Читать книгу «Lagezentrum: Ein Luke Stone Thriller – Buch 3» онлайн полностью📖 — Джека Марса — MyBook.

KAPITEL ZWEI

07:35 Uhr

Marine-Observatorium – Washington, DC

Für Susan Hopkins, erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, könnte das Leben nicht besser sein. Es war Sommer, also waren Michaela und Lauren nicht in der Schule. Pierre hatte sie hierher gebracht, als sich die Dinge beruhigt hatten, und schließlich war die gesamte Familie in das Neue Weiße Haus eingezogen. Michaela hatte sich von ihrer Entführung erholt, als wäre es ein verrücktes Abenteuer gewesen, das sie sich selbst ausgesucht hatte. Sie hatte sogar eine Runde Talkshows über sich ergehen lassen und zusammen mit Lauren einen Artikel für ein nationales Magazin verfasst.

Susan und Pierre hatten sich besonders Mühe gemacht, sodass Lauren sich nicht ausgeschlossen fühlte. Nach dem ersten TV-Interview bestanden sie darauf, dass die Mädchen die Shows nur noch zusammen machten. Das war auch ganz richtig so – während Michaela in einem fünfzigstöckigem Gebäude voller Terroristen gefangen gewesen war, war Lauren alleine zu Hause geblieben, ganz ohne ihre Zwillingsschwester und beste Freundin.

Manchmal stockte Susan bei dem Gedanken, dass sie fast ihre Tochter verloren hatte, der Atem. Sie wachte ab und zu mitten in der Nacht auf und schnappte nach Luft, als ob ein Dämon auf ihrer Brust säße.

Sie hatte Luke Stone dafür zu danken, dass Michaela heil wieder zurückgekehrt war. Luke Stone hatte sie gerettet. Er und sein Team hatten jeden einzelnen der Kidnapper getötet. Er war ein Mann, den man nur schwer durchschauen konnte. Skrupelloser Killer auf der einen Seite, liebender Vater auf der anderen. Susan war überzeugt, dass er auf dieses Dach gegangen war, nicht weil es sein Job war, sondern weil er seinen eigenen Sohn so sehr liebte, dass er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Susan ihre Tochter verlieren könnte.

In zehn Tagen würde die ganze Familie nach Kalifornien zurückkehren, um sich auf das neue Schuljahr vorzubereiten – nur Susan würde zurückbleiben. Sie würde sie wieder verlieren, aber es war nur ein vorübergehender Verlust, und im Moment war es toll, sie hier zu haben. So großartig, dass sie fast Angst hatte, sich zu sehr daran zu gewöhnen.

„Worüber denkst du nach?“, fragte Pierre.

Sie lagen auf dem großen Bett im Schlafzimmer. Durch die nach Südosten gerichteten Fenster strömte das Morgenlicht herein. Susan lag mit dem Kopf auf seiner nackten Brust und hatte ihren Arm um seine Taille geschlungen. Was machte es schon, dass er schwul war? Er war ihr Mann und der Vater ihrer beiden Töchter. Sie liebte ihn. Sie hatten so viel miteinander erlebt. Jetzt, Sonntagmorgen, war ihre Lieblingszeit.

Ihre Mädchen waren beide Langschläfer. Sie würden bis zum Mittag im Bett bleiben, wenn Pierre und Susan sie schlafen lassen würden. Wenn die Pflicht nicht rufen würde, würde Susan auch am liebsten weiterschlafen. Aber Präsidentin der Vereinigten Staaten zu sein war ein Job, der sieben Tage die Woche vollsten Einsatz von ihr verlangte. Sie hatte nur die wenigen faulen Momente am Sonntagmorgen für sich.

„Ich denke daran, wie glücklich ich bin“, sagte sie. „Zum ersten Mal seit dem sechsten Juni bin ich glücklich. Es ist so schön, euch hier zu haben. Genau wie in alten Zeiten. Und ich habe das Gefühl, nach allem, was passiert ist, gewöhne ich mich endlich an den Gedanken, Präsidentin zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dazu in der Lage wäre, aber ich habe es geschafft.“

„Du bist härter geworden“, sagte Pierre. „Gemeiner.“

„Ist es so schlimm?“, fragte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, gar nicht. Du bist erwachsener geworden. Als Vizepräsidentin hast du noch ganz anders gewirkt.“

Susan nickte. „Ich war schon ziemlich mädchenhaft.“

„Oh ja“, sagte er. „Weißt du noch, wie Mademoiselle dich in einer orangefarbenen Yogahose joggen gehen gelassen hat? Ziemlich sexy. Aber du warst Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Das war ein wenig… sagen wir mal informell.“

„Es hat Spaß gemacht, Vizepräsidentin zu sein. Ich habe es wirklich geliebt.“

Er nickte und lachte. „Ich weiß. Ich hab's gesehen.“

„Aber dann hat sich alles verändert.“

„Ja.“

„Und wir können nicht mehr zurück“, sagte sie.

Er sah zu ihr herunter. „Würdest du das denn wollen?“

Sie dachte darüber nach, aber nur für einen Moment. „Wenn all die Menschen noch am Leben wären, die ihr Leben am Mount Weather verloren haben, würde ich Thomas Hayes sofort seinen Job zurückgeben. Aber so nicht. Ich habe noch ein paar Jahre, bevor ich mich entscheiden muss, ob ich noch einmal antreten möchte. Ich habe das Gefühl, dass mich die Leute so langsam unterstützen und mit einer zweiten Amtszeit könnten wir einige großartige Dinge erreichen.“

Er hob die Augenbrauen. „Eine zweite Amtszeit?“

Sie lachte. „Das können wir wann anders besprechen.“

In dem Moment klingelte das Telefon. Susan griff danach und hoffte, es sei nichts Wichtiges.

Leider waren Anrufe für sie immer wichtig.

Es war ihre neue Stabschefin, Kat Lopez. Susan erkannte ihre Stimme sofort. Und vom ersten Moment an gefiel ihr ihr Tonfall nicht.

„Susan?“

„Hi, Kat. Du weißt, dass es Sonntag ist und nicht mal acht Uhr, oder? Sogar Gott hat einen Tag geruht. Du darfst das auch.“

Kats Tonfall war ernst. Kat war eigentlich immer ernst. Als Frau mit spanischen Wurzeln und aus armen Verhältnissen hatte sie sich nach oben gekämpft. Sie hatte sich ihre Position nicht durch bloßes Lächeln erarbeitet, auch wenn Susan das bedauerte. Kat war äußerst kompetent, aber sie war auch sehr schön. Es würde ihr nicht schaden, wenn sie ab und zu lächeln würde.

„Susan, ein großer Damm in einer abgelegenen Gegend im äußersten Westen von North Carolina ist gebrochen. Unsere Analysten sagen, es könnte ein Terroranschlag gewesen sein.“

Susan fühlte ein vertrautes Stechen in ihrer Magengegend. Das war eine Sache an ihrer Arbeit, an die sie sich nie gewöhnen würde. Ein Gefühl, das sie ihrem schlimmsten Feind nicht wünschen würde.

„Opfer?“, fragte sie.

Sie sah den Blick in Pierres Augen. So war es nun mal. Eben noch hatten sie über eine weitere Amtszeit gewitzelt.

„Ja“, sagte Kat.

„Wie viele?“

„Das wissen wir noch nicht. Möglicherweise Hunderte.“

Susan fühlte, wie ihr die Luft entwich, als wäre sie ein Reifen, der gerade aufgeschlitzt worden war.

„Susan, eine Gruppe versammelt sich gerade im Lagezentrum.“

Susan nickte. „Ich bin in einer Viertelstunde unten.“

Sie legte auf. Pierre starrte sie an.

„Ist es schlimm?“, fragte er.

„Es ist doch immer schlimm.“

„Okay“, sagte er. „Mach dein Ding. Ich kümmere mich um die Mädchen.“

Susan war bereits aufgestanden und auf halbem Weg zur Dusche, bevor er zu Ende gesprochen hatte.

KAPITEL DREI

10:23 Uhr

Perpendicular Trail, Southwest Harbor, Acadia National Park, Maine

„Wie geht es dir, Monster?“

„Gut, Dad.“

Luke Stone und sein Sohn, Gunner, bewegten sich langsam die steilen, rauen Stufen des Weges hinauf. Es war ein feuchter Morgen. Schon um diese Uhrzeit war es heiß und es würde noch viel heißer werden. Sie gingen langsam den Berg hinauf, und Luke sorgte dafür, dass sie für häufige Verschnauf- und Trinkpausen anhielten; er war sich bewusst, dass Gunner erst zehn Jahre alt war.

Sie bewegten sich immer höher und höher durch das riesige Geröllfeld. Massiven Steine waren am Berghang aufgeschichtet worden, um eine gewundene, riesige Treppe zu schaffen, als wäre ein nordischer Donnergott vom Himmel herabgekommen und hätte sie mit seinen eigenen Händen gemeißelt. Luke wusste natürlich, dass die Steine von arbeitslosen jungen Männern gelegt worden waren, die das Civilian Conservation Corps etwa achtzig Jahre zuvor in den Tiefen der Großen Depression aus den Städten der Ostküste aufgelesen hatte.

Etwas weiter oben stießen sie auf einige eiserne Sprossen, die in die Steinwand geschraubt waren. Sie kletterten die Leiter hoch und schlängelten sich dann eine eingeritzte Felswand hinauf. Bald flachte der Weg ab und sie wanderten durch dichten Wald, bevor sie einen letzten Aufstieg zum Gipfelausblick machten. Sie kletterten auf die Felsen hinaus.

Direkt vor ihnen war ein steiler Abhang. Es waren bestimmt fünfzig Stockwerke hinunter bis zu einem großen See, wo sie geparkt hatten. Weiter draußen bot der Platz einen herrlichen Blick auf den Atlantischen Ozean, der vielleicht acht Kilometer entfernt lag.

„Was meinst du, Monster?“

Gunner war verschwitzt von der Hitze des Tages. Er setzte sich auf einen Felsen, öffnete seinen Rucksack und zog eine Wasserflasche heraus. Sein schwarzes Dawn of the Dead T-Shirt war schweißgetränkt. Sein blondes Haar war verfilzt. Er nahm einen Schluck aus der Flasche und reichte sie Luke. Er war ein selbstbewusstes Kind.

„Es ist fantastisch, Dad. Es gefällt mir wirklich.“

„Ich möchte dir etwas geben“, sagte Luke. „Ich dachte mir ich warte damit, bis wir hier oben sind. Ich weiß auch nicht, warum. Ich dachte, das wäre eine gute Gelegenheit.“

Gunner sah leicht beunruhigt aus. Er mochte es, Geschenke zu bekommen, aber im Allgemeinen bevorzugte er welche, die er sich auch gewünscht hatte.

Luke nahm das Gerät aus seiner Tasche. Es war nur ein kleines Stück schwarzes Plastik, ungefähr die Größe eines Schlüsselanhängers. Es sah nicht besonders aus, wie die Fernbedienung für ein automatisches Garagentor.

„Was ist das?“, fragte Gunner.

„Ein GPS-Gerät. GPS heißt ‚Globales Positionsbestimmungssystem.‘“ Luke zeigte auf den Himmel. „Da oben im All gibt es diese Dinger, die heißen Satelliten…“

Gunner lächelte halbherzig. Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß, was GPS ist, Dad. Mom hat eins in ihrem Auto. Das ist auch gut so. Sonst würde sie sich an jeder Ecke verfahren. Warum gibst du mir sowas?“

„Siehst du den Clip, der hinten dran ist? Ich möchte, dass du ihn an deinem Rucksack befestigst und überallhin mitnimmst. Ich habe eine App auf meinem Handy, die darauf eingestellt ist, dieses Gerät zu verfolgen. So weiß ich immer, wo du bist, auch wenn wir getrennt sind.“

„Machst du dir Sorgen um mich?“

Luke schüttelte den Kopf. „Nein. Ich mache mir keine Sorgen. Ich weiß, dass du auf dich selbst aufpassen kannst. Wir sehen uns in letzter Zeit nur selten und wenn ich auf meinem Handy sehen kann, wo du bist, ist es fast so, als wäre ich bei dir.“

„Aber ich kann nicht sehen, wo du bist“, sagte Gunner. „Ist das nicht ein bisschen unfair?“

Luke griff in seine Tasche und holte ein weiteres GPS-Gerät heraus, dieses in leuchtendem Blau. „Siehst du das? Ich werde es an meinen Schlüsselbund hängen. Wenn wir zurück im Hotel sind, lade ich die App auf dein Handy, dann weißt du auch immer, wo ich bin.“

Gunner lächelte. „Die Idee gefällt mir, Dad. Aber du weißt, dass wir uns einfach schreiben könnten? Weißt du überhaupt, wie das geht? Ich weiß, dass viele Leute in deinem Alter keine Ahnung von Handys haben.“

Jetzt lächelte Luke. „Ja, keine Sorge. Wir können auch beides tun.“

Für Luke war es ein zwiespältiges Gefühl, mit Gunner hier oben zu sein. Luke war ohne Vater aufgewachsen, und jetzt musste Gunner dasselbe durchmachen. Die Scheidung mit Becca war noch nicht abgeschlossen, aber das Ende war in Sicht. Luke hatte seit zwei Monaten nicht mehr für die Regierung gearbeitet, aber Becca war unnachgiebig gewesen: Sie zog es trotzdem durch.

In der Zwischenzeit hatte Luke zwei Wochenenden im Monat mit Gunner. Er tat alles, was in seiner Macht stand, um sicherzustellen, dass diese Wochenenden voller Spaß und Abenteuer waren. Er tat auch alles, was er konnte, um Gunners Fragen unparteiisch, aber optimistisch zu beantworten. Fragen wie diese:

„Glaubst du, wir können so etwas eines Tages mit Mom machen?“

Luke starrte aufs Meer hinaus. Bei solchen Fragen würde er am liebsten die Klippe, die vor ihnen lag, herunterspringen. „Ich hoffe es.“

Gunner wurde selbst bei diesem kleinen Zugeständnis hellhörig. „Wann?“

„Nun, du musst verstehen, dass deine Mutter und ich gerade eine kleine Meinungsverschiedenheit haben.“

„Ich verstehe das nicht“, sagte Gunner. „Ihr liebt euch doch, oder? Und du hast versprochen, deinen Job zu kündigen, richtig? Du hast doch gekündigt?“

Luke nickte. „Ich habe gekündigt.“

„Siehst du. Aber Mom glaubt dir nicht.“

„Ich weiß.“

„Kannst du sie nicht irgendwie überzeugen?“

Luke hatte auf jeden Fall gekündigt. Er hatte nicht nur seine Kündigung eingereicht, sondern war anschließend komplett untergetaucht. Susan Hopkins hatte versprochen, ihn in Ruhe zu lassen, und sie hatte ihr Versprechen auch gehalten. Er hatte sogar keinen Kontakt mehr zu seiner alten Gruppe im Special Response Team.

Er genoss seine Auszeit tatsächlich. Er war zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Er hatte eine Hütte im Adirondack-Gebirge gemietet und zwei Wochen lang fast ausschließlich mit Bogenjagd und Angeln verbracht. Er badete jeden Morgen im See, der hinter seiner Hütte lag. Er ließ sich einen Bart wachsen.

Danach verbrachte er zehn Tage in der Karibik, segelte allein durch St. Vincent und die Grenadinen, schnorchelte mit Meeresschildkröten, Riesenrochen und Riffhaien und besichtigte Schiffswracks, die mehr als hundert Jahre alt waren.

Am Ende jeder kleinen Reise nahm er sich Zeit, um nach Washington, DC zurückzukehren und Gunner für das nächste Vater-Sohn-Abenteuer abzuholen. Luke musste zugeben, dass ihm der Ruhestand gefiel. In einem Jahr, wenn ihm das Geld ausgehen würde, würde es nicht mehr so angenehm sein, aber im Moment war er vollends zufrieden.

„Werdet ihr euch wirklich trennen?“

Luke bemerkte das Zittern in Gunners Stimme, als er diese Frage stellte. Das konnte er nur zu gut verstehen. Gunner hatte Angst. Luke setzte sich mit ihm auf die Felsen.

„Gunner, ich liebe dich und deine Mutter sehr. Die Situation ist kompliziert, und wir arbeiten daran, so gut wir können.“

Das stimmte nicht unbedingt. Becca war kalt zu Luke. Sie wollte die Scheidung. Sie wollte das volle Sorgerecht für Gunner. Sie dachte, Luke sei eine Gefahr für Gunner und sie. Sie hatte praktisch damit gedroht, eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken. Sie war unvernünftig, und sie und ihre Familie hatten reichlich Geld. Sie konnte einen langen und erbitterten Sorgerechtsstreit bezahlen, wenn es sein musste.

„Willst du mit ihr zusammen sein?“

„Ja, das will ich. Natürlich will ich das.“ Das war die erste Lüge, die Luke Gunner in diesem Gespräch erzählt hatte. Die Wahrheit war kompliziert. Am Anfang hatte er sie noch zurückgewollt. Aber während die Zeit verging und Beccas Position sich verhärtet hatte, wurde er immer unsicherer.

„Warum kommst du dann nicht einfach nach Hause und sagst es ihr? Warum schickst du ihr keine Blumen, bis sie dir vergibt?“

Das war eine gute Frage. Eine Frage, die keine einfache Antwort hatte.

In Lukes Rucksack fing ein Telefon an zu klingeln. Wahrscheinlich war es Becca, die mit Gunner sprechen wollte. Luke griff in den Rucksack, um das Satellitentelefon zu holen, das er immer bei sich trug. Es war für ihn das einzige akzeptable Mittel, um erreichbar zu bleiben. Becca konnte ihn so immer kontaktieren. Aber sie war nicht die Einzige. Es gab noch eine weitere Person, die Zugang zu dieser Nummer hatte.

Er blickte auf das Display. Es war eine Nummer, die er nicht kannte, mit 202er-Vorwahl. Washington, DC.

Sein Herz stockte.

Es war nicht Becca.

„Ist es Mom?“, fragte Gunner.

„Nein.“

„Ist es die Präsidentin?“

Luke nickte. „Ich denke schon.“

„Solltest du dann nicht besser rangehen?“, fragte Gunner.

„Ich arbeite nicht mehr für sie“, sagte Luke. „Weißt du noch?“

Heute Morgen, bevor sie zu dieser Wanderung aufgebrochen waren, hatten sie im Fernsehen Nachrichten über den Dammbruch in North Carolina gesehen. Mehr als hundert bestätigte Tote, hunderte weitere wurden vermisst. Ein ganzes Bergresort wurde vom Wasser weggespült. Die Städte flussabwärts wurden so schnell wie möglich evakuiert und mit Sandsäcken geschützt, aber es gab wahrscheinlich noch mehr Tote.

Das Unglaubliche daran war, dass ein im Jahre 1943 erbauter Damm nach mehr als siebzig Jahren nahezu perfekter Arbeit plötzlich eine Fehlfunktion erleiden würde. Für Luke roch das nach Sabotage. Aber er konnte sich nicht vorstellen, wer es in einer so abgelegenen Gegend auf einen Damm abgesehen haben könnte. Wer würde überhaupt wissen, dass dort ein Damm existierte? Wenn es Sabotage war, dann war es wahrscheinlich ein örtliches Problem, eine Gruppe von militanten Umweltschützern, oder vielleicht sogar ein verärgerter ehemaliger Angestellter, der eine Nummer abgezogen hatte, die schrecklich schief gegangen war und tragische Konsequenzen nach sich trug. Die Staatspolizei oder die FBI-Abteilung für North Carolina würden die Täter wahrscheinlich bereits am Ende des Tages geschnappt haben.

Aber nun klingelte sein Telefon. Also steckte vielleicht doch mehr dahinter.

„Dad, es ist okay. Ich will nicht, dass du deinen Job kündigst, auch wenn Mom anderer Meinung ist.“

„Ist das so? Und wenn ich aufhören will? Darf ich da nicht mitreden?“

Gunner schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Ich meine, eine Menge Leute sind bei diesem Unfall gestorben, oder? Was, wenn ich dabei gewesen wäre? Was, wenn Mom und ich unter den Opfern gewesen wären? Würdest du nicht wollen, dass jemand herausfindet, was passiert ist?“

Das Telefon klingelte immer weiter. Als die Mailbox sich einschaltete, hörte das Telefon für einige Sekunden auf zu klingeln, ging aber sofort wieder los. Wer auch immer es war, wollte mit Luke sprechen und keine Nachricht hinterlassen.

Luke dachte an Gunners Worte und drückte den grünen Knopf am Telefon. „Stone.“

„Die Präsidentin der Vereinigten Staaten“, sagte eine Männerstimme.

Es gab einen Moment der Stille, dann erklang ihre Stimme in der Leitung. Sie klang härter als zuvor, etwas älter. Die Ereignisse der letzten Monate würden jeden altern lassen.

„Luke?“

„Hi, Susan.“

"Luke, du musst sofort herkommen.“

„Geht es um den Damm?“

„Ja.“

„Susan, ich bin im Ruhestand, erinnerst du dich?“

Ihre Stimme wurde leiser.

„Luke, der Damm wurde gehackt. Hunderte von Menschen sind tot, und alle Zeichen deuten auf die Chinesen hin. Wir stehen am Rande des Dritten Weltkriegs.“

Luke wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.

„Wann wirst du hier sein?“, fragte sie.

Er wusste, dass sie ein ‚Nein‘ nicht akzeptieren würde.