"Man höre den Voltairianer, den Rationalisten. Er lobt die Natur, weil sie uns auch bei fertilster Gelegenheit nicht mit my-stischen Dämpfen verwirrt, sondern klassische Trockenheit wahrt. Wie hieß doch die Feuchtigkeit auf lateinisch?"
"Der Humor", rief Settembrini über die linke Schulter, "der Humor in der Naturbetrachtung unseres Professors besteht dar-in, daß er, wie die heilige Katharina von Siena, an die Wunden Christi denkt, wenn er rote Primeln sieht."
Naphta erwiderte:
"Das wäre eher witzig als humoristisch. Aber es hieße im-merhin Geist in die Natur tragen. Sie hat es nötig."
"Die Natur", sagte Settembrini mit gesenkter Stimme und nicht mehr völlig über die Schulter hinweg, sondern nur noch an ihr hinunter, "hat Ihren Geist durchaus nicht nötig. Sie ist selber Geist."
"Sie langweilen sich nicht mit Ihrem Monismus?"
"Ah, Sie geben also zu, daß es Vergnügungssucht ist, wenn Sie die Welt feindlich entzweien, Gott und Natur auseinanderreißen!"
"Es interessiert mich, daß Sie Vergnügungssucht nennen, was ich im Sinne habe, wenn ich Passion und Geist sage."
"Zu denken, daß Sie, der große Worte für so frivole Bedürfnisse setzt, mich manchmal einen Redner nennen!"
"Sie bleiben dabei, daß Geist Frivolität bedeutet. Aber er kann nichts dafür, daß er von Hause aus dualistisch ist. Der Dualismus, die Antithese, das ist das bewegende, das leidenschaftliche, das dialektische, das geistreiche Prinzip. Die Welt feindlich gespalten sehen, das ist Geist. Aller Monismus ist langweilig. Solet Aristoteles quaerere pugnam."
"Aristoteles? Aristoteles hat die Wirklichkeit der allgemeinen Ideen in die Individuen verlegt. Das ist Pantheismus."
"Falsch. Geben Sie den Individuen substantiellen Charakter, denken Sie das Wesen der Dinge aus dem Allgemeinen fort in die Einzelerscheinung, wie Thomas und Bonaventura es als Ari-stoteliker taten, so haben Sie die Welt aus jeder Einheit mit der höchsten Idee gelöst, sie ist außergöttlich und Gott transzen-dent. Das ist klassisches Mittelalter, mein Herr."
"Klassisches Mittelalter ist eine köstliche Wortverbindung!"
"Ich bitte um Entschuldigung, aber ich lasse den Begriff des Klassischen statthaben, wo er am Platze ist, das heißt, wo immer eine Idee auf ihren Gipfel kommt. Die Antike war nicht immer klassisch. Ich stelle eine Abneigung gegen die … Freizügigkeit der Kategorien bei Ihnen fest, gegen das Absolute. Sie wollen auch nicht den absoluten Geist. Sie wollen, der Geist, das sei der demokratische Fortschritt."
"Ich hoffe uns einig in der Überzeugung, daß der Geist, so absolut er sei, niemals den Anwalt der Reaktion wird machen können."
"Er ist jedoch immer der Anwalt der Freiheit!"
"Jedoch? Freiheit ist das Gesetz der Menschenliebe, nicht Nihilismus und Bosheit."
"Wovor Sie offenbar Angst haben."
Settembrini warf den Arm über den Kopf Das Geplänkel brach ab. Joachim blickte verwundert von einem zum andern, während Hans Castorp mit hochgezogenen Brauen auf seinen Weg niedersah. Naphta hatte scharf und apodiktisch gesprochen, wiewohl er es gewesen war, der die weitere Freiheit verfochten hatte. Besonders seine Art, mit "Falsch!" zu widersprechen, beim "Sch"-Laut die Lippen vorzuschieben und dann den Mund zu verkneifen, war unangenehm. Settembrini hatte ihm teils auf heitere Weise Widerpart gehalten, teils auch eine schö-ne Wärme in seine Worte gelegt, etwa dort, wo er zur Einigkeit in gewissen Grundgesinnungen gemahnt hatte. Jetzt, während Naphta schwieg, begann er, den Vettern die Existenz des ihnen Fremden zu erläutern, womit er dem Bedürfnis nach Aufklä-rung entgegenkam, das er nach seinem Wortwechsel mit Naphta bei ihnen voraussetzte. Dieser ließ es geschehen, ohne sich dar-um zu kümmern. Er sei Professor der alten Sprachen in den obersten Klassen des Fridericianums, erklärte Settembrini, in-dem er den Stand des Vorzustellenden nach italienischer Art möglichst pomphaft herausstrich. Sein Schicksal sei dem seinen, Settembrinis eigenem, gleich. Durch seinen Gesundheitszustand vor fünf Jahren heraufgeführt, habe er sich überzeugen müssen, daß er des Aufenthaltes für lange Frist bedürftig sei, habe sein Sanatorium verlassen und sich privat-ansässig gemacht, bei Luka-çek, dem Damenschneider. Des hervorragenden Latinisten, Zöglings einer Ordensschule, wie er sich etwas unbestimmt ausdrückte, habe sich klugerweise die höhere Lehranstalt des Ortes als eines Dozenten versichert, der ihr zur Zierde gerei-che … Kurz, Settembrini erhob den häßlichen Naphta nicht wenig, obgleich er doch eben noch etwas wie einen abstrakten Streit mit ihm gehabt, und obgleich dieser streitähnliche Wort-wechsel sich sogleich fortsetzen sollte.
Settembrini ging nämlich jetzt dazu über, Herrn Naphta Er-läuterungen über die Vettern zu geben, 'wobei sich übrigens zeigte, daß er ihm schon früher von ihnen erzählt hatte. Dies sei also der junge Ingenieur mit den drei Wochen, bei dem Hofrat Behrens eine feuchte Stelle gefunden habe, sagte er, und dies hier jene Hoffnung der preußischen Heeresorganisation, Leut-nant Ziemßen. Und er sprach von Joachims Gemütsempörung und Reiseplänen, um hinzuzufügen, daß man dem Ingenieur zweifellos zu nahe treten würde, wenn man ihm nicht dieselbe Ungeduld zuschiebe, zur Arbeit zurückzukehren.
Naphta verzog das Gesicht. Er sagte:
"Die Herren haben da einen beredten Vormund. Ich hüte mich, zu bezweifeln, daß er Ihre Gedanken und Wünsche zu-treffend verdolmetscht. Arbeit, Arbeit – , ich bitte, gleich wird er mich einen Feind der Menschheit schelten, einen inimicus hu-manae naturae, wenn ich es wage, an Zeiten zu erinnern, wo er mit dieser Fanfare den gewohnten Effekt durchaus nicht erzielt hätte, nämlich an Zeiten, wo das Gegenteil seines Ideals in un-vergleichlich höheren Ehren stand. Bernhard von Clairvaux et-wa lehrte eine andere Stufenfolge der Vollkommenheit, als Herr Lodovico sie sich je hat träumen lassen. Wollen Sie wis-sen, welche? Sein unterster Stand befindet sich in der 'Mühle', der zweite auf dem 'Acker', der dritte und lobenswerteste aber – hören Sie nicht zu, Settembrini – , 'auf dem Ruhebett'. Die Mühle, das ist das Sinnbild des Weltlebens, – nicht schlecht ge-wählt. Der Acker bedeutet die Seele des weltlichen Menschen, darauf der Prediger und geistliche Lehrer wirkt. Diese Stufe ist schon würdiger. Auf dem Bette aber –"
"Genug! Wir wissen!" rief Settembrini. "Meine Herren, jetzt wird er Ihnen Zweck und Gebrauch des Lotterbettes vor Augen führen!"
"Ich wußte nicht, daß Sie prüde sind, Lodovico. Wenn man Sie den Mädchen zuzwinkern sieht … Wo bleibt die heidnische Unbefangenheit? Das Bett also ist der Ort der Beiwoh-nung des Minnenden mit dem Gemeinten und als Symbolum die beschauliche Abgeschiedenheit von Welt und Kreatur zum Zwecke der Beiwohnung mit Gott."
"Puh! Andate, andate!" wehrte der Italiener fast weinend ab. Man lachte. Dann aber fuhr Settembrini mit Würde fort:
"Ah, nein, ich bin Europäer, Okzidentale. Ihre Rangordnung da ist reiner Orient. Der Osten verabscheut die Tätigkeit. Lao-Tse lehrte, daß Nichtstun förderlicher sei, als jedes Ding zwi-schen Himmel und Erde. Wenn alle Menschen aufgehört haben würden, zu tun, werde vollkommene Ruhe und Glückseligkeit auf Erden herrschen. Da haben Sie Ihre Beiwohnung."
"Was Sie nicht sagen. Und die abendländische Mystik? Und der Quietismus, der Fénélon zu den Seinen zählen darf, und der lehrte, daß jedes Handeln fehlerhaft sei, da tätig sein zu wollen, Gott beleidigen heiße, der allein handeln wolle? Ich zitiere die Propositionen von Molinos. Es scheint doch, daß die geistige Möglichkeit, das Heil in der Ruhe zu finden, allgemeine menschliche Verbreitung besitzt."
Hier griff Hans Castorp ein. Mit dem Mut der Einfalt misch-te er sich ins Gespräch und äußerte ins Leere blickend:
"Beschaulichkeit, Abgeschiedenheit. Es hat was für sich, es läßt sich hören. Wir leben ja ziemlich hochgradig abgeschieden, wir hier oben, das kann man sagen. Fünftausend Fuß hoch lie-gen wir auf unseren Stühlen, die auffallend bequem sind, und sehen auf die Welt und Kreatur hinunter und machen uns unse-re Gedanken. Wenn ich mir's überlege und soll die Wahrheit sagen, so hat das Bett, ich meine damit den Liegestuhl, verste-hen Sie wohl, mich in zehn Monaten mehr gefördert und mich auf mehr Gedanken gebracht, als die Mühle im Flachlande all die Jahre her, das ist nicht zu leugnen."
Settembrini sah ihn mit traurig schimmernden schwarzen Augen an. "Ingenieur", sagte er gepreßt, "Ingenieur!" Und er nahm Hans Castorp am Arm und hielt ihn ein wenig zurück, gleichsam um hinter dem Rücken der anderen privatim auf ihn einzureden.
"Wie oft habe ich Ihnen gesagt, daß man wissen sollte, was man ist, und denken, wie es einem zukommt! Sache des Abend-länders, trotz aller Propositionen, ist die Vernunft, die Analyse, die Tat und der Fortschritt, – nicht das Faulbett des Mönches!"
Naphta hatte zugehört. Er sprach nach hinten:
"Des Mönchs! Man dankt den Mönchen die Kultur des euro-päischen Bodens! Man dankt ihnen, daß Deutschland, Frank-reich und Italien nicht mit Wildwald und Ursümpfen bedeckt sind, sondern uns Korn, Obst und Wein bescheren! Die Mön-che, mein Herr, haben sehr wohl gearbeitet …"
"Ebbe, nun also!"
"Ich bitte. Die Arbeit des Religiösen war weder Selbstzweck, das heißt: Betäubungsmittel, noch lag ihr Sinn darin, die Welt zu fördern oder geschäftliche Vorteile zu erlangen. Sie war reine asketische Übung, Bestandteil der Bußdisziplin, Heilsmittel. Sie gewährte Schutz gegen das Fleisch, diente der Abtötung der Sinnlichkeit. Sie trug also – erlauben Sie mir, das festzustellen – völlig unsozialen Charakter. Sie war ungetrübtester religiöser Egoismus."
"Ich bin Ihnen für die Aufklärung sehr verbunden und freue mich, den Segen der Arbeit auch gegen den Willen des Men-schen sich bewähren zu sehen."
"Ja, gegen seine Absicht. Wir bemerken da – nichts Geringeres, als den Unterschied zwischen dem Nützlichen und dem Huma-nen."
"Ich bemerke vor allem mit Unmut, daß Sie schon wieder Weltentzweiung treiben."
"Ich bedauere, mir Ihr Mißfallen zugezogen zu haben, aber man muß die Dinge scheiden und ordnen und die Idee des Homo Dei von unreinen Bestandteilen freihalten. Ihr Italiener habt das Wechslergeschäft und die Banken erfunden; das verzeih' euch Gott. Aber die Engländer erfanden die ökonomistische Gesellschaftslehre, und das wird der Genius des Menschen ihnen niemals verzeihen."
"Ah, der Genius der Menschheit war auch in den großen ökonomischen Denkern jener Inseln lebendig! – Sie wollten sprechen, Ingenieur?"
Das leugnete Hans Castorp, sagte aber dennoch – und Naphta sowohl wie Settembrini hörten ihm mit einer gewissen Span-nung zu:
"An dem Beruf meines Vetters müssen Sie demnach Gefallen haben, Herr Naphta, und einverstanden sein mit seiner Unge-duld, ihn zu ergreifen … Ich bin ja Zivilist durch und durch, mein Vetter macht es mir öfters zum Vorwurf. Ich habe nicht mal gedient und bin ganz ausgesprochen ein Kind des Friedens und habe sogar schon manchmal gedacht, daß ich sehr gut auch Geistlicher hätte werden können, – fragen Sie meinen Vetter, ich habe verschiedentlich so was geäußert. Aber wenn ich von meinen persönlichen Neigungen absehe – und vielleicht brauch' ich, genau genommen, gar nicht so ganz davon abzuse-hen – , so habe ich eine Menge Verständnis und Neigung für den militärischen Stand. Es hat ja eine verteufelt ernsthafte Be-wandtnis damit, eine 'asketische', wenn Sie wollen – Sie waren vorhin so freundlich, den Ausdruck irgendwie zu gebrauchen – , und immer muß er damit rechnen, es mit dem Tode zu tun zu bekommen, – mit dem ja letzten Endes auch der geistliche Stand es zu tun hat, – womit denn sonst. Daher hat der Solda-tenstand die bienséance und die Rangordnung und den Gehor-sam und die spanische Ehre, wenn ich so sagen darf, und es ist ziemlich gleich, ob er einen steifen Uniformkragen trägt oder eine gestärkte Halskrause, es kommt auf dasselbe hinaus, auf das 'Asketische', wie Sie vorhin so hervorragend sich ausdrück-ten … Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, Ihnen meinen Gedankengang …"
"Doch, doch", sagte Naphta und warf einen Blick zu Settembrini hinüber, der seinen Stock drehte und den Himmel be-trachtete.
"Und darum meine ich", fuhr Hans Castorp fort, "daß die Neigungen meines Vetters Ziemßen Ihnen sympathisch sein müßten, nach allem, was Sie sagen. Ich denke da nicht an 'Thron und Altar' und solche Verbindungen, womit manche Leute, so schlechthin ordnungsliebende und einfach bloß wohl-gesinnte Leute, die Zusammengehörigkeit manchmal rechtferti-gen. Sondern ich denke daran, daß die Arbeit des Soldatenstan-des, das heißt der Dienst – in diesem Falle spricht man von Dienst – absolut nicht um geschäftlicher Vorteile willen ge-schieht und zur "ökonomischen Gesellschaftslehre', wie Sie sag-ten, gar keine Beziehungen hat, weshalb denn auch die Engländer nur wenig Soldaten haben, ein paar für Indien und ein paar zu Hause für die Parade …"
"Es ist zwecklos, daß Sie fortfahren, Ingenieur", unterbrach ihn Settembrini. "Die soldatische Existenz – ich sage das, ohne unseren Leutnant zu nahe treten zu wollen – ist geistig indiskutabel, denn sie ist rein formal, an und für sich ohne Inhalt, der Grundtypus des Soldaten ist der Landsknecht, der sich für diese oder auch jene Sache anwerben ließ, – kurzum, es gab den Soldaten der spanischen Gegenreformation, den Soldaten der Re-volutionsheere, den napoleonischen, den Garibaldis, es gibt den preußischen. Lassen Sie mich über den Soldaten reden, wenn ich weiß, wofür er sich schlägt!"
"Daß er sich schlägt", versetzte Naphta, "bleibt immerhin ei-ne greifbare Eigentümlichkeit seines Standes, lassen wir das gut sein. Es ist möglich, daß sie nicht hinreicht, diesen Stand in Ih-rem Sinne 'geistig diskutabel' zu machen, aber sie rückt ihn in eine Sphäre, worein bürgerlicher Lebensbejahung jeder Einblick verwehrt ist."
"Was Sie bürgerliche Lebensbejahung zu nennen belieben", entgegnete Herr Settembrini mit dem vorderen Teil der Lippen, während seine Mundwinkel unter dem geschwungenen Schnurrbart sich straff in die Breite zogen und sein Hals sich auf ganz eigentümliche Art schräg und ruckweise aus dem Kragen herausschraubte, "wird immer bereit gefunden werden, für die Ideen der Vernunft und der Sittlichkeit und für ihren rechtmä-ßigen Einfluß auf junge schwankende Seelen in jeder beliebi-gen Form einzutreten."
Ein Schweigen folgte. Die jungen Leute blickten betroffen vor sich hin. Nach einigen Schritten sagte Settembrini, der Kopf und Hals wieder in natürliche Stellung gebracht hatte:
"Sie dürfen sich nicht wundern, dieser Herr und ich, wir zan-ken uns oft, aber es geschieht in aller Freundschaft und auf Grund manchen Einverständnisses."
Das tat wohl. Es war ritterlich und human von Herrn Settembrini. Aber Joachim, der es ebenfalls gut meinte und das Gespräch harmlos fortzuführen gedachte, sagte trotzdem, als stünde er unter irgendeinem Druck und Zwang, und gleichsam gegen seinen Willen: "Zufällig sprachen wir vom Kriege, mein Vetter und ich, vorhin, als wir hinter Ihnen gingen."
"Das hörte ich", antwortete Naphta. "Ich fing das Wort auf und sah mich um. Politisieren Sie? Erörterten Sie die Weltlage?"
"Oh, nein", lachte Hans Castorp. "Wie sollten wir dazu wohl kommen! Für meinen Vetter hier wäre es von Berufs wegen ge-radezu unpassend, sich um Politik zu kümmern, und ich ver-zichte freiwillig darauf, verstehe gar nichts davon. Seit ich hier bin, habe ich noch nicht einmal eine Zeitung in der Hand ge-habt …"
Settembrini fand das, wie früher schon einmal, tadelnswert. Er zeigte sich sofort aufs beste unterrichtet über die großen Ver-hältnisse und beurteilte sie beifällig insofern, als die Dinge einen der Zivilisation günstigen Verlauf nähmen. Die europäische Gesamtatmosphäre sei von Friedensgedanken, von Abrüstungs-plänen erfüllt. Die demokratische Idee marschiere. Er erklärte, vertrauliche Informationen zu besitzen, dahingehend, das Jung-türkentum beende soeben seine Vorbereitungen zu grundstür-zenden Unternehmungen. Die Türkei als National – und Verfas-sungsstaat, – welch ein Triumph der Menschlichkeit!
"Liberalisierung des Islam", spottete Naphta. "Vorzüglich. Der aufgeklärte Fanatismus, – sehr gut. Übrigens geht das Sie an", wandte er sich an Joachim. "Wenn Abdul Hamid fällt, ist es mit Ihrem Einfluß in der Türkei zu Ende, und England wirft sich zum Protektor auf… Sie müssen die Verbindungen und Informationen unseres Settembrini durchaus ernst nehmen", sagte er zu beiden Vettern, und auch dies klang impertinent, da er sie für geneigt zu halten schien, Herrn Settembrini nicht ernst zu nehmen. "In national-revolutionären Dingen weiß er Bescheid. Bei ihm zu Hause unterhält man gute Beziehungen zum englischen Balkankomitee. Was wird aber aus den Abma-chungen von Reval, Lodovico, wenn Ihre Fortschrittstürken Glück haben? Eduard der Siebente wird den Russen die Öff-nung der Dardanellen nicht mehr zugestehen können, und wenn Österreich sich trotzdem zu einer aktiven Balkanpolitik aufrafft, so …"
"Mit Ihrer Katastrophenprophetie!" wehrte Settembrini ab. "Nikolaus liebt den Frieden. Man verdankt ihm die Konferenzen im Haag, die moralische Tatsachen ersten Ranges bleiben."
"Ei, Rußland mußte sich nach seinem kleinen Mißgeschick im Osten noch etwas Erholung gönnen!"
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