Burleigh. Paulet.
Burleigh.
Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,
Bis an die Stufen des Schafotts – Dies stolze Herz
Ist nicht zu brechen – Überraschte sie
Der Urtelspruch? Saht Ihr sie eine Träne
Vergießen? Ihre Farbe nur verändern?
Nicht unser Mitleid ruft’ sie an. Wohl kennt sie
Den Zweifelmut der Königin von England,
Und unsre Furcht ist’s, was sie mutig macht.
Paulet.
Lord Großschatzmeister! Dieser eitle Trotz wird schnell
Verschwinden, wenn man ihm den Vorwand raubt.
Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen
In diesem Rechtsstreit, wenn ich’s sagen darf.
Man hätte diesen Babington und Tichburn
Ihr in Person vorführen, ihre Schreiber
Ihr gegenüberstellen sollen.
Burleigh (schnell).
Nein!
Nein, Ritter Paulet! Das war nicht zu wagen.
Zu groß ist ihre Macht auf die Gemüter
Und ihrer Tränen weibliche Gewalt.
Ihr Schreiber Kurl, ständ’ er ihr gegenüber,
Käm’ es dazu, das Wort nun auszusprechen,
An dem ihr Leben hängt – er würde zaghaft
Zurückziehn, sein Geständnis widerrufen —
Paulet.
So werden Englands Feinde alle Welt
Erfüllen mit gehässigen Gerüchten,
Und des Prozesses festliches Gepräng’
Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.
Burleigh.
Dies ist der Kummer unsrer Königin —
Daß diese Stifterin des Unheils doch
Gestorben wäre, ehe sie den Fuß
Auf Englands Boden setzte!
Paulet.
Dazu sag ich Amen.
Burleigh.
Daß Krankheit sie im Kerker aufgerieben!
Paulet.
Viel Unglück hätt’ es diesem Land erspart.
Burleigh.
Doch, hätt’ auch gleich ein Zufall der Natur
Sie hingerafft – wir hießen doch die Mörder.
Paulet.
Wohl wahr. Man kann den Menschen nicht verwehren,
Zu denken, was sie wollen.
Burleigh.
Zu beweisen wär’s
Doch nicht und würde weniger Geräusch erregen —
Paulet.
Mag es Geräusch erregen! Nicht der laute,
Nur der gerechte Tadel kann verletzen.
Burleigh.
Oh! auch die heilige Gerechtigkeit
Entflieht dem Tadel nicht. Die Meinung hält es
Mit dem Unglücklichen, es wird der Neid
Stets den obsiegend Glücklichen verfolgen.
Das Richterschwert, womit der Mann sich ziert,
Verhaßt ist’s in der Frauen Hand. Die Welt
Glaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes,
Sobald ein Weib das Opfer wird. Umsonst,
Daß wir, die Richter, nach Gewissen sprachen!
Sie hat der Gnade königliches Recht.
Sie muß es brauchen; unerträglich ist’s,
Wenn sie den strengen Lauf läßt dem Gesetze!
Paulet.
Und also —
Burleigh (rasch einfallend).
Also soll sie leben? Nein!
Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies, eben
Dies ist’s, was unsre Königin beängstigt —
Warum der Schlaf ihr Lager flieht – Ich lese
In ihren Augen ihrer Seele Kampf;
Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen,
Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:
Ist unter allen meinen Diener keiner,
Der die verhaßte Wahl mir spart, in ew’ger Furcht
Auf meinem Thron zu zittern, oder grausam
Die Königin, die eigne Blutsverwandte
Dem Beil zu unterwerfen?
Paulet.
Das ist nun die Notwendigkeit, steht nicht zu ändern.
Burleigh.
Wohl stünd’s zu ändern, meint die Königin,
Wenn sie nur aufmerksamre Diener hätte.
Paulet.
Aufmerksamre?
Burleigh.
Die einen stummen Auftrag
Zu deuten wissen.
Paulet.
Einen stummen Auftrag!
Burleigh.
Die, wenn man ihnen eine gift’ge Schlange
Zu hüten gab, den anvertrauten Feind
Nicht wie ein heilig teures Kleinod hüten.
Paulet (bedeutungsvoll).
Ein hohes Kleinod ist der gute Name,
Der unbescholtne Ruf der Königin,
Den kann man nicht zu wohl bewachen, Sir!
Burleigh.
Als man die Lady von dem Shrewsbury
Wegnahm und Ritter Paulets Hut vertraute,
Da war die Meinung —
Paulet.
Ich will hoffen, Sir,
Die Meinung war, daß man den schwersten Auftrag
Den reinsten Händen übergeben wollte.
Bei Gott! Ich hätte dieses Schergenamt
Nicht übernommen, dächt’ ich nicht, daß es
Den besten Mann in England forderte.
Laßt mich nicht denken, daß ich’s etwas anderm
Als meinem reinen Rufe schuldig bin.
Burleigh.
Man breitet aus, sie schwinde, läßt sie kränker
Und kränker werden, endlich still verscheiden,
So stirbt sie in der Menschen Angedenken —
Und Euer Ruf bleibt rein.
Paulet.
Nicht mein Gewissen.
Burleigh.
Wenn Ihr die eigne Hand nicht leihen wollt,
So werdet Ihr der fremden doch nicht wehren —
Paulet (unterbricht ihn).
Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn,
Solang die Götter meines Dachs sie schützen.
Ihr Leben ist mir heilig, heil’ger nicht
Ist mir das Haupt der Königin von England.
Ihr seid die Richter! Richtet! Brecht den Stab!
Und wenn es Zeit ist, laßt den Zimmerer
Mit Axt und Säge kommen, das Gerüst
Aufschlagen – für den Sheriff und den Henker
Soll meines Schlosses Pforte offen sein.
Jetzt ist sie zur Bewahrung mit vertraut,
Und seid gewiß, ich werde sie bewahren,
Daß sie nichts böses tun soll, noch erfahren!
(Gehen ab).
Der Palast zu Westminster.
Der Graf von Kent und Sir William Davison begegnen einander.
Davison.
Seid Ihr’s, Mylord von Kent? Schon vom Turnierplatz
Zurück, und ist die Festlichkeit zu Ende?
Kent.
Wie? Wohntet Ihr dem Ritterspiel nicht bei?
Davison.
Mich hielt mein Amt.
Kent.
Ihr habt das schönste Schauspiel
Verloren, Sir, das der Geschmack ersonnen
Und edler Anstand ausgeführt – denn wißt!
Es wurde vorgestellt die keusche Festung
Der Schönheit, wie sie vom Verlangen
Berennt wird – Der Lord Marschall, Oberrichter,
Der Seneschall nebst zehen andern Rittern
Der Königin verteidigten die Festung,
Und Frankreichs Kavaliere griffen an.
Voraus erschien ein Herold, der das Schloß
Aufforderte in einem Madrigale,
Und von dem Wall antwortete der Kanzler.
Drauf spielte das Geschütz, und Blumensträuße,
Wohlriechend köstliche Essenzen wurden
Aus niedlichen Feldstücken abgefeuert.
Umsonst! die Stürme wurden abgeschlagen,
Und das Verlangen mußte sich zurückziehn.
Davison.
Ein Zeichen böser Vorbedeutung, Graf,
Für die französische Brautwerbung.
Kent.
Nun, nun, das war ein Scherz – Im Ernste, denk ich,
Wird sich die Festung endlich doch ergeben.
Davison.
Glaubt Ihr? Ich glaub es nimmermehr.
Kent.
Die schwierigsten Artikel sind bereits
Berichtigt und von Frankreich zugestanden.
Monsieur begnügt sich, in verschlossener
Kapelle seinen Gottesdienst zu halten
Und öffentlich die Reichsreligion
Zu ehren und zu schützen – Hättet Ihr den Jubel
Des Volks gesehn, als diese Zeitung sich verbreitet!
Denn dieses war des Landes ew’ge Furcht,
Sie möchte sterben ohne Leibeserben
Und England wieder Papstes Fesseln tragen,
Wenn ihr die Stuart auf dem Throne folgte.
Davison.
Der Furcht kann es entledigt sein – Sie geht
Ins Brautgemach, die Stuart geht zum Tode.
Kent.
Die Königin kommt!
Die Vorigen. Elisabeth, von Leicester geführt. Graf Aubespine, Bellievre, Graf Shrewsbury, Lord Burleigh mit noch andern französischen und englischen Herren treten auf.
Elisabeth (zu Aubespine).
Graf! Ich beklage diese edeln Herrn,
Die ihr galanter Eifer über Meer
Hiehergeführt, daß sie die Herrlichkeit
Des Hofs von Saint Germain bei mir vermissen.
Ich kann so prächt’ge Götterfeste nicht
Erfinden als die königliche Mutter
Von Frankreich – ein gesittet fröhlich Volk,
Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,
Mit Segnungen um meine Sänfte drängt,
Dies ist das Schauspiel, das ich fremden Augen
Mit ein’gem Stolze zeigen kann. Der Glanz
Der Edelfräulein, die im Schönheitsgarten
Der Katharina blühn, verbärge nur
Mich selber und mein schimmerlos Verdienst.
Aubespine.
Nur eine Dame zeigt Westminsterhof
Dem überraschten Fremden – aber alles,
Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,
Stellt sich versammelt dar in dieser einen.
Bellievre.
Erhabne Majestät von Engelland,
Vergönne, daß wir unsern Urlaub nehmen
Und Monsieur, unsern königlichen Herrn,
Mit der ersehnten Freudenpost beglücken.
Ihn hat des Herzens heiße Ungeduld
Nicht in Paris gelassen, er erwartet
Zu Amiens die Boten seines Glücks,
Und bis nach Calais reichen seine Posten,
Das Jawort, das dein königlicher Mund
Aussprechen wird, mit Flügelschnelligkeit
Zu seinem trunknen Ohre hinzutragen.
Elisabeth.
Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.
Nicht Zeit ist’s jetzt, ich wiederhol es Euch,
Die freud’ge Hochzeitfackel anzuzünden.
Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,
Und besser ziemte mir der Trauerflor
Als das Gepränge bräutlicher Gewänder.
Denn nahe droht ein jammervoller Schlag
Mein Herz zu treffen und mein eignes Haus.
Bellievre.
Nur dein Versprechen gib uns, Königin,
In frohern Tagen folge die Erfüllung.
Elisabeth.
Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,
Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.
Mein Wunsch war’s immer, unvermählt zu sterben,
Und meinen Ruhm hätt’ ich darein gesetzt,
Daß man dereinst auf meinem Grabstein läse:
«Hier ruht die jungfräuliche Königin.«
Doch meine Untertanen wollen’s nicht,
Sie denken jetzt schon fleißig an die Zeit,
Wo ich dahin sein werde – Nicht genug,
Daß jetzt der Segen dieses Land beglückt,
Auch ihrem künft’gen Wohl soll ich mich opfern,
Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,
Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert
Zu haben wie ein Mann und wie ein König.
Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man
Die Ordnung der Natur verläßt, und Lob
Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet,
Daß sie die Klöster aufgetan und tausend
Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht
Den Pflichten der Natur zurückgegeben.
Doch eine Königin, die ihre Tage
Nicht ungenützt in müßiger Beschauung
Verbringt, die unverdrossen, unermüdet
Die schwerste aller Pflichten übt, die sollte
Von dem Naturzweck ausgenommen sein,
Der eine Hälfte des Geschlechts der Menschen
Der andern unterwürfig macht —
Aubespine.
Jedwede Tugend, Königin, hast du
Auf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig,
Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist,
Auch noch in seinen eigensten Verdiensten
Als Muster vorzuleuchten. Freilich lebt
Kein Mann auf Erden, der es würdig ist,
Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.
Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, Heldentugend
Und Männerschönheit einen Sterblichen
Der Ehre würdig machen, so —
Elisabeth.
Kein Zweifel,
Herr Abgesandter, daß ein Ehebündnis
Mit einem königlichen Sohne Frankreichs
Mich ehrt! Ja, ich gesteh es unverhohlen,
Wenn es sein muß – wenn ich’s nicht ändern kann,
Dem Dringen meines Volkes nachzugeben —
Und es wird stärker sein als ich, befürcht ich —
So kenn ich in Europa keinen Fürsten,
Dem ich mein höchstes Kleinod, meine Freiheit,
Mit minderm Widerwillen opfern würde.
Laßt dies Geständnis Euch Genüge tun.
Bellievre.
Es ist die schönste Hoffnung, doch es ist
Nur eine Hoffnung, und mein Herr wünscht mehr —
Elisabeth.
Was wünscht er?
(Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn nachdenkend.)
Hat die Königin doch nichts
Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!
Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,
Auf gleiche Dienstbarkeit – Der Ring macht Ehen,
Und Ringe sind’s die eine Kette machen.
– Bringt Seiner Hoheit dies Geschenk. Es ist
Noch keine Kette, bindet mich nicht,
Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.
Bellievre (kniet nieder, den Ring empfangend).
In seinem Namen, große Königin,
Empfang ich kniend dies Geschenk und drücke
Den Kuß der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!
Elisabeth (zum Grafen Leicester, den sie während der letzten Rede unverwandt betrachtet hat).
Erlaubt, Mylord!
(Sie nimmt ihm das blaue Band ab und hängt es dem Bellievre um.)
Bekleidet seine Hoheit
Mit diesem Schmuck, wie ich Euch hier damit
Bekleide und in meines Ordens Pflichten nehme.
Honny soit qui mal y pense! – Es schwinde
О проекте
О подписке