Maria, Lord Burleigh, Großschatzmeister von England, und Ritter Paulet.
Paulet.
Ihr wünschtet heut Gewißheit Eures Schicksals,
Gewißheit bringt Euch Seine Herrlichkeit
Mylord von Burleigh. Tragt sei mit Ergebung.
Maria.
Mit Würde, hoff ich, die der Unschuld ziemt.
Burleigh.
Ich komme als Gesandter des Gerichts.
Maria.
Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte,
Dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.
Paulet.
Ihr sprecht, als wüßtet Ihr bereits das Urteil.
Maria.
Da es Lord Burleigh bringt, so weiß ich es.
– Zur Sache, Sir.
Burleigh.
Ihr habt Euch dem Gericht
Der Zweiundvierzig unterworfen, Lady —
Maria.
Verzeiht, Mylord, daß ich Euch gleich zu Anfang
Ins Wort muß fallen – Unterworfen hätt’ ich mich
Dem Richterspruch der Zweiundvierzig, sagt Ihr?
Ich habe keineswegs mich unterworfen.
Nie konnt’ ich das – ich konnte meinem Rang,
Der Würde meines Volkes und meines Sohnes
Und aller Fürsten nicht so viel vergeben.
Verordnet ist im englischen Gesetz,
Daß jeder Angeklagte durch Geschworne
Von seinesgleichen soll gerichtet werden.
Wer in der Committee ist meinesgleichen?
Nur Könige sind meine Peers.
Burleigh.
Ihr hörtet
Die Klageartikel an, ließt Euch darüber
Vernehmen vor Gerichte —
Maria.
Ja, ich habe mich
Durch Hattons arge List verleiten lassen,
Bloß meiner Ehre wegen und im Glauben
An meiner Gründe siegende Gewalt,
Ein Ohr zu leihen jenen Klagepunkten
Und ihren Ungrung darzutun – Das tat ich
Aus Achtung für die würdigen Personen
Der Lords, nicht für ihr Amt, das ich verwerfe.
Burleigh.
Ob Ihr sie anerkennt, ob nicht, Mylady,
Das ist nur eine leere Förmlichkeit,
Die des Gerichtes Lauf nicht hemmen kann.
Ihr atmet Englands Luft, genießt den Schutz,
Die Wohltat des Gesetzesm, und so seid Ihr
Auch seiner Herrschaft untertan!
Maria.
Ich atme
Die Luft in einem englischen Gefängnis.
Heißt das in England leben, der Gesetze
Wohltat genießen? Kenn ich sie doch kaum.
Nie hab ich eingewilligt, sie zu halten.
Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,
Bin eine freie Königin des Audlands.
Burleigh.
Und denkt Ihr, daß der königliche Name
Zum Freibrief dienen könne, blut’ge Zwietracht
In fremdem Lande straflos auszusäen?
Wie stünd’ es um die Sicherheit der Staaten,
Wenn das gerechte Schwert der Themis nicht
Die schuld’ge Stirn des königlichen Gastes
Erreichen könnte wie des Bettlers Haupt?
Maria.
Ich will mich nicht der Rechenschaft entziehen,
Die Richter sind es nur, die ich verwerfe.
Burleigh.
Die Richter! Wie, Mylady? Sind es etwa
Vom Pöbel aufgegriffene Verworfne,
Schamlose Zungendrescher, denen Recht
Und Wahrheit feil ist, die sich zum Organ
Der Unterdrückung willig dingen lassen?
Sind’s nicht die ersten Männer dieses Landes,
Selbständig g’nug, um wahrhaft sein zu dürfen,
Um über Fürstenfurcht und niedrige
Bestechung weit erhaben sich zu sehn?
Sind’s nicht die selben, die ein edles Volk
Frei und gerecht regieren, deren Namen
Man nur zu nennen braucht, um jeden Zweifel,
Um jeden Argwohn schleunig stumm zu machen?
An ihrer Spitze steht der Völkerhirte,
Der fromme Primas von Canterbury,
Der weise Talbot, der des Siegels wahret,
Und Howard, der des Reiches Flotten führt.
Sagt! Konnte die Berherrscherin von England
Mehr tun, als aus der ganzen Monarchie
Die edelsten auslesen und zu Richtern
In diesem königlichen Streit bestellen?
Und wär’s zu denken, daß Parteienhaß
Den einzelnen bestäche – Können vierzig
Erlesne Männer sich in einem Spruche
Der Leidenschaft vereinigen?
Maria (nach einigem Stillschweigen).
Ich höre staunend die Gewalt des Mundes,
Der mir von je so unheilbringend war —
Wie werd ich mich, ein ungelehrtes Weib,
Mit so kunstfert’gem Redner messen können! —
Wohl! wären diese Lords, wie Ihr sie schildert,
Verstummen müßt’ ich, hoffnugngslos verloren
Wär’ meine Sache, sprächen sie micht schuldig.
Doch diese Namen, die Ihr preisend nennt,
Die mich durch ihr Gewicht zermalmen sollen,
Mylord, ganz andere Rollen seh ich sie
In den Geschichten dieses Landes spielen.
Ich sehen diesen hohen Adel Englands,
Des Reiches majestätischen Senat,
Gleich Sklaven des Serails den Sultanslaunen
Heinrichs den Achten, meines Großohms schmeicheln —
Ich sehe dieses edle Oberhaus,
Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen,
Gesetze prägen und verrufen, Ehen
Auflösen, binden, wie der Mächtige
Gebietet, Englands Fürstentöchter heute
Enterben, mit dem Bastardnamen schänden
Und morgen sie zu Königinnen krönen.
Ich sehe diese würd’gen Peers mit schnell
Vertauschter Überzeugung unter vier
Regierungen den Glauben viermal ändern —
Burleigh.
Ihr nennt Euch fremd in Englands Reichsgesetzen,
In Englands Unglück seid Ihr sehr bewandert.
Maria.
Und das sind meine Richter! – Lord Schatzmeister!
Ich will gerecht sein gegen Euch! – Seid Ihr’s
Auch gegen mich – Man sagt, Ihr meint es gut
Mit diesem Staat, mit Eurer Königin,
Seid unbestechlich, wachsam, unermüdet —
Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen
Regiert Euch, Euch regiert allein der Vorteil
Des Souveräns, des Landes. Ebendarum
Mißtraut Euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen
Des Staats Euch als Gerechtigkeit erscheine.
Nicht zweifl’ ich dran, es sitzen neben Euch
Noch edle Männer unter meinen Richtern.
Doch sie sind Protestanten, Eiferer
Für Englands Wohl und sprechen über mich,
Die Königin von Schottland, die Papistin!
Es kann der Brite gegen den Schotten nicht
Gerecht sein, ist ein uralt Wort – Drum ist
Herkömmlich seit der Väter grauen Zeit,
Daß vor Gericht kein Brite gegen den Schotten,
Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.
Die Not gab diesen seltsame Gesetz;
Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen,
Man muß sie ehren, Mylord – die Natur
Warf diese beiden feur’gen Völkerschaften
Auf dieses Brett im Ozean, ungleich
Verteilte sie’s und hieß sie darum kämpfen.
Der Tweede schmales Bette trennt allein
Die heft’gen Geister, oft vermischte sich
Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.
Die Hand am Schwerte, schauen sie sich drohend
Von beiden Ufern an, sei tausend Jahren.
Kein Feind bedränget Engelland, dem nicht
Der Schotte sich zum Helfer zugesellte;
Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,
Zu dem der Brite nicht den Zunder trug.
Und nicht erlöschen wird der Haß, bis endlich
Ein Zepter waltet durch die ganze Insel.
Burleigh.
Und eine Stuart sollte dieses Glück
Dem Reich gewähren?
Maria.
Warum soll ich’s leugnen?
Ja, ich gesteh’s, daß ich die Hoffnung nährte,
Zwei edle Nationen unterm Schatten
Des Ölbaums frei und fröhlich zu vereinen.
Nicht ihres Völkerhasses Opfer glaubt’ ich
Zu werden; ihre lange Eifersucht,
Der alten Zwietracht unglücksel’ge Glut
Hofft’ ich auf ew’ge Tage zu ersticken
Und, wie mein Ahnherr Richmond die zwei Rosen
Zusammenband nach blut’gem Streit, die Kronen
Schottland und England friedlich zu vermählen.
Burleigh.
Auf schlimmem Weg verfolgtet Ihr dies Ziel,
Da Ihr das Reich entzünden, durch die Flammen
Des Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet.
Maria.
Das wollt’ ich nicht – beim großen Gott des Himmels!
Wann hätt’ ich das gewollt? Wo sind die Proben?
Burleigh.
Nicht Streitens wegen kam ich her. Die Sache
Ist keinem Wortgefecht mehr unterworfen.
Es ist erkannt durch vierzig Stimmen gegen zwei,
Daß Ihr die Akte vom vergangnen Jahr:
«Wenn sich Tumult im Königreich erhübe
Im Namen und zum Nutzen irgendeiner
Person, die Rechte vorgibt an die Krone,
Daß man gerichtlich gegen sie verfahre,
Bis in den Tod die schuldige verfolge«—
Und da bewiesen ist —
Maria.
Mylord von Burleigh!
Ich zweifle nicht, daß ein Gesetz, ausdrücklich
Auf mich gemacht, verfaßt, mich zu verderben,
Sich gegen mich wird brauchen lassen – Wehe
Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,
Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht!
Könnt Ihr es leugnen, Lord, daß jene Akte
Zu meinem Untergang ersonnen ist?
Burleigh.
Zu Eurer Warnung sollte sie gereichen,
Zum Fallstrick habt Ihr selber sie gemacht.
Den Abgrund saht Ihr, der vor Euch sich auftat,
Und treu gewarnet stürztet Ihr hinein.
Ihr wart mit Babington, dem Hochverräter,
Und seinen Mordgesellen einverstanden,
Ihr hattet Wissenschaft von allem, lenktet
Aus Eurem Kerker planvoll die Verschwörung.
Maria.
Wann hätt’ ich das getan? Man zeige mir
Die Dokumente auf.
Burleigh.
Die hat man Euch
Schon neulich vor Gerichte vorgewiesen.
Maria.
Die Kopien, von fremder Hand geschrieben!
Man bringe die Beweise mir herbei,
Daß ich sie selbst diktiert, daß ich sie so
Diktiert, geradeso, wie man gelesen.
Burleigh.
Daß es dieselben sind, die er empfangen,
Hat Babington vor seinem Tod bekannt.
Maria.
Und warum stellte man ihn mir nicht lebend
Vor Augen? Warum eilte man so sehr,
Ihn aus der Welt zu fördern, eh’ man ihn
Mir, Stirne gegen Stirne, vorgeführt?
Burleigh.
Auch Eure Schreiber, Kurl und Nau, erhärten
Mit einem Eid, daß es die Briefe seien,
Die sei aus Eurem Munde niederschrieben.
Maria.
Und auf das Zeugnis meiner Hausbedienten
Verdammt man mich? Auf Treu und Glauben derer,
Die mich verraten, ihre Königin,
Die in demselben Augenblick die Treu’
Mir brachen, da sie gegen mich gezeugt?
Burleigh.
Ihr selbst erklärtet sonst den Schotten Kurl
Für einen Mann von Tugend und Gewissen.
Maria.
So kannt’ ich ihn – doch eines Mannes Tugend
Erprobt allein die Stunde der Gefahr.
Die Folter konnt’ ihn ängstigen, daß er
Aussagte und gestand, was er nicht wußte!
Durch falsches Zeugnis glaubt’ er sich zu retten
Und mir, der Königin, nicht viel zu schaden.
Burleigh.
Mit einem freien Eid hat er’s beschworen.
Maria.
Vor meinem Angesichte nicht! – Wie, Sir?
Das sind zwei Zeugen, die noch beide leben!
Man stelle sie mir gegenüber, lasse sie
Ihr Zeugnis mir ins Antlitz wiederholen!
Warum mir eine Gunst, ein Recht verweigern,
Das man dem Mörder nicht versagt? Ich weiß
Aus Talbots Munde, meines vor’gen Hüters,
Daß unter dieser nämlichen Regierung
Ein Reichsschluß durchgegangen, der befiehlt,
Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.
Wie? Oder hab ich falsch gehört? – Sir Paulet!
Ich hab Euch stets als Biedermann erfunden,
Beweist es jetzo. Gib’s kein solch Gesetz in England?
Paulet.
So ist’s, Mylady. Das ist bei uns Rechtens.
Was wahr ist, muß ich sagen.
Maria.
Nun, Mylord!
Wenn man mich denn so streng nach englischem Recht
Behandelt, wo dies Recht mich unterdrückt,
Warum dasselbe Landesrecht umgehen,
Wenn es mir Wohltat werden kann? – Antwortet!
Warum ward Babington mir nicht vor Augen
Gestellt, wie das Gesetz es befiehlt? Warum
Nicht meine Schreiber, die noch beide leben?
Burleigh.
Ereifert Euch nicht, Lady. Euer Einverständnis
Mit Babington ist’s nicht allein —
Maria.
Es ist’s
Allein, was mich dem Schwerte des Gesetzes
Bloßstellt, wovon ich mich zu rein’gen habe.
Mylord! Bleibt bei der Sache. Beugt nicht aus.
Burleigh.
Es ist bewiesen, daß Ihr mit Mendoza,
Dem spanischen Botschafter, unterhandelt —
Maria (lebhaft).
Bleibt bei der Sache, Lord!
Burleigh.
Daß Ihr Anschläge
Geschmiedet, die Religion des Landes
Zu stürzen, alle Könige Europens
Zum Krieg mit England aufgeregt —
Maria.
Und wenn ich’s
Getan? Ich hab es nicht getan – Jedoch
Gesetzt, ich tat’s! – Mylord, man hält mich hier
Gefangen wider alle Völkerrechte.
Nicht mit dem Schwerte kam ich in dies Land,
Ich kam herein als eine Bittende,
Das heil’ge Gastrecht fordernd, in den Arm
Der blutsverwandten Königin mich werfend —
Und so ergriff mich die Gewalt, bereitete
Mir Ketten, wo ich Schutz gehofft – Sagt an!
Ist mein Gewissen gegen diesen Staat
Gebunden? Hab ich Pflichten gegen England?
Ein heilig Zwangsrecht üb ich aus, da ich
Aus diesen Banden strebe, Macht mit Macht
Abwende, alle Staaten dieses Weltteils
Zu meinem Schutze aufrühre und bewege.
Was irgend nur in einem guten Krieg
Recht ist und ritterlich, das darf ich üben.
Den Mord allein, die heimlich blut’ge Tat,
Verbietet mir mein Stolz und mein Gewissen,
Mord würde mich beflecken und entehren.
Entehren sag ich – keineswegs mich
Verdammen, einem Rechtsspruch unterwerfen.
Denn nicht vom Rechte, von Gewalt allein
Ist zwischen mir und Engelland die Rede.
Burleigh (bedeutend).
Nicht auf der Stärke schrecklich Recht beruft Euch,
Mylady! Es ist der Gefangenen nicht günstig.
Maria.
Ich bin die Schwache, sie die Mächt’ge – Wohl!
Sie brauche die Gewalt, sie töte mich,
Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.
Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht
Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.
Nicht vom Gesetze borge sie das Schwert,
Sich der verhaßten Feindin zu entladen,
Und kleide nicht in heiliges Gewand
Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.
Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!
Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!
Sie geb’ es auf, mit des Verbrechens Früchten
Den heil’gen Schein der Tugend zu vereinen,
Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!
(Sie geht ab.)
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