Читать книгу «Primärziel: Der Werdegang von Luke Stone—Buch #1» онлайн полностью📖 — Джека Марса — MyBook.
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KAPITEL ZWEI

22:01 Uhr Arabische Standardzeit (13:01 Uhr USA Eastern Daylight Zeit)

In der Nähe der pakistanischen Grenze

Kamdesch Distrikt

Nuristan Provinz, Afghanistan

„Los!” schrie Luke. „Los! Los! Los!”

Zwei dicke Seile wurden von der Buchtentür des Helikopters herabgelassen. Männer seilten sich daran ab und verschwanden dann im wirbelnden Sand. Sie hätten dreihundert Meter hoch in der Luft oder drei Meter vom Einsatzort entfernt sein können.

Der Wind heulte. Beißender Sand und Erde sprühten hinein. Lukes Gesicht war durch eine Ventilatormaske verdeckt. Er und Heath waren die letzten, die sich aus dem Helikopter schwangen. Heath trug eine ähnliche Maske - sie sahen wie zwei Überlebende eines Atomkrieges aus.

Heath blickte Luke an. Sein Mund bewegte sich unter seiner Maske.

„Wir werden Legenden, Stone!”

Luke drückte auf den grünen START Knopf seiner Stoppuhr. Das hier wäre hoffentlich schnell vorbei.

Er blickte unter sich. Er konnte dort unten und auch sonst wo überhaupt nichts erkennen. Er musste daran glauben. Er sprang ab und fiel durch die trostlose Finsternis. Zwei, vielleicht auch drei, Sekunden später kam er hart auf dem Boden an. Die Landung ließ eine Schockwelle seine Beine hinaufschießen.

Er ließ das Seil los und blickte sich um, versuchte sich zu orientieren.

Heath landete eine Sekunde nach ihm.

Männer in Masken erschienen in der Dunkelheit. Martinez, Hendricks. Hendricks zeigte hinter sich.

„Da ist die Mauer!”

Etwas Großes türmte sich da hinten auf. OK, das war die Wand zum Lager. Ein paar schwache Lichter schienen darauf.

Hendricks sagte etwas, doch Luke konnte es nicht hören.

„Was?”

„Die wissen Bescheid!”

Die wissen Bescheid? Wer? Wusste was?

Über ihren Köpfen veränderte sich der Lärm der Hubschraubermotoren, als ob sie hinaufflögen. Plötzlich blitzte ein helles Licht von der Oberkante der Mauer.

Etwas schrie im Vorbeiflug.

Minenwerfer.

„Beschuss!” schrie Luke. „Eingehender Beschuss!”

Die vagen Schatten um ihn warfen sich zu Boden.

Zwei weitere Lichtblitze leuchteten auf.

Dann ein weiterer.

Dann ein weiterer.

Woher wussten sie es?

In der schwarzen Finsternis des Himmels explodierte etwas. Die Explosion war gedämpftes Orange und Rot. In dem Sandsturm klang die Explosion wie das Krachen entfernten Donners. Der Helikopter. Er wurde getroffen.

Von seinem Blickwinkel von der Erde aus beobachtete Luke, wie er durch den Himmel kreiste, ein orangefarbender Streifen gegen das Schwarz. Er drehte sich rechtsherum um seine eigene Achse. Die Motoren schrien und Luke dachte, er könnte den Klang der Rotorenblätter hören.

Wump. Wump. Wump. Wump.

Er schien sich in Zeitlupe zu bewegen, seitwärts und nach unten. Er erleuchtete die Nacht wie ein Tracer, während er über die Steinmauer des Lagers fiel.

BUMM!

Er explodierte auf der anderen Seite der Mauer, in dem Lager. Ein Feuerball stieg in die Luft, zwei oder drei Stockwerke hoch. Für einen Augenblick stellte sich Luke vor, dass alles vorbei wäre. Helikopter abgeschossen, Piloten tot. Unterstützungshubschrauber dienstunfähig. Sie waren hier gefangen und der Taliban schien gewusst zu haben, dass sie auf dem Weg waren.

Doch dieser Helikopter explodierte gerade in dem Lager.

Wie eine Bombe.

Und das könnte ihnen die Initiative geben.

Mehrere Männer in Masken lagen in der Nähe.

Martinez, Hendricks, Colley, Simmons. Sein Team.

Heath musste auch hier irgendwo sein.

„Hoch!” rief Luke. „Hoch! Los geht’s!”

Er sprang auf die Beine, zog die Person, die ihm am nächsten war, mit sich. Sofort standen alle auf und rannten los, ein Dutzend Mann, sie bewegten sich schnell. Nachtsicht war sinnlos. Licht war sinnlos und würde nur Feuer auf sich ziehen. Sie rannten einfach in der tiefen Dunkelheit los.

In zehn Sekunden hatten sie die Mauer erreicht. Luke riet links und bewegte sich dorthin, schlich sich am Stein entlang. Binnen ein paar Sekunden erreichte er die Öffnung. Da war der Helikopter, eine Apokalypse. Ein paar Silhouetten rannten in dem Licht der Flammen, zogen Verwundete weg von ihm.

Luke zögerte nicht. Er rannte durch die Öffnung, hatte seine MP5 gezogen. Er gab ihnen eine Salve automatischen Feuers. Jetzt rannten die Silhouetten weg, auf einen weiteren hochragenden Schatten zu, Lichter winkten ihnen durch das Chaos zu.

Das Haus.

Seine Männer rannten mit ihm.

Vor ihnen stürzten die Silhouetten der flüchtenden Männer eine kleine Treppe zum Steinhaus hinauf. Luke folgte ihnen.

Zwei Männer standen in der Tür, zogen Maschinengewehre von ihren Schultern. Sie trugen lange Bärte und die Turbane des Talibans.

POPP! POPP! POPP! POPP! POPP!

Luke schoss, ohne darüber nachzudenken. Die beiden Männer fielen.

Plötzlich gab es eine Explosion hinter ihm. Er blickte zurück - es war unmöglich zusehen, was da vor sich ging. Er ging in das Haus. Einen Augenblick später erschienen vier Männer neben ihm - sein A-Team. Sie nahmen Schussstellung im steinernen Foyer ein, blickten in Richtung des restlichen Hauses.

Sie zogen ihre Ventilatormasken gleichzeitig aus, fast so als ob sie eine Person wären. Martinez ging zu den gefallenen Taliban Mitgliedern und schoss jeden von ihnen in den Kopf. Er rührte keinen der beiden an.

„Tot!” sagte er.

Es war ruhiger hier.

„B-Team Anführer”, sagte Luke in sein Helm-Mikrofon. „Status?”

Heath kam aus der Dunkelheit in das Haus gerannt.

„B-Team Anführer…”

„Wir halten das Eingangstor”, antwortete eine Stimme in Lukes Helm. Es war Murphy. Sein Akzent aus der Bronx war unverkennbar. „Stone! Es sieht nicht gut aus. Es gab einen Hinterhalt. Die haben auf uns gewartet!”

„Halte einfach nur das Tor, Murph. Wir kommen in ein paar Minuten wieder heraus.”

„Beeilt euch besser, Mann. Jemand wusste, dass wir kamen. Wird nicht lange dauern, bevor mehr von denen ankommen und ich kann keine drei Meter vor mir sehen.”

Lukes Team hatte sich schon weiter in das Haus bewegt. Heath ging direkt hinter ihnen hinein.

„Wartet einfach. Wir sind drinnen.”

„Beeilt euch”, sagte Murphys Stimme. „Ich weiß nicht, ob wir noch hier sein werden.”

„Murphy! Halte Stellung am Tor! Wir kommen gleich raus."

„Jawohl”, erwiderte Murphy.

Luke ging auf einen dunklen Gang zu.

Ein anderer Mann erschien - ein großer Mann in einem weißen Gewand. Er schaffte es, an seinen Abzug zu gelangen, doch er feuerte wild durch die Gegend. Luke kniete nieder, zielte auf den Mann.

POPP! Ein dunkelroter Kreis erschien auf seiner Brust.

Er schien überrascht, doch rutschte dann glatt zu Boden.

Jetzt bewegte sich Luke durch die dunklen Gänge, horchte nach Geräuschen vor sich. Er musste nicht lange lauschen.

BUMM!

Eine Blendgranate explodierte, dann eine weitere.

BUMM!

Vor ihm gab es Geschrei und Gewehrfeuer. Luke bewegte sich langsam darauf zu, schlich sich an der Wand entlang. Jetzt gab es Geräusche hinter ihm, draußen im Freien - Maschinengewehrfeuer und Explosionen.

Luke prüfte seine Stoppuhr. Sie waren seit weniger als vier Minuten auf dem Grund und die ganze Mission war jetzt schon ein riesiges Disaster.

„Stone!”

Murphys Stimme erneut. „Probleme. Barbaren am Tor. Ich wiederhole: Eingangstore unter Beschuss. Feinde versammeln sich. Männer getroffen. Hastings getroffen. Bailey getroffen. Wir ziehen uns zum Haus zurück.”

„Äh, negativ, B-Team. Haltet die Tore!”

„Da gibt’s nichts zu halten”, sagte Murphy. „Die reißen sie in Stücke! Die haben eine Antipanzer-Waffe aufgefahren.”

„Haltet sie trotzdem. Sie sind unser einziger Ausweg.”

„Verdammt, Stone!”

„Murphy! Halt das Tor!”

Luke rannte weiter in das Haus.

Direkt vor ihm hörte er Geschrei. Er rannte durch eine Tür, ging über die Schwelle…

Und erblickte eine Szene von totalem Chaos.

In dem großen Hinterzimmer waren mindestens fünfzehn Leute. Der Boden war mit dicken, übereinanderliegenden Teppichen bedeckt. Die Wände waren mit Teppichen behangen - Kunstvolle, farbenreiche Teppiche, auf denen riesige Landschaften abgebildet waren - Wüsten, Berge, Dschungel, Wasserfälle.

Simmons war tot. Er lag auf dem Rücken, sein Körper ausgestreckt, seine offenen Augen starrten ins Nichts. Sein Helm war abgezogen und ein Teil seines Kopfes über den Augen fehlte. Zwei Frauen waren ebenfalls tot. Ein kleines Kind, ein Junge, war tot. Drei Mann in Gewändern und Turbanen waren tot. Es war ein Massaker. Waffen und Blut waren über den Boden verteilt.

Ganz hinten, in der Nähe einer geschlossenen Tür, stand eine Gruppe Menschen. Eine Gruppe von Männern in Gewändern und Turbanen hielt Kinder vor sich und Gewehre zielten von ihnen aus nach vorn. Hinter den Männern lauerte ein weiterer Mann - er war so gut versteckt, dass Luke ihn kaum sehen konnte.

Er musste das Zielobjekt sein.

Um das Zimmer herum war Lukes Team in der Hocke oder kniend verteilt. Sie waren still wie Denkmäler, zielten mit ihren Waffen auf die Gruppe, suchten nach einer Schussgelegenheit. Oberstleutnant Heath stand in der Mitte des Raumes, sein MP5 Maschinengewehr zielte auf die Gruppe.

„OK”, sagte Luke. „Alles OK. Keiner hier macht -”

„Lasst die Waffen fallen!” rief Heath auf englisch. Seine Augen waren wild. Er konzentrierte sich nur auf eines - diesen Wal zu fangen.

„Heath!” sagte Luke. „Entspann dich. Da sind Kinder. Wir können -”

„Ich sehe die Kinder, Stone.”

„Dann lass uns doch einfach -”

Heath feuerte eine volle Salve.

Luke ließ sich sofort zu Boden fallen, als Gewehrfeuer aus allen Richtungen ausbrach. Er bedeckte seinen Kopf, rollte sich zusammen und drehte der Aktion den Rücken zu.

Das Gefecht hielt mehrere Sekunden an. Selbst nachdem es aufgehört hatte, folgten einige weitere Schüsse, einer alle paar Sekunden, wie die letzten Maiskörner beim Popcorn. Als es endlich vorbei war, blickte Luke auf. Die Menschenmenge bei der geschlossenen Tür lag in einem sich windenden Haufen.

Heath war getroffen. Luke war das egal. Heath war der Auslöser dieses Albtraums.

Ein weiterer von Lukes Männern war getroffen, drüben an der Ecke. Gott, was für ein Schlamassel. Drei getroffene Männer. Eine unbekannte Zahl an Zivilen tot.

Luke stand auf. Zwei weitere Männer standen gleichzeitig auf. Einer war Martinez. Der andere war Colley. Martinez und Colley gingen auf die Haufen Menschen im hinteren Teil des Raumes zu, bewegten sich langsam, die Waffen weiterhin in den Händen.

Luke blickte sich im Zimmer um. Überall lagen Leichen. Simmons war tot. Heath… ein großes Loch war durch seinen Kopf gestoßen worden, an dem Ort, wo zuvor sein Gesicht war. Der Mann hatte kein Gesicht. Luke spürte überhaupt nichts. Dies war Heaths Mission. Sie war so schlimm wie nur möglich verlaufen. Jetzt war Heath tot.

Und mehr als ein Mann war getroffen.

Es schien wie ein kompliziertes Matheproblem, doch eigentlich war es eine einfache Subtraktion, die jeder machen konnte. Lukes Gehirn funktionierte nicht richtig. Er bemerkte das. Sechs Männer waren hier hereingekommen. Heath und Simmons waren tot. Martinez, Colley und Stone waren weiter im Spiel. Das bedeutete, dass der letzte Mann nur…

Luke rannte auf den Mann zu. Ja, er war es. Es war Hendricks. Wayne.

WAYNE.

Er bewegte sich noch.

Luke kniete neben ihm und zog ihm seinen Helm aus.

Waynes Arme und Beine bewegten sich langsam, fast so als watete er durch Wasser.

„Wayne! Wayne! Wo bist du getroffen?”

Waynes Augen rollten. Sie fanden Luke. Er schüttelte seinen Kopf. Er begann zu weinen. Er atmete schwer, keuchte fast nach Luft.

„Oh mein Freund…” sagte Wayne.

„Wayne! Sprich mit mir!”

Fiebrig begann Luke, Waynes schusssichere Weste zu öffnen.

„Sanitäter!” schrie er. „Sanitäter!”

Einen Augenblick später war Colley da, kniete hinter ihm. „Simpson war der Sanitäter. Ich bin der Ersatz.”

Wayne war in der Brust getroffen. Irgendwie war Schrapnell unter seine Weste geraten. Lukes Hände suchten ihn ab. Er war auch im Oberschenkel getroffen. Das war wesentlich schlimmer als die Brust. Seine Hosen waren von Blut durchtränkt. Seine Oberschenkelarterie musste getroffen sein. Lukes Hand war tropfnass und rot, als er sie wieder wegzog. Überall war Blut. Es bildete einen See unter Waynes Körper. Es war ein Wunder, dass er noch am Leben war.

„Sag Katie”, sagte Wayne.

„Sei still!” erwiderte Luke. „Du wirst es ihr selbst sagen.”

Waynes Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Sag ihr…”

Es schien als blickte Wayne etwas weit entferntes an. Er schaute und versicherte sich dann noch einmal als ob er verwirrt über das war, was er da sah. Einen Augenblick später wurden seine Augen still.

Er starrte Luke an. Sein Mund war schlaff. Es war niemand zu Hause.

„Oh Gott, Wayne. Nein.”

Luke blickte Colley an. Es war als ob er Colley zum ersten Mal sähe. Colley sah jung aus - kaum alt genug, um sich zu rasieren. Das konnte natürlich nicht sein. Der Mann war in der Delta Force. Er war ein trainierter Killer. Er war ein vollausgebildeter Profi. Doch sein Hals sah etwa so dick wie Lukes Unterarm aus. Er schien in seiner Kleidung zu schwimmen.

„Untersuch ihn”, sagte Luke, doch er wusste schon, was Colley sagen würde. Er fiel zurück in den Schneidersitz und saß so für einen langen Moment. Während der Ranger Schule hatten sie einen Tag frei. Eine Gruppe von Jungs organisierte an diesem Tag ein Footballspiel. Es war ein heißer, trockener Tag und man spielte Hemden gegen Haut. Luke spielte diesem dicken, großen, unflätigen Proleten mit dem fehlenden Vorderzahn einen Superpass nach dem anderen zu.

„Wayne.”

„Er ist weg”, sagte Colley.

Einfach so war Wayne plötzlich tot. Lukes Blutsbruder. Der Pate von Lukes ungeborenem Sohn. Ein langer, hilfloser Atemzug entwich Luke.

Luke wusste, dass das im Krieg so war. In einem Moment ist dein Freund - deine Schwester, oder deine Frau, oder dein Kind - am Leben. Im nächsten sind sie weg. Man konnte die Uhr nicht zurückdrehen, nicht mal eine Sekunde.

Wayne war tot. Sie waren weit von zu Hause weg. Und diese Nacht begann gerade.

„Stone!” sagte Martinez.