Читать книгу «Primärziel: Der Werdegang von Luke Stone—Buch #1» онлайн полностью📖 — Джека Марса — MyBook.
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KAPITEL DREI

19. März

Nacht

Ein Flugzeug über Europa

„Habt ihr Männer es bequem?”

„Ja, Sir”, antwortete Luke.

Murphy sagte nichts. Er saß in einem Sessel auf der anderen Seite des engen Gangs, starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Sie waren in einem kleinen Jet, das fast wie ein Wohnzimmer ausgestattet war. Luke und Murphy saßen hinten, blickten nach vorn. Vorne waren drei Männer, eingeschlossen eines Delta Force Oberst und eines Drei-Sterne-Generals aus dem Pentagon. Bei ihnen war ein Mann in Zivilkleidung.

Hinter den Männern waren zwei Green Berets, sie standen stramm.

„Spezialist Murphy?” sagte der General. „Haben sie es bequem?”

Murphy zog die Fensterverdunklung herunter. „Ja. Mir geht’s gut.”

„Murphy, wissen Sie, wie man einen vorgesetzten Offizier anredet?” fragte der Oberst.

Murphy wandte sich von dem Fenster ab. Er blickte die Männer zum ersten Mal direkt an.

„Ich bin nicht mehr in Ihrer Armee.”

„Warum sind Sie in diesem Fall in diesem Flugzeug?”

Murphy zuckte mit den Schultern. „Jemand bot an, mich mitzunehmen. Es gibt nicht viele kommerzielle Flüge aus Afghanistan heutzutage. Da dachte ich, dass ich besser diesen nehme.”

Der Mann in Zivilkleidung blickte auf die Kabinentür.

„Wenn Sie nicht mehr im Militär sind, dann können wir Sie darum bitten, zu gehen. Aber natürlich ist es ein ganz schön weiter Weg bis zur Erde.”

Murphy folgte dem Blick des Mannes.

„Nur zu, ich verspreche Ihnen, dass Sie mitkommen.”

Luke schüttelte seinen Kopf. Wäre dies ein Spielplatz, dann würde er fast lächeln. Doch dies war kein Spielplatz und diese Männer meinten es toternst.

„OK, Murph”, sagte er. „Mach mal langsam. Ich war mit dir auf dem Hügel. Niemand in diesem Flugzeug hat uns dort hingebracht.”

Murphy zuckte mit den Schultern. „In Ordnung, Stone.” Er sah den General an. „Ja, ich habe es bequem, Sir. Sehr bequem. Vielen Dank.”

Der General blickte auf etwas Papierkram vor sich hinunter.

„Danke für Ihren Dienst, meine Herren. Spezialist Murphy, wenn Sie frühzeitig von Ihren Verpflichtungen entlassen werden möchten, dann wenden Sie sich bitte an Ihren kommandierenden Offizier, wenn Sie nach Fort Bragg zurückkehren.”

„OK”, erwiderte Murphy.

Der General blickt auf. „Wie Sie wissen, war dies eine schwierige Mission, die nicht gerade wie geplant lief. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um die Fakten der Situation genauer kennenzulernen. Ich habe die Aufzeichnungen der Nachbesprechung der Mission, als Sie beide nach Bagram zurückkehrten. Ihren Aussagen und den fotografischen Beweisen zufolge nehme ich an, dass die Mission an sich ein Erfolg war. Würden Sie dem zustimmen, Feldwebel Stone?”

„Äh… wenn Sie mit ,Mission an sich’ meinen, dass wir Abu Mustafa Faraj finden und festnehmen sollten, dann: ja, Sir. Ich schätze, sie war ein Erfolg.”

„Das meinte ich, Feldwebel. Faraj war ein gefährlicher Terrorist und die Welt ist ein besserer Ort, jetzt, da er weg ist. Spezialist Murphy?”

Murphy starrte den General an. Es war Luke klar, dass Murphy nicht ganz da war. Es ging ihm besser als am Morgen nach der Schlacht, doch nicht viel besser.

„Ja?” sagte er.

Der General biss die Zähne zusammen. Er blickte die Männer rechts und links von sich an.

„Wie werten Sie die Mission, bitte?”

Murphy nickte. „Oh. Die, die wir gerade durchgeführt haben?”

„Ja, Spezialist Murphy.”

Murphy antwortete für mehrere Sekunden nichts. Er schien darüber nachzudenken.

„Nun, wir haben neun Delta Jungs und zwei Helikopter Piloten verloren. Martinez ist am Leben, doch mehr Rührei als Mensch. Außerdem hat man mir gesagt, dass wir einen Haufen Kinder und mindestens ein paar Frauen getötet haben. Es lagen Haufen von toten Männern am Boden. Ich meine Hunderte von toten Männern. Und ich schätze, dass da auch ein berühmter Terrorist war, doch ich sah ihn nicht. Also… ich würde sagen, so ziemlich am Nennwert. So laufen diese Dinge ab. War nicht mein erstes Rodeo, wenn Sie mich verstehen.”

Er blickte über den Gang zu Luke.

„Stone sieht in Ordnung aus. Und ich habe nicht mal einen Kratzer abgekommen. Also sicher, ich würde sagen, dass die Mission gut gelaufen ist.”

Die Offiziere starrten Murphy an.

„Sir”, sagte Luke. „Ich glaube, Spezialist Murphy versucht zu sagen - und aus meinem Zeugenbericht können Sie entnehmen, dass ich ihm zustimme - dass die Mission schlecht geplant und möglicherweise unklug war. Oberstleutnant Heath war ein tapferer Mann, Sir, doch vielleicht kein sehr guter Stratege. Nachdem der erste Helikopter verunglückte, bat ich darum, dass er die Mission abbräche, und er weigerte sich. Er war außerdem ebenfalls persönlich verantwortlich für den Tod einer Reihe von Zivilisten und wahrscheinlich ebenfalls am Tod von Unteroffizier Wayne Hendricks.”

Den Namen seines Freundes auszusprechen, brachte ihm absurderweise fast zum Weinen. Er schluckte seine Tränen hinunter. Hier war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort.

Der General blickte wieder auf seine Papiere hinunter. „Und stimmen Sie zu, dass die Mission ein Erfolg war? Der Zweck der Mission wurde erfüllt?”

Luke dachte einen langen Moment darüber nach. Im engsten militärischen Sinne hatten sie das Ziel der Mission erreicht. Das stimmte. Sie hatten einen gesuchten Terroristen getötet und das würde vielleicht irgendwann Leben retten. Es könnte sogar viel mehr Leben retten als dabei verlorengingen.

So wollten diese Männer Erfolg definieren.

„Feldwebel Stone?”

„Ja, Sir. Ich stimme dem zu.”

Der General nickte. Der Oberst ebenfalls. Der Mann in Zivilkleidung reagierte gar nicht.

Der General sammelte seine Papiere auf und übergab sie dem Oberst.

„Gut”, sagte er. „Wir landen bald in Deutschland, meine Herren, und dann verabschiede ich mich von Ihnen. Doch zuvor möchte ich Ihnen mitteilen, dass Sie etwas hervorragendes getan haben, und dass Sie sehr stolz auf sich sein sollten. Sie sind offensichtlich mutige Männer und sehr fähig. Ihr Land schuldet Ihnen Dankbarkeit, die niemals adäquat bezahlt werden kann. Es wird Ihnen ebenfalls niemals öffentlich anerkannt werden.”

Er hielt inne.

„Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Mission Abu Mustafa Faraj al-Jihadi zu töten zwar erfolgreich war, doch niemals stattgefunden hat. Sie existiert in keinem Register und wird es auch niemals tun. Die Männer, die ihr Leben  bei dieser Mission verloren haben, starben bei einem Trainingsunfall während eines Sandsturmes.”

Er blickte nun mit harten Augen auf sie hinab.

„Verstanden?”

„Ja, Sir”, antwortete Luke ohne zu zögern. Es überraschte ihn überhaupt nicht, dass sie diese Mission verschwinden ließen. Er würde dasselbe tun, könnte er es.

„Spezialist Murphy?”

Murphy hob eine Hand und zuckte mit den Schultern. „Das ist eure Angelegenheit. Ich glaube, ich war noch nie auf einer Mission, die wirklich existierte.”

KAPITEL VIER

23. März

16:35

Spezialeinsatz Kommando, Armee der Vereinigten Staaten

Fort Bragg

Fayetteville, North Carolina

„Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?”

Luke nickte. „Danke.”

Waynes Frau, Katie, war eine hübsche Blondine, klein, etwas jünger als Wayne. Luke schätzte sie auf etwa vierundzwanzig. Sie war mit ihrer Tochter schwanger - im achten Monat - und ihr Bauch war riesig.

Sie lebte auf dem Stützpunkt, etwa einen Kilometer von Luke and Becca entfernt. Das Haus war ein winziger Drei-Zimmer-Bungalow in einer Nachbarschaft von exakt identischen Häusern. Wayne war tot. Sie war dort, weil sie sonst nirgendwo hatte.

Sie brachte Luke seinen Tee in einer kleinen, verzierten Tasse, die erwachsene Version der Tassen, die kleine Mädchen benutzen, wenn sie erfundene Tee-Parties abhielten. Sie setzte sich ihm gegenüber. Das Wohnzimmer war karg eingerichtet. Die Couch war ein Futon, das man für Gäste als Doppelbett ausziehen konnte.

Luke hatte Katie zwei Mal zuvor getroffen, beide Male für fünf oder weniger Minuten. Er hatte sie das letzte Mal vor ihrer Schwangerschaft gesehen.

„Sie waren ein guter Freund von Wayne”, sagte sie.

„Ja, das war ich.”

Sie starrte in ihre Tasse, als ob vielleicht Wayne auf ihrem Boden trieb.

„Und Sie waren auf der Mission, auf der er starb.” Es war keine Frage.

„Ja.”

„Haben Sie es gesehen? Haben Sie gesehen, wie er starb?”

Luke gefiel es jetzt schon nicht, worauf diese Fragen abzielten. Wie sollte er eine solche Frage beantworten? Luke hatte die Schüsse verpasst, die Wayne töteten, doch er hatte sehr wohl gesehen, wie er starb. Er gäbe fast alles dafür, es aus seinem Kopf zu bekommen.

„Ja.”

„Wie ist er gestorben?” sagte sie.

„Er starb wie ein Mann. Wie ein Soldat.”

Sie nickte, doch sagte nichts. Vielleicht war das nicht die Antwort, nach der sie suchte. Doch Luke wollte nicht weiter darüber reden.

„Hatte er Schmerzen?” fragte sie.

Luke schüttelte seinen Kopf. „Nein.”

Sie blickte in seine Augen. Ihre Augen waren rot und es standen Tränen darin. Es lag eine fürchterliche Trauer in ihnen. „Wie können Sie das wissen?”

„Ich habe mit ihm gesprochen. Er sagte mir, dass ich Ihnen ausrichten soll, dass er Sie liebt.”

Das war natürlich eine Lüge. Wayne hatte es nicht geschafft, einen ganzen Satz hervorzubringen. Doch es war eine Notlüge. Luke glaubte, dass Wayne dies gesagt hätte, wäre es ihm möglich gewesen.

„Kamen Sie deshalb hierher, Feldwebel Stone?” sagte sie. „Um mir das zu sagen?”

Luke atmete tief durch.

„Bevor er starb, bat mich Wayne darum, der Pate Ihrer Tochter zu werden”, sagte Luke. „Ich habe zugestimmt und ich bin hier, um diese Verpflichtung zu ehren. Ihre Tochter kommt bald zur Welt und ich möchte Ihnen auf jegliche mir mögliche Weise in dieser Situation helfen.”

Eine lange, stille Pause breitete sich zwischen ihnen aus. Sie dauerte länger und länger.

Schließlich schüttelte Katie kaum merkbar ihren Kopf. Sie sprach sanft.

„Ich könnte es niemals zulassen, dass ein Mann wie Sie der Pate meiner Tochter wird. Wayne ist wegen Männern wie Ihnen tot. Mein Mädchen wird wegen Männern wie Ihnen niemals einen Vater haben. Verstehen Sie? Ich bin hier, weil ich noch krankenversichert bin, weshalb mein Baby hier geboren werden wird. Doch danach? Danach werde ich so weit wie ich kann von der Armee und Leuten wie Ihnen wegrennen. Wayne war dumm, sich daran beteiligt zu haben und ich war dumm, ihn dabei zu begleiten. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Feldwebel Stone. Sie haben keine Verantwortung mir gegenüber. Sie sind nicht der Pate meines Babys.”

Luke fiel keine Antwort ein. Er blickte in seine Tasse und sah, dass er schon seinen Tee getrunken hatte. Er stellte sie auf den Tisch. Sie nahm sie auf und bewegte ihren Bauch zur Tür des winzigen Hauses. Sie öffnete die Tür und hielt sie auf.

„Guten Tag, Feldwebel Stone.”

Er starrte sie an.

Sie begann zu weinen. Ihr Stimme war so sanft wie zuvor.

„Bitte. Verschwinden Sie aus meinem Haus. Verschwinden Sie aus meinem Leben.”

* * *

Das Abendessen war trist und traurig.

Sie saßen sich am Tisch gegenüber und sprachen nicht. Sie hatte gefülltes Hühnchen und Spargel zubereitet und es war lecker. Sie hatte ein Bier für ihn geöffnet und ihm ein Glas eingegossen. Sie hatte nette Dinge getan.

Sie aßen still, fast so als ob alles normal wäre.

Doch er konnte sich nicht dazu bringen, sie anzusehen.

Auf dem Tisch in der Nähe seiner rechten Hand lag eine matt-schwarze Glock Neun-Millimeter. Sie war geladen.

„Luke, alles in Ordnung?”

Er nickte. „Ja, mir geht’s gut.” Er nippte an seinem Bier.

„Warum liegt deine Waffe auf dem Tisch?”

Schließlich blickte er zu ihr hinauf. Sie war schön, und er liebte sie. Sie war mit seinem Kind schwanger und sie trug eine geblümte Mutterschaftsbluse. Er hätte fast wegen ihrer Schönheit und der Macht seiner Liebe für sie weinen können. Er spürte sie intensiv, wie eine Welle, die gegen die Felsen krachte.

„Äh, die liegt nur hier, falls ich sie brauche, Liebling.”

„Warum würdest du sie brauchen? Wir essen doch nur zu Abend. Wir sind auf dem Stützpunkt. Wir sind hier in Sicherheit. Niemand kann…”

„Stört sie dich?” fragte er.

Sie zuckte mit den Schultern. Sie schob eine kleine Gabel voll Hühnchen in ihren Mund. Becca aß langsam und sorgfältig. Sie nahm kleine Bissen und sie brauchte oft lange, um ihr Abendessen zu beenden. Sie schlang ihr Essen nicht herunter, so wie manche Leute. Luke liebte das an ihr. Es war einer der Unterschiede zwischen ihnen. Er neigte dazu, sein Essen einzuatmen.

Er beobachtete sie dabei, wie sie in Zeitlupe ihr Essen kaute. Ihre Zähne waren groß. Sie hatte Hasenzähne. Es war niedlich. Es war reizend.

„Ja, ein wenig”, antwortete sie. „Du hast das noch nie zuvor getan. Hast du Angst, dass…”

Luke schüttelte seinen Kopf. „Ich habe vor nichts Angst. Unser Baby ist auf dem Weg, OK? Es ist wichtig, dass wir unser Kind vor Schaden schützen. Das ist unsere Verantwortung. Die Welt ist gefährlich, Becca, falls du das noch nicht gewusst hast.”

Luke nickte über die Wahrheit, die er da von sich gab. Er begann die Gefahren um sie herum immer mehr zu bemerken. In der Küchenschublade waren scharfe Messer. In dem Holzblock auf der Arbeitsplatte steckten große Tranchiermesser und ein riesiges Hackbeil. Im Schränkchen hinter dem Badezimmerspiegel befand sich eine Schere.

Das Auto hatte Bremsen und jemand konnte die Bremskabel ganz einfach durchschneiden. Wenn Luke wusste, wie das ging, so wussten das eine Menge anderer ebenfalls. Und es gab eine Menge Leute, die möglicherweise Luke Stone etwas zurückzahlen wollten.

Es schien fast wie…

Becca weinte. Sie drückte ihren Stuhl weg vom Tisch und stand auf. Ihr Gesicht war in den letzten zehn Sekunden hochrot angelaufen.

„Liebling? Was ist denn los?”

„Du”, erwiderte sie, während die Tränen ihr das Gesicht hinunterlaufen. „Irgendwas stimmt nicht mit dir. Du bist noch nie so heim gekommen. Du hast mich kaum begrüßt. Du hast mich überhaupt nicht berührt. Ich fühle mich unsichtbar. Du bleibst die ganze Nacht wach. Es scheint, als ob du gar nicht geschlafen hast, seit du angekommen bist. Jetzt legst du eine Waffe auf den Esstisch. Ich habe ein wenig Angst, Luke. Ich habe Angst, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.”

Er stand auf und sie tat einen Schritt zurück. Ihre Augen öffneten sich weit.

Dieser Blick. Es war der Blick einer Frau, die vor einem Mann Angst hatte. Und er war der Mann. Es erschreckte ihn. Es war als wäre er plötzlich aufgewacht. Er hatte sich niemals vorgestellt, dass sie ihn jemals so anblicken würde. Er wollte, dass sie nie wieder weder ihn noch jemand anderen so anblickte, aus überhaupt einem Grund.

Er schaute auf den Tisch. Er hatte dort eine geladene Waffe während des Abendessens hingelegt. Warum täte er so was? Plötzlich schämte er sich für die Waffe. Sie war breit, kantig und hässlich. Er wollte sie mit einer Serviette bedecken, doch es war zu spät. Sie hatte sie schon gesehen.

Er blickte sie wieder an.

Sie stand ihm gegenüber, erniedrigt, wie ein Kind, ihre Schultern nach vorn gebeugt, ihr Gesicht verweint, die Tränen flossen ihr die Wangen hinunter.

„Ich liebe dich”, sagte sie. „Aber ich mache mir gerade solche Sorgen.”

Luke nickte. Das Nächste, was er sagte, überraschte ihn.

„Ich glaube, ich muss vielleicht eine kleine Weile fort.”

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