Читать книгу «Lauert» онлайн полностью📖 — Блейка Пирс — MyBook.
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Kapitel sechs

Riley fühlte ein starkes, erwartungsvolles Kribbeln, als der Sprecher vor die ungefähr 200 Rekruten trat. Der Mann sah aus, als gehöre er in eine andere Zeit, mit seinem schmalen Reverskragen, der schmalen schwarzen Krawatte und dem Bürstenhaarschnitt. Er erinnerte Riley an Fotos von Astronauten aus den 1960er Jahren. Er sortierte einige wenige Karteikarten, dann ließ er den Blick über sein Publikum schweifen, während Riley auf seine lobenden Worte wartete, mit denen er alle willkommen hieß.

Der Direktor der Akademie, Lane Swanson, hob auch beinahe ihren Erwartungen entsprechend an …

»Mir ist bewusst, dass Sie alle hart gearbeitet haben, um sich auf diesen Tag vorzubereiten.«

Mit einem halben Lächeln fügte er hinzu …

»Jetzt darf ich Ihnen allerdings sagen, dass Sie nicht vorbereitet sind. Keiner von Ihnen ist vorbereitet.«

Ein vernehmbares Raunen ging durch das Auditorium und Swanson machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen.

Dann fuhr er fort: «Darum geht es in diesem zwanzigwöchigen Programm – Sie so gut wie möglich auf ein Leben bei der zentralen Sicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten, dem FBI, vorzubereiten. Und ein Teil davon besteht darin, die Grenzen Ihrer Vorbereitung kennenzulernen: Wie man mit unerwarteten Dingen umgeht, wie man genau in dem Moment schnell überlegt, wo man gefordert ist. Denken Sie immer daran – die FBI-Akademie wird mit gutem Grund als „West Point der Strafverfolgung“ bezeichnet. Wir haben hohe Standards. Nicht alle von Ihnen werden sie erreichen. Aber diejenigen von Ihnen, die sie erreichen, werden für die Aufgaben vorbereitet sein, die vor Ihnen liegen – so gut man nur hoffen kann.«

Riley hing wie gebannt an Swansons Lippen, als er über die Standards der FBI-Akademie referierte: die Sicherheitsförderung, den Kameradschaftsgeist, die Uniformität, die Eigenverantwortlichkeit und die Disziplin. Anschließend sprach er über den straffen Stundenplan – die Kurse in allen Fachbereichen, angefangen von Gesetz und Ethik bis zu Befragungstechnik und Spurensicherung.

Riley wurde bei jedem seiner Worte nervöser, als ihr klar wurde …

Ich bin keine Praktikantin mehr.

Das Sommerprogramm schien im Vergleich dazu, was sie jetzt erwartete, eine Teenie-Freizeit gewesen zu sein.

War sie dem hier überhaupt gewachsen?

War das mit der Akademie eine schlechte Idee gewesen?

Erst einmal fühlte sie sich wie ein Kind, als sie die anderen Rekruten auf ihren Stühlen betrachtete. Kaum jemand war in ihrem Alter. Sie hatte den Eindruck, als sie die Gesichter um sich herum betrachtete, dass fast alle schon nach einer gewissen Erfahrung aussahen – einige hatten wahrscheinlich sogar beträchtlich mehr Erfahrung als sie. Die meisten waren älter als 23 Jahre und einige sahen nach der maximalen Altersgrenze für neue Rekruten aus, die bei 37 Jahren lag.

Sie wusste, dass die Rekruten verschiedenster Herkunft waren und aus den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern stammten. Viele waren Polizeivollzugsbeamte gewesen, viele hatten im Militär gedient. Andere hatten als Lehrer, Rechtsanwälte, Wissenschaftler und Geschäftsleute gearbeitet und zeitweise noch viele andere Beschäftigungen innegehabt.

Aber eine gemeinsame Sache gab es – die absolute Verpflichtung, für den Rest des Lebens im Dienste der Strafverfolgung zu stehen.

Nur ein paar wenige kamen frisch vom Praktikantenprogramm. John Welch, der ein paar Reihen vor ihr saß, war einer von ihnen. Wie für Riley hatte es auch für ihn eine Ausnahmeregelung gegeben: Alle Rekruten mussten sonst mindestens drei Jahre durchgehend in der Strafverfolgung gearbeitet haben, um an der Akademie aufgenommen zu werden.

Swanson kam zum Ende seiner Rede …

“Ich freue mich darauf, die Hand aller derer zu schütteln, die hier in Quantico erfolgreich abschließen werden. Eines Tages werden Sie ihren Diensteid vor FBI-Direktor Bill Cormack persönlich ablegen. Ihnen dazu viel Glück.«

Und dann fügte er streng mit einem halben Schmunzeln hinzu: »Und jetzt – an die Arbeit!«

An Swansons Stelle auf dem Podium trat nun ein Ausbilder und rief nacheinander die Namen der Rekruten auf – „NAT“ wird ein Rekrut an der Akademie genannt, was „New Agent in Training“ bedeutet. Die jeweiligen NAT antworteten, wenn ihr Name aufgerufen wurde, und der Ausbilder fasste sie in kleineren Gruppen zusammen, die ihre Kurse gemeinsam besuchen sollten.

Als sie atemlos darauf wartete, dass ihr Name aufgerufen wurde, erinnerte sich Riley, wie nervtötend es gestern bei der Ankunft gewesen war. Nachdem sie eingecheckt hatte, war sie in einer Schlange nach der anderen gestanden: Formulare ausfüllen, eine Uniform kaufen, Zuteilung des Gemeinschaftszimmers.

Heute lief alles schon ganz anders.

Ein schmerzlicher Stich durchlief sie, als John Welchs Name fiel. Er wurde einer Gruppe zugeteilt, für die sie nicht ausgewählt worden war. Es hätte geholfen, dachte sie, einen Freund in der Nähe zu haben, auf den man sich verlassen konnte. Und mit dem man in den kommenden harten Wochen mitfühlen konnte. Andererseits dachte sie …

Das ist genauso gut.

Angesichts ihrer etwas verworrenen Gefühle für John, könnte seine Anwesenheit sie eventuell von den wichtigen Dingen ablenken.

Riley war dann schlussendlich erleichtert, als sie in der gleichen Gruppe wie Francine Dow landete, der Zimmergenossin, die ihr gestern zugeteilt worden war. Frankie, wie sie genannt werden wollte, war älter als Riley, vielleicht an die dreißig – eine Rothaarige mit guter Laune, deren rötliche Gesichtszüge darauf hindeuteten, dass sie bereits viel erlebt hatte.

Riley und Frankie hatten sich bisher kaum kennengelernt. Sie hatten gestern zu wenigen Dingen Zeit gehabt, außer ihre Sachen auszupacken und sich in ihrem kleinen Gemeinschaftszimmer einzurichten. Beim Frühstück war jede ihrer Wege gegangen.

Zu guter Letzt wurde Rileys NATs-Gruppe von Agent Marty Glick, dem Gruppenausbilder, im Flur zusammengerufen. Glick schien dem Aussehen nach in seinen Dreißigern zu sein. Er war groß gewachsen und hatte den muskulösen Bau eines American Football-Spielers. Er setzte ein ernstes, spaßbefreites Gesicht auf.

Er sagte zur Gruppe …

»Morgen steht Ihnen ein wichtiger Tag bevor. Aber ehe wir richtig anfangen, will ich Ihnen noch etwas zeigen.«

Glick führte sie in die Haupteingangshalle, einen riesigen Raum, in dessen marmornen Boden das FBI-Emblem eingelassen war. An einer Wand befand sich eine kolossale bronzene Platte, wovon eine Ecke mit einem schwarzen Band geziert wurde. Riley war bei ihrer Ankunft hier durchgelaufen und wusste, dass man sie „Hall of Honor“, die „Ehrenhalle“ nannte.

Dies hier war ein ehrwürdiger Ort, wo FBI-Agenten verewigt waren, die für ihr Land gestorben waren.

Glick führte sie zu einer Wand, an der zwei schwarze Platten mit den Portraits und Namen der Getöteten montiert waren. Zwischen den beiden Platten hing eine gerahmte Gedenktafel, auf der zu lesen stand …

Absolventen der Nationalen Akademie, die im Einsatz durch Feindeinwirkung gefallen sind.

.

Einigen NATs stockte der Atem, als sie die Gedenktafeln näher betrachteten. Glick schwieg für eine Weile, um die emotionale Wirkung sacken zu lassen.

Schließlich sagt er, fast im Flüsterton …

»Lasst sie nicht im Stich.«

Als er die Gruppe der NATs zum Beginn ihrer Tagesveranstaltungen wegführte, warf Riley über die Schulter noch einmal einen Blick zurück auf die Portraits an der Wand. Sie konnte nicht umhin, sich zu fragen …

Wird mein Foto auch eines Tages dort hängen?

Natürlich konnte man das nicht wissen. Alles, was sie genau wusste, war, dass die kommenden Tage sie vor Herausforderungen stellen sollte, denen sie sich zuvor noch nie hatte stellen müssen. Es verschlug ihr regelrecht den Atem, so machte sich in ihr ein neues Verantwortungsgefühl gegenüber jenen Agenten breit, die für ihr Land gestorben waren.

Ich kann sie nicht enttäuschen, dachte sie.

Kapitel sieben

Jake steuerte das Vehikel, das er sich eilends ausgeliehen hatte, durch ein Netzwerk von Schotterstraßen, die von Dighton nach Hyland führten. Chief Messenger hatte ihm den Wagen ausgeliehen. Auf diese Weise konnte Jake aufbrechen, ehe der Helikopter des TV-Senders landete.

Er hatte keine Ahnung, was ihn in Hyland erwarten würde, aber er war dankbar, der Invasion entkommen zu sein. Er hasste es von Reportern belagert zu werden, die ihn mit Fragen bestürmten, auf die er keine Antwort wusste. Es gab nicht viel, an was die Medien mehr Gefallen fanden, als an spektakulären Mordfällen in abgelegenen, ländlichen Gebieten. Die Tatsache, dass das Opfer die Frau des Bürgermeisters war, machte die Story für sie sicherlich noch bestechender.

Er fuhr mit offenem Fenster und genoss die frische Landluft. Messenger hatte ihm aufgezeichnet, wie er fahren sollte, und Jake hatte Spaß bei der gemächlichen Landpartie. Der Mann, den er befragen wollte, würde sich nicht von der Stelle bewegen, ehe er da war.

Selbstverständlich hatte der Verdächtigte im Gefängnis von Hyland mit keinem der Mordfälle etwas zu tun. Man hatte ihn gerade ins Gefängnis gesteckt, als das zweite Opfer starb.

Nicht als ob das seine Unschuld beweisen würde, dachte Jake.

Es gab immer die Möglichkeit, dass ein Team von zwei oder mehr Mördern am Werk war. Hope Nelson könnte von jemandem geschnappt worden sein, der den Mord an Alice Gibson nachahmen wollte.

Als Jake Hyland erreichte, bemerkte er als erstes, wie klein und verschlafen diese Kleinstadt aussah – viel kleiner als Dighton, mit einer Einwohnerschaft von ungefähr 1000 Leuten. Das Ortschild, an dem er gerade vorbeigefahren war, gab an, dass nur ein paar hundert Menschen hier lebten.

Kaum groß genug, um eingegliedert zu werden, dachte Jake.

Die Polizeiwache war genauso wie alle Fassaden in der kurzen Geschäftsmeile. Als er längs der Straße parkte, erblickte Jake einen fettleibigen Mann in Uniform, der sich an den Türpfosten lehnte. Er sah aus, als hätte er nicht anderes zu tun.

Jake stieg aus dem Auto. Als er auf die Polizeiwache zuhielt, sah er, dass der ausladende Polizist auf jemanden direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite starrte. Dieser Mann trug einen weißen Arztkittel und stand mit verschränkten Armen da. Jake hatte den befremdlichen Eindruck, dass die beiden schon eine ganze Weile dagestanden und sich ohne Worte betrachtet hatten.

Worum geht es denn da? fragte er sich.

Er kam auf den Uniformierten zu, der im Türrahmen stand und zeigt ihm seinen Dienstausweis. Der Mann stellte sich als Sheriff David Tallhammer vor. Er kaute auf einem Tabakbündel herum.

Er sagte mit gelangweilter Stimme zu Jake: »Kommen Sie rein, dann kann ich Ihnen unseren Hausgast vorstellen – Phil Cardin heißt er.«

Tallhamer ging voraus und Jake schaute kurz hinter sich. Der Mann im weißen Kittel rührte sich nicht vom Fleck.

In der Polizeiwache stellte Tallhamer Jake einen Wachtmeister vor, der die Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte, während er Zeitung las. Dieser nickte Jake zu und las weiter.

Die kleine Wache strömte eine seltsam gelangweilte Atmosphäre aus. Wenn es Jake nicht bereits gewusst hätte, wäre er nie darauf gekommen, dass diese zwei abgehalfterten Polizisten es mit einem grässlichen Mordfall zu tun hatten.

Tallhamer führte Jack durch eine Tür an der hinteren Seite des Büros, das zum Gefängnis führte. Dieses bestand aus nur zwei Zellen, die sich über einen schmalen Flur gegenüberlagen. Beide Zellen waren momentan besetzt.

In der einen Zelle lag ein Mann in einem eher verschlissenen Anzug laut schnarchend auf seiner Pritsche. In der gegenüberliegenden Zelle saß ein missmutig dreinblickender Mann in Jeans und T-Shirt auf seiner Schlafkoje.