6.05 Uhr
Kommandozentrale der Anti-Terrorismus Einheit – Midtown Manhattan
„Luke, es wäre jetzt das Beste, deine Leute zusammenzurufen und zurück nach Washington zu fahren,“ sagte der Mann in dem Anzug.
Luke stand etwas abseits des geschäftigen Chaos, das sich im Hauptraum der Zentrale abspielte. Der Tag war bereits angebrochen und schwaches Licht drang durch die Fenster zwei Stockwerke über dem Arbeitsbereich. Die Zeit verging zu schnell und die Kommandozentrale war noch immer ein unkoordiniertes Schlachtfeld.
Zweihundert Menschen befanden sich im Raum. Es gab mindestens vierzig Arbeitsstationen, von denen einige mit fünf Computerbildschirmen ausgestattet und von zwei oder drei Personen besetzt waren. Auf der großen Wand ganz vorne befanden sich zwanzig verschiedene Fernseh- und Computerbildschirme. Die Monitore zeigten digitale Karten von Manhattan, der Bronx, Brooklyn, Live-Schaltungen aus den Eingängen zum Holland und Lincoln Tunnel, Fahndungsfotos von arabischen Terroristen, von denen bekannt war, dass sie sich im Land aufhielten.
Drei der Bildschirme zeigten gerade Bürgermeister DeAngelo, während er ins Mikrofon sprach und den tapferen Menschen New Yorks mitteilte mit ihren Kindern zu Hause zu bleiben. Er schien mit seinen fast zwei Metern seine Berater neben ihm in den Schatten zu stellen. Die Rede war vorbereitet und er las sie von einem Manuskript ab.
„Im schlimmsten Fall,“ sagte der Bürgermeister, dessen Stimme aus Lautsprechern kam, die in allen Winkeln des Raums aufgestellt worden waren, „würde die erste Explosion viele Menschen töten und eine Massenpanik im betroffenen Gebiet auslösen. Der Kontakt mit der Strahlung würde Angst und Schrecken in der Region und wahrscheinlich im gesamten Land verbreiten. Viele Menschen, die bei der Explosion mit der Strahlung in Kontakt kommen würden, würden erste Symptome zeigen und schließlich sterben. Die Aufräumkosten wären enorm, aber sie wären marginal im Vergleich zu den psychologischen und ökonomischen Kosten. Der Einsatz einer radioaktiven Bombe in einem größeren Bahnhof in New York City würde das Transportsystem entlang der Ostküste für lange Zeit erheblich einschränken.“
„Wie erfreulich,“ bemerkte Luke. „Ich frage mich, wer seine Reden schreibt.“
Sein Blick fuhr durch den Raum. Alle waren sie hier vertreten und sie alle kämpften um Status und Geltung. Es war förmlich eine Buchstabensuppe. NYPD, FBI, NSA, ATF, DEP und sogar die CIA. Sogar die DEA. Luke wunderte sich, wie der Diebstahl von radioaktivem Material mit Drogenkriminalität zusammenpasste.
Ed Newsam war in der Menge auf die Suche nach Personal vom Spezialeinsatzkommando gegangen. „Luke, hast du gehört, was ich gerade gesagt habe?“ Luke kehrte mit seinen Gedanken zurück. Er stand neben Ron Begley vom Verfassungsschutz.
Sicherheit. Ron hatte schütteres Haar und war Ende fünfzig. Er hatte einen Bauch und dickliche kleine Finger. Luke kannte seine Geschichte. Er war ein Bürohengst, ein Mann der es durch den Bürokratieapparat der Regierung zu etwas gebracht hatte. Am elften September hatte er für das Finanzministerium gearbeitet und ein Team geleitet, das sich mit Steuerhinterziehung und Ponzi-Schemes beschäftigte. Er hatte zur Anti-Terrorismus-Einheit gewechselt als der Verfassungsschutz gegründet wurde. Er hatte noch nie jemanden verhaften lassen oder im Affekt seine Waffe benutzt.
„Du sagtest, ich solle nach Hause gehen.“
„Du trittst hier Leuten auf die Füße, Luke. Kurt Myerson hat seinen Chef angerufen und ihm erzählt, dass du die Leute im Krankenhaus wie deine persönlichen Angestellten behandelt hast. Und dass du einem SWAT-Team Anweisungen gegeben hast. Mal ehrlich? Einem SWAT-Team? Hör zu, das ist deren Zuständigkeit. Du bist derjenige, der ihren Anweisungen folgt. So herum läuft der Hase.“
„Ron, die New Yorker Polizeibehörde hat uns angerufen. Ich nehme stark an, dass sie das getan haben, weil sie uns brauchen. Die Leute wissen, wie wir arbeiten.“
„Cowboys,“ sagte Begley. „Ihr benehmt euch wie Rodeo Cowboys.“ „Don Morris hat mich aus dem Bett geholt, damit ich herkomme. Du kannst mit ihm sprechen…!“
Begley zuckte mit den Schultern. Ein Lächeln zuckte über sein Gesicht. „Don wurde abberufen. Er hat vor zwanzig Minuten den Helikopter genommen. Ich würde vorschlagen, dass du das auch machst.“
„Was?“
„Es ist wahr. Er wurde auf höhere Ebene berufen. Sie haben ihn gebeten einen Situationsüberblick im Pentagon zu geben. Hochrangiges Zeug. Ich vermute, sie hatten keinen Praktikanten, der das machen konnte, deshalb haben sie Don herbeizitiert.“
Begley dämpfte seine Stimme, doch Luke konnte ihn immer noch gut verstehen. „Kleiner Ratschlag. Was bleibt Don denn noch, drei Jahre bis zur Pensionierung? Don ist eine aussterbende Gattung. Er ist ein Dinosaurier genauso wie das Spezialeinsatzkommando. Ihr wisst es und ich weiß es auch. Alle diese kleinen geheimen Einheiten innerhalb der Einheit werden auf der Strecke bleiben. Wir fusionieren und zentralisieren, Luke. Was wir jetzt brauchen sind datenbasierte Analysen. So werden die Verbrechen in der Zukunft aufgeklärt. Und so werden wir auch die Terroristen heute kriegen. Wir brauchen keine testosterongesteuerten Super-Spione und in die Jahre gekommene Kommandeure, die sich an Gebäudeseiten abseilen. Das ist vorbei. Das Helden-Spielen hat ein Ende. Es ist fast ein wenig komisch, wenn man darüber nachdenkt.“
„Toll,“ sagte Luke. „Ich werde das in meine Überlegungen miteinbeziehen.“
„Ich dachte, du würdest am College unterrichten,“ sagte Begley. „Geschichte, Politikwissenschaft, so was in der Art.“
Luke nickte. „Ja das stimmt.“ Begley legte seine fleischige Hand auf Lukes Arm. „Du solltest dabei bleiben.“ Luke schüttelte die Hand ab und verschwand in der Menge, um nach seinen Leuten zu suchen.
„Was haben wir soweit?“ fragte Luke.
Sein Team kampierte in einem etwas außerhalb liegenden Büro. Sie hatten sich ein paar leere Tische geschnappt und ihre eigene kleine Kommandostation mit Laptops und Satellitenverbindung eingerichtet. Trudy und Ed Newsam waren da, sowie ein paar andere. Swann saß mit drei Laptops alleine in einer Ecke.
„Sie haben Don zurückgerufen,“ sagte Trudy. „Ich weiß. Hast du mit ihm gesprochen?“ Sie nickte. „Vor zwanzig Minuten. Kurz vor seinem Abflug. Er hat gesagt, dass wir bis auf weiteres an dem Fall dranbleiben sollen. Freundlich ausgedrückt für: Ignoriert alle, die das Gegenteil fordern.“ „Klingt gut. Also was haben wir?“ Ihr Gesicht war ernst. „Wir sind ziemlich gut vorangekommen und konnten den Kreis an Fahrzeugen mit hoher Priorität auf sechs einschränken. Alle haben in einer Straße Reichweite das Krankenhaus letzte Nacht passiert. Sie alle haben etwas, das nicht zusammenpasst oder verdächtig ist.“
„Kannst du mir ein Beispiel geben?“
„Klar. Einer ist ein Lebensmitteltransporter, der auf einen ehemaligen russischen Fallschirmjäger läuft. Wir konnten ihn mit Hilfe der Überwachungskameras folgen, so weit können wir sagen, dass er die ganze Nacht durch Manhattan gefahren ist, er hat Hot Dogs und Pepsi an Prostituierte, Zuhälter und Freier verkauft.“
„Wo ist er jetzt?“
„Er parkt auf der elften Avenue, südlich vom Jacob Javits Convention Center. Er hat sich eine Weile lang nicht bewegt. Wir glauben, dass er gerade schläft.“
„Okay, klingt als wäre er damit von niedriger Priorität. Leite das nur für den Fall weiter zum NYPD. Die können ihn aufscheuchen, seinen Truck auf den Kopf stellen und herausfinden, was er sonst noch so verkauft. Nächster.“
Trudy ging zum Nächsten über. Ein Kleinwagen, der bei Uber registriert war und einem in Ungnade gefallenen ehemaligen Atomphysiker gehörte. Ein vierzig Tonnen schwerer Traktorschlepper, für den nach einem Unfall mit anschließender Verschrottung Schadensersatz beantragt wurde. Der Lieferwagen einer kommerziellen Wäscherei mit Nummernschildern, die auf ein Geschäft für Fußbodenbelag in Long Island registriert sind. Ein vor drei Jahren als gestohlen gemeldeter Krankenwagen.“
„Ein gestohlener Krankenwagen?“ fragte Luke. „Das klingt doch nach etwas.“
Trudy zuckte die Schultern. „Das ist normalerweise der Schwarzmarkt für Organhandel. Sie entnehmen den Verstorbenen kurz nach ihrem Dahinscheiden Organe, die sie dann verpacken und schnell aus dem Krankenhaus bringen. Ein Krankenwagen fällt schließlich auf einem Krankenhausparkplatz nicht auf.“
„Aber vielleicht haben sie heute nicht auf Organe gewartet. Wissen wir, wo sie gerade sind?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Den einzigen Standort, den wir kennen, ist der von dem Russen. Das ist immer noch eher Kunst als Wissenschaft. Überwachungskameras sind noch längst nicht überall, vor allem wenn man einmal Manhattan verlassen hat. Man sieht einmal einen Wagen an einer Kamera vorbeifahren und dann siehst du ihn nie wieder. Oder du findest ihn zehn Straßen entfernt wieder oder zehn Kilometer. Der Traktorschlepper ist über die George Washington Brücke nach New Jersey gefahren, bevor wir ihn verloren haben. Der Wäschereiwagen ist zur hundertachtunddreißigsten Straße Richtung Süd-Bronx gefahren, bevor er verschwand. Momentan versuchen wir ihn mit anderen Mitteln wiederzufinden. Wir haben das Fuhrunternehmen, Uber, das Fußbodengeschäft und die Wäscherei kontaktiert. Wir sollten bald Bescheid bekommen. Außerdem durchforsten acht Leute im Headquarter Videoaufnahmen um den Krankenwagen wiederzufinden.“
„Gut. Halt mich auf dem Laufenden. Wie läuft es mit der Bankgeschichte?“ Trudys Gesicht versteinerte. „Diesbezüglich solltest du Swann fragen.“ „Okay.“ Er trat einen Schritt auf Swanns Ecke zu. „Luke?“
Er blieb stehen. „Ja.“ Ihre Augen streiften durch den Raum. „Können wir uns mal unter vier Augen unterhalten?“
„Du willst mich feuern, nur weil ich nicht bereit bin für dich das Gesetz zu brechen?“ „Trudy, ich werde dich nicht feuern. Warum sollte ich das tun?“ „Das ist aber genau das, was du gesagt hast, Luke.“ Sie standen in einem kleinen Lagerraum. Zwei leere Tische standen dort, es gab ein kleines Fenster. Der Bodenbelag war neu. Die Wände waren makellos weiß. Eine Überwachungskamera war in einer der Ecken in Höhe der Decke angebracht worden.
Der Raum sah so aus als wäre er noch nie benutzt worden. Die Kommandozentrale war vor weniger als einem Jahr ins Leben gerufen worden.
Trudys große Augen sahen ihn unverwandt an.
Luke seufzte. „Ich wollte dir eine Verschnaufpause geben. Ich dachte, du würdest das verstehen. Wenn Ärger auf dich zugekommen wäre, hättest du es auf mich schieben können. Alles das, was du getan hast, hast du auf meine Anweisung hin getan. Du hattest Angst deinen Job zu verlieren, wenn du meiner Anordnung nicht gefolgt wärest.“
Sie trat einen Schritt auf ihn zu. In der Beengtheit des Raumes konnte er ihr Shampoo riechen und den leichten Duft Eau de Cologne, den sie oft trug. Die Kombination dieser Düfte ließ seine Beine weich werden. Er fühlte, wie sie leicht zitterten.
„Du darfst mir nicht einmal direkte Anordnungen geben, Luke. Du arbeitest nicht mehr für die Spezialeinheit.“ „Ich bin lediglich beurlaubt.“
Sie ging noch einen weiteren, kleinen Schritt auf ihn zu. Ihre Augen bohrten sich wie zwei Laser in ihn. Diese Augen zeugten von Klugheit und Feuer.
„Und du hast dich warum beurlauben lassen? Meinetwegen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte meine Gründe. Du warst keiner davon.“ „Die Marshall Brüder?“ Er zuckte die Schultern. „Wenn man zwei Männer in einer Nacht umbringt, ist es wahrscheinlich der richtige Zeitpunkt eine Auszeit zu nehmen. Vielleicht um eine neue Perspektive auf die Dinge zu gewinnen.“ „Sagst du mir gerade, dass du nie irgendwelche Gefühle für mich hattest?“ fragte sie. Er sah sie an, verblüfft, dass sie diese Frage stellte. Er hatte immer gespürt, dass Trudy mit ihm flirtete, doch er war nie darauf eingegangen. Einige wenige Male, als sie betrunken auf irgendwelchen Cocktail-Partys unterwegs gewesen waren und er sich mit seiner Frau gestritten hatte, waren sie sich näher gekommen. Aber der Gedanke an seine Frau und seinen Sohn hatte ihn immer davor bewahrt in den Abgrund zu springen.“
„Trudy, wir arbeiten zusammen,“ sagte er förmlich. „Und ich bin verheiratet.“ Sie kam noch näher heran. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Bräutigam, Luke,“ sagte sie sanft, beugte sich nach vorne und war nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt. Schließlich lehnte sie sich an ihn. Seine Arme hingen an seinen Seiten herab. Er spürte die Wärme ihres Körpers und den alten unkontrollierbaren Drang, den ihre Gegenwart bei ihm auslöste, die Erregung, die Energie… die Lust. Sie legte ihre Hände auf seine Brust und als ihre Handinnenflächen sein Shirt berührten, wusste er, dass er jetzt reagieren oder sich ihr völlig hingeben musste.
Mit einer Geste größter Selbstdisziplin trat Luke einen Schritt zurück und schob ihre Hände sanft von sich.
„Tut mir Leid, Trudy,“ sagte er mit rauer Stimme. „Du bist mir wichtig. Wirklich. Aber das wäre keine gute Idee.“
Sie zog die Augenbrauen zusammen, doch bevor sie etwas sagen konnte, donnerte eine schwere Faust gegen die Holztür.
„Luke, bist du da drin?“ Es war Newsams Stimme. „Du solltest rauskommen und einen Blick auf das hier werfen. Swann hat was gefunden.“
Sie starrten einander an, Luke hatte Gewissensbissen, wenn er an seine Frau dachte, obwohl nichts passiert war.
Er entzog sich der Situation, um Schlimmeres zu vermeiden und fragte sich, wie dieses Vorkommnis ihre Zusammenarbeit belasten würde.
Das Schlimmste jedoch war sich einzugestehen, dass er im tiefsten Inneren den Raum nicht verlassen wollte.
Swann saß an einem langen Tisch, auf dem sich drei Monitore aneinanderreihten. Mit seinem schütteren Haar und der Brille erinnerte er Luke an einen NASA-Physiker einer Weltraumflugkontrollstation. Luke stand mit Newsam und Trudy hinter ihm, alle drei schauten über Swanns schmale Schultern.
„Das hier ist Ken Bryants Bankkonto,“ sagte Swann und deutete mit dem Cursor auf etwas in der Mitte des Bildschirms. Luke speicherte die Details in seinem Kopf ab: Überweisungen, Abzüge, Gesamtsaldo, alles zwischen dem achtundzwanzigsten April und siebenundzwanzigsten Mai.
„Wie sicher ist diese Verbindung?“ fragte Luke. Er schaute sich im Raum und vor der Tür um. Der Hauptraum der Zentrale befand sich bereits am Ende des Gangs.
„Die hier?“ fragte Swann. Er zuckte mit den Schultern. „Sie steht in keiner Verbindung mit der Zentrale. Ich bin mit unserem eigenen Tower und unseren eigenen Satelliten verbunden. Verschlüsselt von unseren Leuten. Ich nehme stark an, dass CIA oder NSA jemanden finden könnten, der Zugang findet, aber warum sollte uns das stören? Wir spielen doch alle im selben Team oder? Ich würde mir darum keine Sorgen machen. Ich würde mich viel eher auf das Bankkonto hier konzentrieren. Fällt etwas auf?“
„Sein Saldo beträgt 24.000 Dollar,“ sagte Luke.
„Richtig,“ sagte Swann. „Eine Reinigungskraft mit einem beachtlichen Batzen Geld auf seinem Konto. Interessant. Nun lasst uns einen Monat zurückgehen. Achtundzwanzigster März bis siebenundzwanzigster April. Der Kontostand beträgt sogar 37.000 Dollar, einiges davon gibt er wohl aus. Es gibt Überweisungen von einem anonymen Konto, 5.000 Dollar, dann 4.000 Dollar, dann, oh okay, vergesst das IRS Problem… her mit den 20.000 Dollar.“
„Okay,“ sagte Luke.
„Geh noch einen Monat zurück. Ende Februar bis Ende März. Sein Anfangssaldo beträgt 1.129 Dollar. Am Ende des Monats sind es mehr als 9.000 Dollar. Geh noch einen zurück, Ende Januar bis Ende Februar, sein Kontostand betrug nie mehr als 2.000 Dollar. Wenn du noch drei weitere Jahre zurückgehst, wirst du sehen, dass sein Kontostand selten mehr als 1.500 Dollar betrug. Ein Typ, der von der Hand in den Mund lebte und der mit einem Mal im März riesige Beträge auf seinem Konto verbuchen kann.“
„Woher kommen die?“
Swann lächelte und hob den Finger. „Jetzt kommt der spaßige Teil. Die Überweisungen kommen von einer kleinen Offshore-Bank, die auf anonyme Nummernkonten spezialisiert ist. Sie heißt Royal Heritage Bank und liegt auf den Cayman Inseln.“
„Kommst du da rein?“, fragte Luke. Er schaute zu Trudy, die missbilligend dreinblickte.
„Das brauche ich gar nicht“, sagte Swann. „Royal Heritage gehört einem CIA Agenten mit Namen Grigor Svetlana. Er ist Ukrainer, gehörte einst zur Roten Armee. Er hat es sich vor zwanzig Jahren mit den Russen verscherzt, nachdem alte Sowjet-Waffentechnik verschwunden war und dann auf dem Schwarzmarkt in Westafrika wieder aufgetaucht war. Ich spreche hier nicht von Waffen. Ich spreche hier von Flugabwehrgeschützen, Panzerabwehrraketen und tieffliegenden Lenkflugkörpern. Die Russen waren bereit ihn dafür zu hängen. Da er nicht wusste wohin, ist er zu uns gekommen. Ich habe einen Freund bei Langley. Die Konten der Royal Heritage Bank sind bei weitem kein Geheimnis, sondern für den amerikanischen Geheimdienst ein offenes Buch. Das ist den meisten Royal Heritage Bank Kontoinhabern natürlich nicht bewusst.“
„Also weißt du, auf wen das Konto läuft, das die Überweisungen getätigt hat.“ „Ganz genau.“ „Okay, Swann,“ sagte Luke. „Ich habe es kapiert. Du bist sehr intelligent. Jetzt komm zum Punkt.“ Swann fuchtelte vor den Computerbildschirmen herum. „Byrant selbst führte das Konto, von dem aus die Überweisungen kommen. Das ist das Konto hier auf meinem linken Bildschirm. Wie du sehen kannst, beläuft sich das Saldo derzeit auf 209.000 Dollar. Er hat hier und dort kleinere Beträge vom Nummernkonto auf sein Girokonto verschoben, wahrscheinlich um persönliche Besorgungen davon zu machen. Und wenn wir ein paar Monate zurückscrollen dann können wir sehen, dass Byrants Offshore-Konto am dritten März mit einem Anfangsbetrag von 250.000 Dollar eröffnet wurde, überwiesen von einem anderen Royal Heritage Konto, dem auf dem rechten Monitor.“
Luke schaute zu dem Konto auf der rechten Seite. Mehr als vierundvierzig Millionen Dollar waren dort verbucht. „Da hat sich Byrant wohl auf ein Tauschgeschäft eingelassen,“ sagte er. „Genau,“ sagte Swann. „Wer ist es?“
„Es handelt sich um diesen Mann.“ Auf dem Bildschirm tauchte ein Personalausweis auf. Er zeigte einen Mann mittleren Alters mit dunklen sich ins Weiße entfärbenden Haaren. „Das ist Ali Nassar. Siebenundfünfzig Jahre alt. Iraner. In Teheran in eine einflussreiche und wohlhabende Familie geboren. Hat erst an der London School of Economics studiert, dann an der Harvard Law School. Zurück in der Heimat hat er einen weiteren Jura-Abschluss an der Universität von Teheran gemacht. Folglich kann er sowohl in den USA als auch in Iran als Rechtsanwalt praktizieren. Er hatte den Großteil seiner Karriere mit internationalen Handelsvereinbarungen zu tun. Er lebt hier in New York und ist momentan iranischer Diplomat bei den Vereinten Nationen. Er hat volle diplomatische Immunität.“
Luke strich sich über das Kinn. Er konnte dort die kurzen Stoppeln spüren. Er fing an müde zu werden. „Nur um das noch einmal klarzustellen. Nassar hat Byrant bezahlt, vermutlich um Zugang zum Krankenhaus zu bekommen und um an Informationen über Sicherheitsmaßnahmen und wie man sie umgeht zu gelangen.“
„Wahrscheinlich war es so, ja.“
„Also führt er höchstwahrscheinlich eine Terrorzelle hier in New York an und fungierte bei dem Diebstahl des hochgefährlichen Materials und dem Mord von vier Menschen als Komplize und die Krönung ist, dass er unter amerikanischem Recht strafrechtlich nicht verfolgt werden kann.“
„So sieht es aus.“
„Okay. Du bist bereits in seinem Konto, richtig? Lass uns nachsehen, wohin er sonst noch Geld überwiesen hat.“
„Dafür werde ich ein bisschen Zeit brauchen.“ „In Ordnung. Ich muss kurz etwas erledigen.“ Luke blickte zu Ed Newsam. Newsams Gesicht war steinhart, seine Augen flach und leer. „Sag mal Ed, hast du Lust mit mir Herrn Ali Nassar einen kleinen Besuch abzustatten?“ Newsam lächelte, konnte die Finsternis seines Gesichts aber auch jetzt nicht überlisten. „Hört sich gut an.“
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