort. Massiv war der bessere Ausdruck. Ein sechsstöckiges Gebäude stand vor dem Damm. Es handelte sich um das Kontrollzentrum. Sechs teilweise offene Schleusen waren deutlich zu sehen. Das Gebäude wurde durch den dahinter aufragenden Damm in den Schatten gestellt. Entlang der Kante befand sich ein Wasserkraftwerk mit einer Reihe von Transformatoren.

„Luke, das ist der Black-Rock-Damm“, sagte Kurt Kimball. „Er ist ungefähr fünfzig Stockwerke hoch und staut den Black Rock See, der 25 Kilometer lang und 120 Meter tief ist und etwa 280 Milliarden Liter Wasser enthält. Wie Sie wahrscheinlich in den Nachrichten gesehen haben, öffneten sich die sechs Schleusen, die Sie hier sehen, heute Morgen kurz nach sieben Uhr vollständig und blieben dreieinhalb Stunden lang offen, bis die Techniker sie vom Computersystem abkoppeln und schließlich manuell schließen konnten.“

Kimball benutzte einen Laserpointer, um auf die Schleusen zu zeigen.

„Wenn Sie die Schleusen im Verhältnis zum Gebäude betrachten, sehen Sie, dass sie ziemlich groß sind. Jede von ihnen ist zehn Meter hoch, was bedeutet, dass sechs dreistöckige Wasserstrahlen auf einmal ausgestoßen wurden. Der Wasserdruck des Black Rock Lake schickte die Flut mit etwa dreißig Kilometern pro Stunde stromabwärts, was sich erstmal nicht so schnell anhört, bis man selbst davorsteht. Bis heute Morgen befand sich fünf Kilometer südlich des Dammes das Black Rock Resort. Es bestand fast ausschließlich aus Holz. Die Flut hat das Resort komplett zerstört und soweit wir wissen, waren die einzigen Überlebenden eine Handvoll Leute, die schon früh aufgebrochen waren, um auf dem Damm zu wandern oder auf nahegelegenen Panoramastraßen zu fahren.“

„Wie viele Leute waren im Resort?“, fragte Luke.

„In ihrem Online-Reservierungssystem waren 281 Gäste aufgeführt. Vielleicht 20 von ihnen haben das Resort entweder vor der Flut verlassen oder sind aus dem einen oder anderen Grund nie dort angekommen. Alle anderen wurden weggefegt und sind aller Wahrscheinlichkeit nach tot. Zusammen mit den anderen Katastrophen flussabwärts wird es noch mehrere Tage dauern, bis wir eine genaue Anzahl von Toten haben.“

Luke verspürte ein seltsames, vertrautes Gefühl. Es kam zurück wie ein alter Freund, den man lange nicht gesehen hatte und von dem man eigentlich gehofft hatte, ihn nie wieder zu treffen. Es fühlte sich an, als wäre ihm schlecht. Es war der Tod, der Tod von Unschuldigen, die einfach nur ihrem eigenen Leben nachgegangen waren. Luke hatte sich viel zu lange mit solchen Vorfällen beschäftigen müssen.

„Hat jemand versucht, sie zu warnen?“, fragte er.

Kimball nickte. „Die Arbeiter im Kontrollzentrum des Staudamms riefen das Resort an, sobald sie merkten, dass die Schleusen geöffnet waren, aber anscheinend hatte die Flut dort bereits Einzug gehalten, als sie jemanden erreicht haben. Jemand nahm ab, aber das Gespräch endete fast sofort.“

„Mein Gott. Und was waren die Katastrophen flussabwärts, die Sie erwähnten?“

Eine Karte erschien auf dem Bildschirm. Sie zeigte den See, den Damm, das Resort und weitere Städte in der Nähe. Kimball zeigte auf eine Stadt. „Die Stadt Sargent liegt weitere 25 Kilometer südlich des Resorts. Es ist eine Stadt mit 2.300 Einwohnern und eine Anlaufstelle für Besucher des Nationalparks. Sargent liegt größtenteils auf einem kleinen Hügel und die Stadt wurde etwas besser gewarnt als das Resort. Sie wurden sogar früh genug gewarnt, dass die Notfallsirenen der Stadt ertönten, bevor die Flut kam. Mit den zusätzlichen 25 Kilometern, die das Wasser bis dahin zurücklegen musste, traf es die Stadt etwas weniger hart, und viele der Häuser und Gebäude hielten stand und wurden nicht weggespült. Mehr als vierhundert Menschen aus Sargent werden jedoch derzeit vermisst oder für tot gehalten.“

Luke starrte auf den Bildschirm, als Kimballs Laserpointer auf die Städte Saphir, Greenwood und Kent fiel, jede etwas weiter vom Damm entfernt als die vorherige, und jede auf ihre eigene Art betroffen. Das Ausmaß der Katastrophe war verheerend, und obwohl die Schleusen inzwischen geschlossen waren, würde die Flut selbst in den nächsten Tagen weiter nach Süden und bergab fließen. Zwei Dutzend Städte waren evakuiert worden, aber weitere Todesfälle waren praktisch garantiert. Einige Menschen in den entlegenen Gebieten wollten oder konnten nicht fliehen.

„Und Sie glauben, dass Hacker dahinterstecken? Wie ist das möglich?“

Kimball blickte sich im Raum um. „Hat jeder hier die Sicherheitsfreigabe, den nächsten Teil zu hören? Können wir bitte jeden rausschmeißen, der keine Freigabe hat?“