Читать книгу «Eine Spur von Verbrechen» онлайн полностью📖 — Блейка Пирс — MyBook.
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KAPITEL SECHS

Der Zeitpunkt der Geldübergabe näherte sich. Keri versuchte, das beunruhigende Angstgefühl zu ignorieren. Mit jeder Minute, die verstrich, verkleinerte sich ihr Handlungsspielraum. Sie redete sich ein, nicht die Hoffnung aufzugeben und an Jessica zu denken, die wahrscheinlich verzweifelt darauf wartete, gefunden zu werden.

Sowie sich FedEx und Jessicas gefundene Gegenstände als Sackgasse erwiesen hatten, hatte sich das Team auf allgemeinere – und damit weniger aussichtsreiche Optionen konzentriert.

Edgerton gab alle Daten, die sie zu Jessicas Entführung hatten, zum Abgleich in die Datenbank ein. Doch leider war das eine zeitaufwendige Angelegenheit.

Er gab auch den Brief ins System ein, in der Hoffnung, dass die Sprachanalyse Parallelen zu vergangenen Fällen ergeben würde. Aber auch hierbei hatten sie wenig Hoffnung. Wäre ein derart merkwürdiger Brief schon einmal aufgetaucht, dann hätte sich jemand davon gehört.

Suarez ging die Liste von Sexualstraftätern in dieser Gegend durch. Vielleicht hatte einer schon einmal Lösegeld erpresst. Castillo war mit ein paar Kollegen zum Park gegangen, um alles für die Übergabe vorzubereiten und Brody hatte behauptet, seine Informanten zu kontaktieren, auch wenn Keri vermutete, dass er nur etwas zu Essen holen wollte.

Sie und Ray hatten sich alte Akten vorgenommen, auf der Suche nach anderen Fällen, die Jessicas Entführung ähnelten. Vielleicht handelte es sich um einen Täter, der nach einem langen Gefängnisaufenthalt wieder frei herumlief. Dann könnte es sich um einen Fall vor ihrer Zeit handeln, was erklären würde, dass niemand davon gehört hatte. Sie hatten beide keine große Hoffnung, etwas zu finden, aber sie wussten auch nicht, was sie sonst tun sollten.

Nach einer erfolglosen Stunde Recherche, beschlossen sie, wieder zum Haus der Raineys zurückzufahren. Es war fast zehn Uhr und sie fuhren dieselbe Strecke, wie am Morgen, als zwischen ihnen noch alles normal gewesen war. Bevor er sie um ein Date gebeten hatte. Das war zwar beiden bewusst, aber weil es jetzt Dringenderes gab, war die Angelegenheit vorerst auf Eis gelegt.

Während der Fahrt telefonierte Ray mit Detective Garrett Patterson, der von Revier aus alles für die Überwachung am Ort der Lösegeldübergabe, Chace Park, koordinierte.

Patterson war ein stiller Mann Mitte dreißig. Wie Edgerton war er ein Experte auf dem Gebiet der Technik. Doch anders als sein jüngerer Kollege, zeigte Patterson eine ausgeprägte Liebe zum Detail. Er liebte es, stundenlang minutiöse Einzelheiten wie Telefonnummern oder IP-Adressen zu analysieren und zu vergleichen. Das hatte ihm auch den Spitznamen Routine-Pat eingebracht, was ihm aber nichts ausmachte.

Patterson ging nicht gerne Risiken ein. Er war aber der richtige Mann für ein absolut lückenloses Setup von elektronischer Überwachung, das sowohl effektiv, als auch nahezu unsichtbar war.

„Alles ist vorbereitet“, verkündete Ray, als das Gespräch beendet war. „Das Team ist in Position. Manny ist unterwegs zu Raineys Chef und zusammen bringen sie das Geld zu unseren Leuten, die in einem Van am Waterside Shopping Center warten.“

„Sehr gut“, sagte Keri. „Als du am Telefon warst, ist mir etwas eingefallen. Ein Freund von damals, als ich noch auf dem Hausboot gelebt habe, hat ein kleines Segelboot im Yachthafen liegen. Er würde uns bestimmt helfen, dass wir die Übergabe vom Wasser aus beobachten können. Was hältst du davon?“

„Ich würde sagen, frag ihn. Je mehr Augen wir unbemerkt auf die Übergabe richten können, desto besser.“

Keri kontaktierte ihren Freund, einen in die Jahre gekommenen Seemann namens Butch. Eigentlich war er nicht direkt ihr Freund, eher ein Saufkumpane, der den Scotch ebenso liebte wie sie selbst. Nachdem sie Evie, ihren Mann und ihren Job verloren hatte, hatte sie ein altes Hausboot gekauft, auf dem sie mehrere Jahre gelebt hatte.

Butch war ein netter ehemaliger Marinesoldat, der sie immer „Copper“ nannte und nie Fragen über ihre Vergangenheit stellte. Lieber gab er Geschichten von seiner Zeit auf See zum Besten. Damals war er genau die richtige Gesellschaft für sie gewesen, aber seit sie vom Hausboot in ein Appartment gezogen war und ihren Alkoholkonsum beträchtlich reduziert hatte, haben sie sich kaum mehr gesehen.

Das schien er ihr jedoch nicht übel genommen zu haben, denn er antwortete sofort auf ihre SMS: „Kein Problem. Bis gleich, Copper.“

„Alles klar“, teilte sie Ray mit. Dann war sie wieder still und dachte nach. Nach einer Weile unterbrach Ray die Stille.

„Woran denkst du, Keri?“, fragte er. „Ich habe den Verdacht, dass der Fall dir keine Ruhe lässt.“

Wieder einmal war Keri erstaunt, wie gut er sie kannte.

„Die Lösegeldübergabe. Irgendetwas stört mich daran. Warum hat er – angenommen es ist ein Er – uns so früh mitgeteilt, wo er sich treffen will? Er muss doch wenigstens vermuten, dass die Raineys sich an die Polizei wenden, und dass wir genau das tun würden, was wir jetzt gerade tun: Den Park weiträumig überwachen, unsere Männer positionieren, den Zugriff planen. Warum sollte er das Risiko eingehen? Es ergibt Sinn, die Summe so bald zu nennen, schließlich muss das Geld organisiert werden. Aber wenn ich so eine Summe erpressen würde, würde ich doch erst zehn Minuten vorher anrufen und Zeit und Ort mitteilen.“

„Ein logischer Gedankengang. Das unterstützt deine Theorie, dass er es gar nicht auf das Geld abgesehen hat.“

„Ich würde es mir wirklich nicht wünschen, aber genau das ist meine Sorge“, sagte sie.

„Worum, glaubst du, geht es ihm dann?“, fragte Ray.

Genau darüber hatte Keri nachgedacht und jetzt war sie fas erleichtert, es mit Ray besprechen zu können.

„Ich glaube, dass der Täter auf Jessica fixiert ist. Ich glaube, dass er sie kennt, oder ihr zumindest begegnet ist. Vielleicht hat er sie beobachtet.“

„Das würde passen. Alles deutet darauf hin, dass er die Tat schon seit einer Weile plant.“

„Genau. Zum Beispiel, dass er diese Spezial-Sonnenbrille bei FedEx benutzt hat; dass er wusste, wo die Kameras installiert sind und dass er sie an einer Stelle abgepasst hat, an der man sie von der Schule aus nicht mehr und ihre Mutter sie noch nicht sehen konnte und niemand in der ganzen Straße Überwachungskameras im Einsatz hatte. Das alles braucht Vorbereitung und Zeit.“

„Das ergibt Sinn. Aber wer könnte es sein? Der Sicherheitsangestellte hat sämtliches Personal überprüft. Und ich habe die Lehrer noch einmal auf dem Revier ins System eingegeben. Nichts, außer vielleicht ein paar Strafzettel für Falschparken.“

„Hast du auch Hausmeister und Busfahrer gecheckt?“

„Die sind zwar nicht von der Schule angestellt, aber jeder, der mit den Kindern in Kontakt kommt, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Wir können die Liste noch einmal durchgehen, aber der Sicherheitsmann hat ziemlich gründlich gearbeitet.“

„Na gut, was ist mit den Geschäften, die auf Jessicas Heimweg liegen? Oder gibt es vielleicht eine Baustelle mit Bauarbeitern in der Nähe ihres Hauses? Es muss jemand sein, der sie regelmäßig sieht, mit ihrer Alltagsroutine vertraut ist und womöglich schon auffällig geworden ist.“

„Das sind mögliche Spuren, denen wir morgen früh nachgehen können, aber ich hoffe immer noch, dass wir ihn heute Nacht schnappen.“

Sie erreichten das Haus der Raineys und sahen einen Streifenwagen direkt davor stehen, obwohl sie angeordnet hatten, dass er in einiger Entfernung geparkt wird, für den Fall dass der Entführer hier vorbeikam. Sie stiegen aus und klopften an die Tür. Ein Officer öffnete ihnen und sie traten ein.

„Wie geht es den Raineys?“, fragte Ray leise.

„Die Mutter ist die meiste Zeit mit dem Jungen oben und versucht ihn abzulenken“, berichtete der Officer.

„Den Jungen und sich selbst“, ergänzte Keri leise.

„Der Vater war die meiste Zeit still. Er sieht sich schon seit Stunden den Park auf Google Maps an. Er hat uns ein paar Fragen zur Polizeiüberwachung gestellt, die wir größtenteils nicht beantworten können.“

„Okay, danke“, sagte Ray. „Vielleicht können wir weiterhelfen.“

Tim Rainey saß, wie der Polizist beschrieben hatte, mit seinem Laptop am Küchentisch und sah sich den Burton Chace Park von oben an.

„Mr. Rainey“, sagte Keri, „man hat uns gesagt, dass Sie ein paar Fragen haben.“

Rainey blickte kurz auf, schien sie aber kaum wahrzunehmen. Dann nickte er.

„Ziemlich viele sogar.“

„Schießen Sie los“, sagte Ray.

„Im Brief stand keine Polizei. Wie wollen Sie es schaffen, nicht bemerkt zu werden?“

„Wir haben überall im Park Überwachungskameras versteckt“, erklärte Ray. „Die Kollegen werden also alles von einem Van aus beobachten. Außerdem gibt es im Chace Park einige Obdachlose. Wir haben einen Officer entsprechend getarnt. Sie ist seit Stunden dort, damit die anderen keinen Verdacht schöpfen. Wir haben ein paar Männer im Windjammers Yacht Club positioniert, sie werden von einem Zimmer im zweiten Stock aus alles beobachten. Einer davon ist ein Scharfschütze.“

Keri sah, wie Tim Raineys Augen groß wurden, aber er sagte nichts. Ray fuhr fort.

Eine Drohne steht bereit, aber wir werden ihn nur einsetzen, wenn es wirklich nötig ist. Er ist fast lautlos und hat eine Reichweite von bis zu hundertfünfzig Meter. Insgesamt sind über zehn Beamte im Einsatz. Sie werden zwar nicht direkt vor Ort sein, können aber in weniger als einer Minute dort sein, wenn irgendetwas schief geht. Das gilt auch für Detective Locke und ich. Wir werden vom Wasser aus alles überwachen, weit genug entfernt um nicht aufzufallen, aber nah genug um mit einem Fernglas guten Sichtkontakt halten zu können. Wir haben uns so gut vorbereitet wie möglich.“

„Das merke ich. Was genau muss ich also tun?“

„Gut, dass Sie fragen. Deswegen sind wir hier. Da Sie bereits die Karte vor sich haben, können wir jetzt sofort alles durchgehen“, sagte Ray.

Sie nehmen rechts und links neben Rainey Platz. Dann ergriff Keri das Wort.

„Sie sollen ihn auf der Brücke zwischen den Pergolas im hinteren Teil des Parks am Wasser treffen. Genau das werden Sie auch tun“, sagte sie. „Offiziell hat der Park nachts geschlossen. Sie können also nicht auf dem eingezäunten Parkplatz hier parken. Wahrscheinlich hat er die Übergabe auf Mitternacht gelegt, damit dort keine Autos stehen. Sie parken am besten im Parkhaus einen Block weiter. Wir geben Ihnen das passende Kleingeld. Sie stellen Ihr Auto ab, zahlen und gehen zum Treffpunkt. Alles klar soweit?“

„Ja“, sagte Rainey. „Wann bekomme ich das Lösegeld?“

„Sie holen es am Waterside Shopping Center in der Nähe des Parks ab.“

„Und wenn der Kidnapper mich beobachtet?“

„Ihr Chef wird Ihnen das Geld persönlich überreichen, direkt bei den Geldautomaten der Amerikanischen Nationalbank. Einer unserer Detectives bereitet ihn auf alles vor. Auch dort werden Sie ein paar Kollegen verdeckt beobachten, falls er versucht, dort an das Geld zu kommen.“

„Ist das Geld mit einem Peilsender ausgestattet?“

„Ja“, gab Ray zu, „und die Tasche auch. Aber die Geräte sind sehr klein. Der eine wird in die Naht der Tasche eingearbeitet. Ein paar weitere Sender sind mit durchsichtigen Aufklebern auf einzelnen Scheinen angebracht. Selbst wenn man einen Schein mit einem Sender in der Hand hält, ist es sehr schwer, ihn zu entdecken.“

Keri wusste, warum Ray die Frage beantwortet hat. Raineys wütender Blick sagte ihr, dass er nicht besonders glücklich darüber war. Wahrscheinlich dachte er, dass die Sender Jessica in Gefahr bringen könnten.

Ray hatte ihn darüber informiert, damit sein Vertrauen zu Keri nicht verletzt wurde. Keri nickte ihrem Partner dankbar zu. Rainey schien das nicht zu bemerken. Was Ray ihm soeben mitgeteilt hatte, hatte ihm offensichtlich nicht gefallen, aber er versuchte auch nicht, sich dagegen zu wehren.

„Was mache ich dann?“, fragte er Keri. Ray würdigte er keines Blickes mehr.

„Wie ich schon sagte, sobald Sie das Lösegeld haben, fahren Sie ins Parkhaus und gehen direkt zu der Brücke in Chace Park. Denken Sie immer daran, unsere Officers sind bei Ihnen, auch wenn Sie sie nicht sehen. Machen Sie sich keine Sorgen, konzentrieren Sie sich nur auf die Brücke und das Geld.“

„Was passiert, wenn er kommt?“, fragte Rainey weiter.

„Sie fragen nach ihrer Tochter. Er soll schließlich denken, dass Sie alleine sind. Es wäre also merkwürdig, wenn Sie ihm ohne jede Gegenwehr das Geld geben. Wahrscheinlich würde er Verdacht schöpfen. Ich bezweifle, dass er sie mitbringen wird, aber er wird Ihnen wahrscheinlich sagen, wo er sie versteckt hat. Vielleicht sagt er auch, dass er Ihnen das Versteck mitteilt, wenn er in sicherer Entfernung ist.“

„Sie wird nicht im Park sein?“, fragte Rainey erstaunt.

„Es würde mich sehr überraschen. Damit würde er sein einziges Druckmittel riskieren. Für ihn ist es sicherer, wenn sie weiterhin um Jessicas Sicherheit fürchten. Rechnen Sie also am besten damit, dass sie nicht dort sein wird.“

„Ich verstehe. Und dann? Wie geht es dann weiter?“

„Nachdem Sie also mit der Übergabe gezögert und nach Jessica gefragt haben, geben Sie ihm die Tasche. Versuchen Sie nicht mit ihm zu verhandeln. Versuchen Sie nicht, ihn zu überwältigen. Er wird vermutlich ebenso nervös sein wie Sie. Wir wollen keine Konfrontation.“

Tim Rainey nickte zögernd. Keri gefiel diese Reaktion nicht. Sie beschloss, es noch einmal nachdrücklicher zu formulieren.

„Mr. Rainey, Sie müssen mir versprechen, dass Sie keine Dummheiten machen. unsere beste Chance ist, dass er Ihnen Jessicas Aufenthaltsort verrät, oder dass er uns nach dem Treffen zu ihr führt. Bleiben Sie ruhig, auch wenn er Ihnen nichts sagt. Wir werden ihn mit den Sendern verfolgen und wir werden ihn festnehmen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wenn Sie auf eigene Faust vorgehen, könnte es für Sie und auch für Jessica sehr gefährlich werden. Haben Sie mich verstanden, Sir?“

„Ja. Ich verspreche, dass ich nichts tun werde, das Jessica in Gefahr bringen könnte.“

„Gut, dann bin ich beruhigt“, sagte Keri, obwohl sie immer noch ihre Zweifel hatte. „Sie übergeben die Tasche, gehen zurück zu Ihrem Wagen und kommen wieder hierher. Um alles andere kümmern wir uns. Okay?“

„Werden Sie ein Abhörgerät an mir befestigen?“, fragte er und Keri fiel sofort auf, dass er ihre Anordnung nicht bestätigt hatte.

„Ja, das werden wir“, mischte Ray sich wieder ein. „Ein Abhörgerät und eine kleine Kamera. Aber keine Sorge, beides wird nicht zu sehen sein, besonders bei Nacht. Die Kamera wird uns helfen, ihn zu identifizieren und über das Audio wissen wir, wenn Sie in Gefahr sind.“

„Können wir kommunizieren?“

„Nein“, sagte Ray. „Also, wir werden Sie hören können, aber es wäre zu riskant, Ihnen einen Empfänger ins Ohr zu stecken. Den könnte der Entführer nämlich sehen. Außerdem wollen wir, dass Sie sich ganz und gar auf Ihre Aufgabe konzentrieren.“

„Eine Sache noch“, sagte Keri. „Es besteht die Chance, dass er nicht kommt. Vielleicht ist es im in letzter Minute doch zu riskant, vielleicht hatte er nie vor zu kommen. Bereiten Sie sich innerlich auf darauf vor.“

„Glauben Sie das denn?“, fragte Rainey. Er selbst hatte darüber offenbar noch nicht nachgedacht.

Keri wollte ihm eine ehrliche Antwort geben.

„Ich weiß nicht, was passieren wird, aber bald finden wir es heraus.“

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