So träumte der kleine Muck. Als er aber aufwachte, dachte er über den wunderbaren Traum nach und beschloβ, alsbald einen Versuch zu machen. Er zog die Pantoffeln an, lupfte einen Fuβ und begann sich auf dem Absatz umzudrehen. Wer es aber jemals versucht hat, in einem ungeheuer weiten Pantoffel dieses Kunststück dreimal hintereinander zu machen, der wird sich nicht wundern, wenn es dem kleinen Muck nicht gleich glückte, besonders wenn man bedenkt, daβ ihn sein schwerer Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite hinüberzog.
Der arme Kleine fiel einigemal tüchtig auf die Nase, doch lieβ er sich nicht abschrecken, den Versuch zu wiederholen, und endlich glückte es. Wie ein Rad fuhr er auf seinem Absatz herum, wünschte sich in die nächste groβe Stadt, und – die Pantoffeln ruderten hinauf in die Lüfte, liefen mit Windeseile durch die Wolken, und ehe sich der kleine Muck noch besinnen konnte, wie ihm geschah, befand er sich schon auf einem groβen Marktplatz, wo viele Buden aufgeschlagen waren und unzählige Menschen geschäftig hin und her liefen. Er ging unter den Leuten hin und her, hielt es aber für ratsamer, sich in eine einsamere Straβe zu begeben, denn auf dem Markt trat ihm bald da einer auf die Pantoffeln, daβ er beinahe umfiel, bald stieβ er mit seinem weit hinausstehenden Dolch einen oder den anderen an, daβ er mit Mühe den Schlägen entging.
Der kleine Muck bedachte nun ernstlich, was er wohl anfangen könnte, um sich ein Stück Geld zu verdienen. Er hatte zwar ein Stöcklein, das ihm verborgene Schätze anzeigte, aber wo sollte er gleich einen Platz finden, wo Gold oder Silber vergraben wäre? Auch hätte er sich zur Not für Geld sehen lassen können, aber dazu war er doch zu stolz. Endlich fiel ihm die Schnelligkeit seiner Füβe ein. «Vielleicht», dachte er, «können mir meine Pantoffeln Unterhalt gewähren», und er beschloβ, sich als Schnellläufer zu verdingen. Da er aber hoffen durfte, daβ der König dieser Stadt solche Dienste am besten bezahle, so erfragte er den Palast. Unter dem Tor des Palastes stand eine Wache, die ihn fragte, was er hier zu suchen habe. Auf seine Antwort, daβ er einen Dienst suche, wies man ihn zum Aufseher der Sklaven. Diesem trug er sein Anliegen vor und bat ihn, ihm einen Dienst unter den königlichen Boten zu besorgen.
Der Aufseher maβ ihn mit seinen Augen von Kopf bis zu den Füβen und sprach:
«Wie, mit deinen Füβlein, die kaum so lang als eine Spanne sind, willst du königlicher Schnellläufer werden? Hebe dich weg, ich bin nicht dazu da, mit jedem Narren Kurzweil zu machen».
Der kleine Muck versicherte ihm aber, daβ es ihm vollkommen ernst sei mit seinem Antrag, und daβ er es mit dem Schnellsten auf eine Wette ankommen lassen wollte. Dem Aufseher kam die Sache gar lächerlich vor. Еr befahl ihm, sich bis auf den Abend zu einem Wettlauf bereitzuhalten, führte ihn in die Küche und sorgte dafür, daβ ihm gehörig Speis und Trank gereicht wurde. Еr selbst aber begab sich zum König und erzählte ihm vom kleinen Muck und seinem Anerbieten. Der König war ein lustiger Herr, daher gefiel es ihm wohl, daβ der Aufseher der Sklaven den kleinen Menschen zu einem Spaβ behalten habe. Еr befahl ihm, auf einer groβen Wiese hinter dem Schloβ Anstalten zu treffen, daβ das Wettlaufen mit Bequemlichkeit von seinem ganzen Hofstaat könnte gesehen werden, und empfahl ihm nochmals groβe Sorgfalt für den Zwerg zu haben. Der König erzählte seinen Prinzen und Prinzessinnen, was sie diesen Abend für ein Schauspiel haben würden, diese erzählten es wieder ihren Dienern, und als der Abend herankam, war man in gespannter Erwartung, und alles, was Füβe hatte, strömte hinaus auf die Wiese, wo Gerüste aufgeschlagen waren, um den groβsprecherischen Zwerg laufen zu sehen.
Als der König und seine Söhne und Töchter auf dem Gerüst Platz genommen hatten, trat der kleine Muck heraus auf die Wiese und machte vor den hohen Herrschaften eine überaus zierliche Verbeugung. Ein allgemeines Freudengeschrei ertönte, als man des Kleinen ansichtig wurde. Eine solche Figur hatte man dort noch nie gesehen. Das Körperlein mit dem mächtigen Kopf, das Mäntelein und die weiten Beinkleider, der lange Dolch in dem breiten Gürtel, die kleinen Füβlein in den weiten Pantoffeln – nein! Es war zu drollig anzusehen, als daβ man nicht hätte laut lachen sollen. Der kleine Muck lieβ sich aber durch das Gelächter nicht irremachen. Er stellte sich stolz, auf sein Stöcklein gestützt, hin, und erwartete seinen Gegner. Der Aufseher der Sklaven hatte, nach Mucks eigenem Wunsche, den besten Läufer ausgesucht. Dieser trat nun heraus, stellte sich neben den Kleinen, und beide harrten auf das Zeichen. Da winkte Prinzessin Amarza, wie es ausgemacht war, mit ihrem Schleier, und wie zwei Pfeile, auf dasselbe Ziel abgeschossen, flogen die beiden Wettläufer über die Wiese hin.
Von Anfang hatte Mucks Gegner einen bedeutenden Vorsprung, aber dieser jagte ihm auf seinem Pantoffelfuhrwerk nach, holte ihn ein, überfing ihn und stand längst am Ziele, als jener noch, nach Luft schnappend, daherlief. Verwunderung und Staunen fesselten einige Augenblicke die Zuschauer, als aber der König zuerst in die Hände klatschte, da jauchzte die Menge, und alle riefen:
«Hoch lebe der kleine Muck, der Sieger im Wettlauf!».
Man hatte indes den kleinen Muck herbeigebracht. Еr warf sich vor dem König nieder und sprach:
«Groβmächtigster König, ich habe dir hier nur eine kleine Probe meiner Kunst gegeben, wolle nur gestatten, daβ man mir eine Stelle unter deinen Läufern gebe!».
Der König aber antwortete ihm:
«Nein, du sollst mein Leibläufer werden, und immer um meine Person sein, lieber Muck, jährlich sollst du hundert Goldstücke erhalten als Lohn, und an der Tafel meiner ersten Diener sollst du speisen».
So glaubte denn Muck, endlich das Glück gefunden zu haben, das er so lange suchte, und war fröhlich und wohlgemut in seinem Herzen. Auch erfreute er sich der besonderen Gnade des Königs, denn dieser gebrauchte ihn zu seinen schnellsten und geheimsten Sendungen, die er dann mit der gröβten Genauigkeit und mit unbegreiflicher Schnelle besorgte.
Aber die übrigen Diener des Königs waren ihm gar nicht zugetan, weil sie sich ungern durch einen Zwerg, der nichts verstand, als schnell zu laufen, in der Gunst ihres Herrn zurückgesetzt sahen. Sie veranstalteten daher manche Verschwörung gegen ihn, um ihn zu stürzen, aber alle schlugen fehl an dem groβen Zutrauen, das der König in seinen geheimen Oberleibläufer (denn zu dieser Würde hatte er es in so kurzer Zeit gebracht) setzte.
Muck, dem diese Bewegungen gegen ihn nicht entgingen, sann nicht auf Rache, dazu hatte er ein zu gutes Herz. Nein, auf Mittel dachte er, sich bei seinen Feinden notwendig und beliebt zu machen. Da fiel ihm sein Stäblein, das er in seinem Glück auβer acht gelassen hatte, ein. Wenn er Schätze finde, dachte er, würden ihm die Herren schon geneigter werden. Er hatte schon oft gehört, daβ der Vater des jetzigen Königs viele seiner Schätze vergraben habe, als der Feind anrückte. Man sagte auch, er sei darüber gestorben, ohne daβ er sein Geheimnis habe seinem Sohn mitteilen können. Von nun an nahm Muck immer sein Stöcklein mit, in der Hoffnung, einmal an einem Ort vorüberzugehen, wo das Geld des alten Königs vergraben sei.
Eines Abends führte ihn der Zufall in einen entlegenen Teil des Schloβgartens, den er wenig besuchte, und plötzlich fühlte er das Stöcklein in seiner Hand zucken, und dreimal schlug es gegen den Boden. Nun wuβte er schon, was dies zu bedeuten hatte. Er zog daher seinen Dolch heraus, machte Zeichen in die umstellenden Bäume und schlich sich wieder in das Schloβ. Dort verschaffte er sich einen Spaten und wartete die Nacht zu seinem Unternehmen ab.
Das Schatzgraben selbst machte übrigens dem kleinen Muck mehr zu schaffen, als er geglaubt hatte. Seine Arme waren gar zu schwach, sein Spaten aber groβ und schwer, und er mochte wohl schon zwei Stunden gearbeitet haben, ehe er ein paar Fuβ tief gegraben hatte. Endlich stieβ er auf etwas Hartes, das wie Eisen klang. Er grub jetzt emsiger, und bald hatte er einen groβen eisernen Deckel zutage gefördert. Er stieg selbst in die Grube hinab, um nachzuspähen, was wohl der Deckel könnte bedeckt haben, und fand richtig einen groβen Topf, mit Goldstücken angefüllt. Aber seine schwachen Kräfte reichten nicht hin, den Topf zu heben, daher steckte er in seine Beinkleider und seinen Gürtel, so viel er zu tragen vermochte, und auch sein Mäntelein füllte er damit, bedeckte das Übrige wieder sorgfältig und lud es auf den Rücken. Aber wahrlich, wenn er die Pantoffeln nicht an den Füβen gehabt hätte, er wäre nicht vom Fleck gekommen, so zog ihn die Last des Goldes nieder. Doch unbemerkt kam er auf sein Zimmer und verwahrte dort sein Gold unter den Polstern seines Sofas.
Als der kleine Muck sich im Besitz so vielen Goldes sah, glaubte er, das Blatt werde sich jetzt wenden und er werde sich unter seinen Feinden am Hofe viele Gönner und warme Anhänger erwerben. Aber schon daran konnte man erkennen, daβ der gute Muck keine gar sorgfältige Erziehung genossen haben muβte, sonst hätte er sich wohl nicht einbilden können, durch Gold wahre Freunde zu gewinnen. Ach, daβ er damals seine Pantoffeln geschmiert und sich mit seinem Mäntelein voll Gold aus dem Staub gemacht hätte!
Das Gold, das der kleine Muck von jetzt an mit vollen Händen austeilte, erweckte den Neid der übrigen Hofbediensteten. Der Küchenmeister Ahuli sagte: «Er ist ein Falschmünzer». Der Sklavenaufseher Achmet sagte: «Er hat’s dem König abgeschwatzt». Archaz, der Schatzmeister, aber, sein ärgster Feind, der selbst hier und da einen Griff in des Königs Kasse tun mochte, sagte geradezu: «Er hat’s gestohlen». Um nun ihrer Sache gewiβ zu sein, verabredeten sie sich, und der Obermundschenk Korchuz stellte sich eines Tages recht traurig und niedergeschlagen vor die Augen des Königs. Er machte seine traurigen Gebärden so auffallend, daβ ihn der König fragte, was ihm fehle .
«Ah», antwortete er, «ich bin traurig, daβ ich die Gnade meines Herrn verloren habe».
«Was fabelst du, Freund Korchuz?», entgegnete ihm der König. «Seit wann hätte ich die Sonne meiner Gnade nicht über dich leuchten lassen?».
Der Obermundschenk antwortete ihm, daβ er ja den geheimen Oberleibläufer mit Gold belade, seinen armen, treuen Dienern aber nichts gebe.
Der König war sehr erstaunt über diese Nachricht, lieβ sich die Goldausteilungen des kleinen Muck erzählen, und die Verschworenen brachten ihm leicht den Verdacht bei, daβ Muck auf irgendeine Art das Geld aus der Schatzkammer gestohlen habe. Sehr lieb war diese Wendung der Sache dem Schatzmeister, der ohnehin nicht gerne Rechnung ablegte. Der König gab daher den Befehl, heimlich auf alle Schritte des kleinen Muck achtzugeben, um ihn womцglich auf der Tat zu ertappen. Als nun in der Nacht, die auf diesen Unglückstag folgte, der kleine Muck, da er durch seine Freigebigkeit seine Kasse sehr erschöpft sah, den Spaten nahm und in den Schloβgarten schlich, um dort von seinem geheimen Schatze neuen Vorrat zu holen, folgten ihm von weitem die Wachen, von dem Küchenmeister Ahuli und Archaz, dem Schatzmeister, angeführt, und in dem Augenblick, da er das Gold aus dem Topf in sein Mäntelein legen wollte, fielen sie über ihn her, banden ihn und führten ihn sogleich vor den König. Dieser, den ohnehin die Unterbrechung seines Schlafes mürrisch gemacht hatte, empfing seinen armen Oberleibläufer sehr ungnädig und stellte sogleich das Verhör über ihn an. Man hatte den Topf vollends aus der Erde gegraben und mit dem Spaten und mit dem Mäntelein voll Gold vor die Füβe des Königs gesetzt. Der Schatzmeister sagte aus, daβ er mit seinen Wachen den Muck überrascht habe, wie er diesen Topf mit Gold gerade in die Erde gegraben habe.
Der König befragte hierauf den Angeklagten, ob es wahr sei, und woher er das Gold, das er vergraben, bekommen habe.
Der kleine Muck, im Gefühl seiner Unschuld, sagte aus, daβ er diesen Topf im Garten entdeckt habe, daβ er ihn habe nicht ein-, sondern ausgraben wollen.
Alle Anwesenden lachten laut über diese Entschuldigung, der König aber, aufs höchste erzörnt über die vermeintliche Frechheit des Kleinen, rief aus:
«Wie, Elender! Du willst deinen König so dumm und schändlich belügen, nachdem du ihn bestohlen hast? Schatzmeister Archaz! Ich fordere dich auf, zu sagen, ob du diese Summe Goldes für die nämliche erkennst, die in meinem Schatze fehlt».
Der Schatzmeister aber antwortete, er sei seiner Sache ganz gewiβ, so viel und noch mehr fehle seit einiger Zeit von dem königlichen Schatz, und er könne einen Eid darauf ablegen, daβ dies das Gestohlene sei.
Da befahl der König, den kleinen Muck in enge Ketten zu legen, und in den Turm zu führen. Dem Schatzmeister aber übergab er das Gold, um es wieder in den Schatz zu tragen. Vergnügt über den glücklichen Ausgang der Sache, zog dieser ab, und zählte zu Haus die blinkenden Goldstücke, aber das hat dieser schlechte Mann niemals angezeigt, daβ unten in dem Topf ein Zettel lag, der sagte:
«Der Feind hat mein Land überschwemmt, daher verberge ich hier einen Teil meiner Schätze. Wer es auch finden mag, den treffe der Fluch seines Königs, wenn er es nicht sogleich meinem Sohne ausliefert!
König Sadi».
Der kleine Muck stellte in seinem Kerker traurige Betrachtungen an. Еr wuβte, daβ auf Diebstahl an königlichen Sachen der Tod gesetzt war, und doch mochte er das Geheimnis mit dem Stäbchen dem König nicht verraten, weil er mit Recht fürchtete, dieses und seiner Pantoffeln beraubt zu werden. Seine Pantoffeln konnten ihm leider auch keine Hilfe bringen, denn da er in engen Ketten an die Mauer geschlossen war, konnte er, so sehr er sich quälte, sich nicht auf dem Absatz umdrehen. Als ihm aber am anderen Tage sein Tod angekündigt wurde, da gedachte er doch, es sei besser, ohne das Zauberstäbchen zu leben, als mit ihm zu sterben, lieβ den König um geheimes Gehör bitten, und entdeckte ihm das Geheimnis. Der König maβ von Anfang an seinem Geständnis keinen Glauben bei, aber der kleine Muck versprach eine Probe, wenn ihm der König zugestände, daβ er nicht getötet werden solle. Der König gab ihm sein Wort darauf und lieβ, von Muck ungesehen, einiges Gold in die Erde graben, und befahl diesem, mit seinem Stäbchen zu suchen. In wenigen Augenblicken hatte er es gefunden, denn das Stäbchen schlug deutlich dreimal auf die Erde. Da merkte der König, daβ ihn sein Schatzmeister betrogen hatte, und sandte ihm, wie es im Morgenland gebräuchlich ist, eine seidene Schnur, damit er sich selbst erdroβle. Zum kleinen Muck aber sprach er:
«Ich habe dir zwar dein Leben versprochen, aber es scheint mir, als ob du nicht allein dieses Geheimnis mit dem Stäbchen besitzest, darum bleibst du in ewiger Gefangenschaft, wenn du nicht gestehst, was für eine Bewandtnis es mit deinem Schnelllaufen hat».
Der kleine Muck, den die einzige Nacht im Turm alle Lust zu längerer Gefangenschaft benommen hatte, bekannte, daβ seine ganze Kunst in den Pantoffeln liege, doch lehrte er den König nicht das Geheimnis von dem dreimaligen Umdrehen auf dem Absatz. Der König schlüpfte selbst in die Pantoffeln, um die Probe zu machen, und jagte wie unsinnig im Garten umher. Оft wollte er anhalten, aber er wuβte nicht, wie man die Pantoffeln zum Stehen brachte, und der kleine Muck, der diese kleine Rache sich nicht versagen konnte, lieβ ihn laufen, bis er ohnmächtig niederfiel.
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