Читать книгу «Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке» онлайн полностью📖 — Бернгарда Келлермана — MyBook.

XX

Noch am gleichen Abend schrieb Fabian einen Brief an Christa, aber er empfand schon beim Schreiben, dass es ihm nicht gelang, die Gedanken und Empfindungen, die ihn bewegten, auszudrücken. Immer sah er ihr verändertes, verklärtes Gesicht vor sich und zerriss dreimal den Brief. Er ging spät schlafen, aber unaufhörlich sah er ihr verklärtes Gesicht, ob er die Augen offenhielt oder schloss. Ja, bei Gott, er liebte diese Frau! Am nächsten Morgen erstand er einen Strauß herrlicher Marschall-Niel-Rosen[59], die er mit seinem Kärtchen, das nur wenige Worte trug, an Christa senden ließ.

Christa fand die Rosen in ihrem Zimmer, als sie ihre Mutter von der Bahn abgeholt hatte, und war hocherfreut darüber. «Dank für die Christmesse auf Palma de Mallorc», stand auf der Karte. Nichts sonst. Sie wählte drei der herrlichsten Rosen aus dem Strauß und brachte sie hinunter zu ihrer Mutter.

«Mam», rief sie erfreut aus, «ich bin erst jetzt in der Lage, dich würdig willkommen zu heißen». Sie beugte ein Knie und überreichte ihrer Mutter die Rosen mit einer reizenden Geste. «Lass die Faxen, Christ», erwiderte lachend Frau Beate, die noch müde von der Reise war. «Woher hast du denn die herrlichen Rosen bekommen».

Christa erhob sich. «O», sagte sie, «ich fand einen riesigen Strauß auf meinem Zimmer. Ein Verehrer hat sie mir geschick», fügte sie hinzu und wurde plötzlich rot.

«Ein Verehrer? Ich sehe, die Männer sind immer noch so verrückt wie vor zweitausend Jahren».

Christa tat ein wenig gekränkt. «Aber es ist ein Verehrer, der mir außerordentlich sympathisch ist, Mama». entgegnete sie.

Zweites Buch

I

Die große Rede, mit der Taubenhaus sich im Rathaussaal der Stadt vorstellte, war ohne Zweifel ein bedeutender Erfolg. Auf elf Uhr war die Ansprache angesetzt, aber bereits eine halbe Stunde vorher sah man Scharen von Geladenen die Treppe des Rathauses emporsteigen.

Fabian war schon früh auf den Beinen. Er brauchte fast eine Stunde, um sich für die Feier in Gala zu werfen[60]. Heute wollte er zum erstenmal seine neue Uniform vorführen, die Menschen sollten staunen. Die Breeches, die scharf wie Messer auf den Schenkeln abstanden, gaben ihm das verwegene und herausfordernde Aussehen eines Menschen, mit dem nicht zu spaßen ist. Außerordentlich gut kleidete ihn der Rock, der seine Schultern breiter und kräftiger erscheinen ließ. Dieser kleine weißhaarige März war wirklich ein Künstler in seinem Fach, man konnte sagen, was man wollte. Seine Ordensauszeichnungen putzte Fabian mit einem Läppchen, bevor er sie anlegte, das Eiserne Erster trug er links unten an der Brust, wie es sich gehörte. Geschniegelt und gebügelt, sah er wahrhaftig stattlich aus. Er war nicht mehr als ein schlichter Soldat der Partei und wollte auch gar nicht mehr sein, man sollte nur seinen guten Willen sehen, der Idee zu dienen, alles andere würde sich ja finden. Ehrgeizige Ambitionen lagen ihm fern, aber man konnte schließlich nicht von ihm verlangen, den Offizier zu verleugnen, der er nun einmal war. In seiner Uniform, mit seinen Orden und seiner soldatischen Haltung musste man ihn unbedingt für einen hohen Kommandeur halten.

Als er sich anschickte zu gehen, kam Clotilde auf den Korridor, im eleganten Mantel, einen Silberfuchs um die Schultern gelegt, den Hut auf dem Kopf. Dieser Hut war ein kunstvolles Gebäude von hellbraunen Samtschleifen, die beim Gehen lustig auf ihrem blonden Haarschopf wippten.

«Nimm mich mit, bitte! Es wird doch das beste sein, wenn ich gleich mit dir komm», rief sie, als sei es die alltäglichste Sache der Welt, dass sie ihn begleite. «Bitt», erwiderte er und öffnete ihr höflich die Tür. Clotilde befand sich in angeregter, vorzüglicher Laune. Das bevorstehende Ereignis regte sie auf wie eine Premiere im Theater. Befriedigt schritt sie an der Seite ihres Gatten einher und genoss die erstaunten und anerkennenden Blicke, die man ihm zuwarf. Also auch er ist bei der Partei! Es war zum ersten Mal seit vielen Wochen, dass man sie zusammen auf der Straße sah. Nun, etwas war in ihrer Ehe nicht in Ordnung, das wusste die ganze Stadt, aber schließlich war ja heute ein besonderer Tag. Clotilde hielt manchmal den Schritt an und musterte ihren Mann mit prüfenden Blicken. Ohne Tadel, wahrhaftig, ohne den geringsten Tadel! Mit solch einem Mann konnte man sich recht gut auf der Straße sehen lassen!

«Vorzüglich siehst du aus». sagte sie voll aufrichtiger Anerkennung. Es war seit langer Zeit das erste anerkennende Wort, das er von ihr hörte.

«Ja, März hat wirklich gut gearbeite», erwiderte er.

«Die ganze Stadt erwartet in großer Spannung die Rede von Taubenhau», fuhr Clotilde fort. «Alle Welt wundert sich, was er zu sagen haben wird».

Seht an, dachte Fabian, eine richtige Konversation will sie beginnen. Er aber hatte keineswegs die Bosheiten ihrer Scheidungsklage vergessen und zögerte zu antworten.

«Er wird sicher ganz interessant spreche», erwiderte er. «Er ist ja ein aufgeweckter Kopf. Natürlich hat man ihn in vielen Dingen informiert, er ist ja noch ganz neu».

Clotilde lächelte in sich hinein. Oh, sie wusste ganz genau, was Taubenhaus sagen würde. Die «Heldenbrück», der Springbrunnen auf dem Bahnhofsplatz, der Roland am Rathaus, nicht wahr? Seit drei Tagen lagen Durchschläge der Rede auf dem Schreibtisch ihres Mannes mit der blauen Anschrift «Streng vertraulich[61]».. Fabian wusste recht wohl, wie man Geheimnisse in der Stadt bekanntmachte, wenn es sein musste. Auch Fräulein Zimmermann würde aus lauter Wichtigtuerei den Mund nicht halten[62].

«Sieh doch, die vielen Leute». rief Clotilde aus, als sie über den Rathausplatz gingen. Eine Menge Menschen stieg soeben hastig die Treppe empor. Unter ihnen befand sich Baurat Krieg, der eine zu enge Leutnantsuniform trug, die sich kaum über dem Bauch schließen ließ. Er war bei den Pionieren gewesen. Seine beiden Töchter, die Zwillinge, waren mit ihm. Es waren zwei hübsche Mädchen, Hermine und Helene, die einander so ähnlich sahen, dass es schwer war, sie zu unterscheiden. Beide hatten sie die gleichen roten Pausbacken und die gleichen reizenden Stupsnäschen. Sie lächelten auch das verwirrend gleiche Lächeln.

«Ein General! Nehmt Haltung an, Mädchen, ein wirklicher General». – scherzte Krieg und bestaunte Fabian. «Wahrhaftig, Sie verstehen es, Ihre Freunde zu überrasche», fügte er hinzu, und man konnte aus seinem Lachen nicht recht klug werden[63].

«Du entschuldigst mic», sagte Fabian zu seiner Frau am Eingang des Saales, als er ihr höflich die breite Tür öffnete. «Ich muss noch zum Bürgermeister, er hat vielleicht noch Aufträge für mich».

Clotilde verabschiedete sich von ihm mit ihrem reizendsten Lächeln, die Töchter Kriegs standen neben ihr. Sie waren beide völlig gleich gekleidet und gebrauchten auch das nämliche Parfüm. Fabian will sich wohl bei Taubenhaus in der neuen Uniform zeigen? dachte Clotilde. Es war ja alles Berechnung bei ihm, sie kannte ihn ganz genau.

Uniformen, Menschen, Hüte, Flaggen und wieder Flaggen, es war ein Anblick, der Clotilde begeisterte. Der Saal war mit vielen Lorbeerbäumchen geschmückt und von Fahnen geradezu übersät. Nur wenige Fahnen zeigten die Farben der Stadt, die meisten trugen das Hakenkreuz. Auch die Rednertribüne war mit der Hakenkreuzfahne ausgeschlagen. Der Eindruck war förmlich berauschend, und Clotildes Herz jubelte, als sie sich den Weg durch die Menge bahnte. Natürlich behaupteten einige Nörgler, es sei eine Feier der Partei und nicht der Stadt, und Doktor Krüger sollte nicht einmal ein privates Telefongespräch erlaubt sein, da konnte man schon lachen.

Es wimmelte von Militärs, selbst die Offiziere der Reserve benutzten den Anlass, sich in ihren Uniformen sehen zu lassen. Man sah sogar eine richtige rote Husarenverschnürung, die man schon für ausgestorben hielt, und die drei breiten Ärmelstreifen der Marine. Nun, das Stadtoberhaupt hatte sie eingeladen, und sie hielten es für ihre Pflicht, alle in großer Gala zu erscheinen. Ganz auffallend aber waren die vielen Orden! Ja, war denn ein Ordensregen auf die Stadt niedergegangen? Man konnte glauben, sie alle seien in der mörderischen Schlacht von Verdun[64] gewesen, obschon viele von ihnen nicht einmal den Geruch von Pulver kannten.

Ja, und du lieber Himmel, heute konnte man auch sehen, dass fast jedermann, der etwas auf sich hielt, Mitglied der Partei war! Gerichtspräsident Liborius, Museumsdirektor Graß, Direktor des Krankenhauses Sandkuhl, Justizrat Schwabach, natürlich, er spielte ja eine ganz große Rolle in der Partei, Rektor des Gymnasiums Pett, Medizinalrat Haverlag, die Professoren Koppenheide und Rhode, Direktor der Kunstschule Sanftleben, alle, einfach alle. Die Herren sahen sämtlich würdig, gut genährt und zufrieden aus, manche hatten sich im Laufe ihres Lebens Schmerbäuche erworben, und viele zeigten ihre glänzenden Glatzen, die man sonst überhaupt nicht sah, da sie Hüte trugen. Es war mit einem Wort die Creme des Bürgertums der Stadt.

Im Hintergrund des Saales hielten sich Scharen von meist jungen Leuten in brauner Uniform auf, die ohne jede Scheu plauderten und scherzten. Selbst einige Grauköpfe waren unter den braunen Soldaten, und in ihrer Mitte sah man die großen durchscheinenden Ohren des Schusters Habicht rot aufleuchten.

Es musste in Wahrheit auffallen, wie wenige der Anwesenden nicht der Partei angehörten. Vielleicht waren viele nicht eingeladen worden? Fabian hatte eine Liste von achthundert Personen aufgestellt, die letzte Sichtung aber hatte sich Taubenhaus vorbehalten. Zu den Parteilosen, die auf den ersten Blick auffielen, zählte Wolfgang Fabian, der mit fröhlicher Miene durch den Saal blickte, bald aber seine Unbefangenheit verlor, da er einer gewissen Zurückhaltung begegnete. In seiner Nachbarschaft saß Lehrer Gleichen, der mit düsteren Augen abseits Platz genommen hatte und mit niemand ein Wort wechselte. Seine Menschenscheu war bekannt, man erinnerte sich auch, dass er an die Dorfschule von Amselwies straf versetzt worden war, weil er, wie man sagte, die Hakenkreuzfahne nicht gegrüßt hätte.

II

Frau von Thünens kleines Hütchen mit den stahlblauen Federchen bewegte sich erregt hin und her. Die Baronin sprach und lachte fast ohne Pause. Durch den ganzen Saal hörte man ihre begeisterte Stimme und ihr helles Lachen. Sie hatte dieser Tage einen führenden Posten in der Frauenschaft übernommen und fühlte sich ganz in ihrem Element.

Oberst von Thünen tänzelte in seiner Oberstenuniform zwischen den Damen wie ein jugendlicher Kavallerist, seine Brust war mit Reihervon hohen Orden übersät und glitzerte förmlich. Er klappte mit den Absätzen, grüßte mit hochgestreckter Hand, lachte, scherzte. Kurz, er schien sich tatsächlich verjüngt zu haben mit seinem grauen Scheitel, der wie immer peinlich frisiert war. «Frau Fabian». rief er, als er Clotilde gewahrte, die sich ihren Weg durch die Menge suchte. Er eilte ihr entgegen, stand vor ihr in militärischer Haltung, als sei sie ein General, und verbeugte sich übermäßig tief. Clotilde errötete, beglückt über diese Auszeichnung vor allen Leuten.