»Mir war es weniger komisch als peinlich. Ich bin nun einmal so, daß ich Scherze nicht recht verstehen kann.« Sie sagte es hart und abschließend, fast wie gereizt.
Dann stellte sich wieder ein Schweigen zwischen beide. Aber es war keine selige Stille vereinten Genießens mehr, wie früher, kein sympathetisches Ahnen und Erfassen der ungeborenen Empfindung, sondern ein schweres und dunkles Schweigen, das ein Verschweigen war von irgend etwas Drohendem und Drängendem. Und sie hatte plötzlich Angst vor ihrer Liebe, daß sie auch so schmerzhaft und verzehrend werden sollte wie jedes Glück, das ihr begegnet war, wie die wehmütigen und leisen Bücher, über denen sie weinte, und die doch ihr liebstes waren und wie die brennenden Wellen der Tonfluten in Tristan und Isolde, die ihr höchste Seligkeit bedeuteten und sie doch quälten wie ein Schmerz. Das Schweigen drückte sie immer mehr und mehr und wurde wie ein dunkler, schwerer Nebel, der sich schmerzhaft auf ihre Augen legte. Allmählich befreite sie sich erst aus ihrer Bangigkeit. Sie wollte ein Ende machen, ihn klar und offen fragen.
»Mir ist so, als wollten Sie mir etwas verschweigen. Was ist Ihnen?«
Einen Moment blieb er ruhig. Dann sah er sie an mit dunklen, unbeweglichen Augensternen. Er überlegte und sah sie nochmals an, tiefer und sicherer, und seine Stimme klang seltsam voll und melodisch.
»Ich habe es lange nicht gewußt. Seit kurzem weiß ich es erst. Ich – sehne mich nach Ihnen.«
Erika erbebte. Sie hatte die Augen zu Boden gerichtet, aber sie spürte, daß er sie ansehe, tief, fragend, durchdringend. Sie dachte nun an das letzte Mal, wie sie bei ihm war und er sie geküßt hatte. Sie hatte ihm damals nichts gesagt, aber ihr Herz war ungestüm erwacht, sie wußte nicht, ob in Zorn oder Scham. Und das Bangen hatte sie erfaßt, das sie sonst spürte, wenn er so glühende und leidenschaftliche Lieder spielte, jenes selige Grauen mit Abgründen und Seligkeiten ohne Ende. Was sollte jetzt kommen? O Gott, o Gott!.... Sie fühlte, daß er weitersprechen würde und sehnte sich danach und fürchtete sich doch. Sie wollte es nicht hören. Sie wollte die Felder sehen, ja, den Abend, den herrlichen Abend. Nur nichts hören, nichts hören. Nur die Stadt ansehen mit ihrem dunklen Nebel, die Stadt und die Felder. Und die Wolken da oben.... Die Wolken, wie sie rasch am Himmel segelten! Ganz wenige waren noch oben. Eins … zwei … drei … vier … fünf … ja fünf Wolken.... Nein! Nur vier waren es!..... Vier.....
Aber da begann er zu sprechen.
»Ich habe lange Angst gehabt vor meiner Leidenschaft, Erika! Ich habe immer geahnt, daß sie kommen werde und habe es nie glauben wollen. Nun ist sie da. Ich weiß es, seitdem Sie das letzte Mal bei mir waren, seit gestern.«
Einen Moment schwieg er und holte Atem aus tiefster Brust.
»Und – das macht mich traurig, unendlich traurig. Ich weiß, daß ich Sie nicht heiraten kann, ich weiß, es würde mich meine Kunst kosten. Das kann kein Fremder verstehen – Sie werden es verstehen, meine liebe, liebe Erika. Nur ein Künstler kann das verstehen, und Sie haben eine reiche, unendlich reiche Künstlerseele. Und Sie sind auch klug. Wir können nicht mehr weiter so zusammen verkehren .... es muß ein Ende gemacht werden…«
Er hielt inne. Erika fühlte, daß er noch nicht zu Ende war. Am liebsten wäre sie vor ihm bettelnd hingesunken und hätte ihn gebeten, jetzt nicht weiter zu sprechen. – Sie wollte jetzt nichts hören, nichts verstehen. – Nein, sie wollte nicht.... Und angstvoll begann sie wieder die Wolken zu zählen.... Aber die waren schon weg.... Nein, dort war noch eine.... Eine, die letzte, rosig überhaucht wie ein stolzer Schwan, der den dunklen Strom hinabsegelt.... Wieso fiel ihr das Bild ein? Sie wußte es nicht.... Ihre Gedanken wurden immer wirrer. Sie fühlte nur, daß sie bloß an die Wolke denken wollte.... Die zog jetzt fort, ja sie zog fort über den Berg hin.... Sie spürte, wie ihr ganzes Herz an ihr hing, wie sie sie am liebsten mit ausgestreckten Händen gehalten hätte, aber sie ging … sie lief, lief schneller, immer schneller.... Und jetzt – jetzt war sie verschwunden.... Und Erika hörte nun wieder klar und unabänderlich seine Worte, unter denen ihr Herz in blinder Angst erbebte.
»Ich weiß nicht, ob du mich so ganz kennst. Ich glaube nicht, ich meine immer, daß du mich überschätzt. Ich bin kein großer Mensch, ich bin keiner von denen, die .... die über dem Leben stehen in ihrer sicheren Selbstgenügsamkeit. Ich wollte, ich wäre so, aber ich bin es nicht. Ich klebe am Leben, ich bin nicht eben viel mehr als einer, der das begehrt, was er liebt. Ich bin nur so, wie alle Männer sind, ich verehre nicht nur die Frau, wenn ich sie liebe, ich .... verlange sie auch..... Und .... mit Fremden will ich dich nicht betrügen. Ich will nicht, daß du mich verachtest. Du bist mir zu lieb dazu…«
Erika war blaß geworden. Nun erst verstand sie, was er meinte, und sie wunderte sich, daß sie nicht früher daran gedacht. Mit einem Male war sie wieder ruhig geworden. Es war alles gekommen, wie es kommen mußte.
Sie wollte ablehnend sprechen, aber sie vermochte es nicht. Das sanfte "du" seiner Rede hatte sie eigentümlich überwältigt mit seiner liebevollen Innigkeit. Sie verspürte wieder, wie sie ihn liebte; das Bewußtsein kam ihr plötzlich, wie ein vergessenes Wort, das wiederkehrt. Und sie fühlte auch, wie schwer sie ihn verlieren könnte, wie viel geheime Kräfte sie mit ihm verbanden. Wie ein Traum war ihr alles....
Er sprach weiter, und seine Stimme wurde mild wie eine Liebkosung. Sie fühlte seine Hand in ihren zärtlichen Fingern.
»Ich weiß nicht, ob du mich geliebt hast, ob du mich so geliebt hast, wie ich dich jetzt. Mit der letzten Hingabe und mit dem grenzenlosen Vergessen an alle Kleinlichkeiten, mit jener heiligsten Liebe, die nur schenken und nichts verweigern kann. Und ich glaube nur an die Liebe, die Opfer bringt um ihrer selbst willen.... Aber nun ist alles zu Ende. Und ich habe dich darum nicht minder lieb…«
Erika war wie von einem Rausch befangen. Ein sanfter Schauer überlief sie. Sie wußte nur, daß sie ihn verlieren sollte und nicht konnte. Und daß sie hoch über dem Leben stand. Alles war so fern, so weit. Abendstille lag über den Tälern und sanfte Feierlichkeit, die Stadt war fern und ihr Gebrause und alles, was an Wirklichkeit erinnerte. Sie fühlte sich in sonnigen Höhen, weit, weit oben über alle Häßlichkeit und Kleinlichkeit mit ihrer opferfreudigen, freien und spendenden Liebe, mit ihrer seligen Macht des Glückverschenkens. Keine Gedanken, kein kluges, rechnendes Besinnen war mehr in ihr, nur Gefühle, jauchzende, überströmende Gefühle, wie sie sie nie gespürt. Die Stimmung überwältigte sie und ihr eigenstes Wollen. Und so sagte sie leise und schlicht:
»Ich habe niemanden auf der Welt als dich. Und dich will ich glücklich machen.«
Alle Scham war von ihr gewichen, wie sie zu ihm sprach. Sie wußte nur, daß sie mit einem Worte viel, viel Glück verschenken konnte und sah nur seine leuchtenden Augen und ihren dankbaren Glanz.
Und er beugte sich nieder und küßte mit stiller Ehrfurcht ihren Mund.
»Ich habe nie an dir gezweifelt.«
Und dann gingen sie den Weg hinab, der Stadt, nach Hause zu.
Langsam kamen sie wieder in die dunkle, tagesmüde Stadt, und es war Erika, als stiege sie von den leuchtenden Firnen eines seligen Traumes ins harte, kalte und unerbittliche Leben nieder. Mit fremden und ängstlichen Blicken trat sie in die nebelfeuchten Vorstadtgassen, die vom häßlichen und aufdringlichen Lärm und Dunst erfüllt waren; und ein Gefühl schmerzhafter Öde senkte sich auf sie herab. Sie fühlte sich bedrückt von den rauchigen Häusern, die sich dunkel über ihr zueinander drängten, ein finsteres Symbol des Alltagslebens, das sich mit rücksichtsloser, drohender Gewalt in ihr Schicksal preßte, um es zu zermalmen.
Sie erschrak beinahe, als er sie plötzlich mit einem Liebeswort ansprach, und sie erstaunte, daß sie die zärtlichen Minuten und ihr Versprechen beinahe vergessen hatte. Wie fremd ihr alles hier plötzlich geworden war in dieser dumpfen, beengenden Umgebung, was ihr früher die jähe Impulsivkraft einer Rauschstimmung entlockt hatte. Sie sah ihn an, ganz vorsichtig von der Seite. Seine Stirne war kraftvoll gefaltet, und um den Mund lag die Ruhe eines Selbstsicheren, alles war unbeugsame und selbstgefällige Männlichkeit in seinem Gesichtsausdruck. Nirgends die sanfte Melancholie, die sonst seine Kräfte in eine schöne Harmonie bannte, nur triumphierende Härte, die vielleicht eine lauernde Sinnlichkeit war. Langsam wandte Erika den Blick. – Noch nie war er ihr so fremd und so ferne gewesen wie in diesem Augenblick.
Und plötzlich hatte sie Angst, tolle, unbändige Angst! Mit einem Male wachten tausend erschreckte Stimmen in ihr auf, die warnten und lärmten und sich selbst überschrieen. Was sollte jetzt kommen? Sie fühlte es nur dunkel, denn sie wagte es nicht auszudenken. Alles empörte sich in ihr gegen das Versprechen, das ihr eine Minute der Schwäche entrissen hatte, und ihre heiße Scham brannte wie eine Wunde. Sie war nie sinnlich gewesen, das spürte sie nun in allen Tiefen ihres Herzens, sie hatte kein Begehren nach einem Manne, nur Abscheu vor der brutalen, zwingenden Macht. Nur Ekel empfand sie in diesem Augenblick, und alles verfinsterte sich vor ihren Blicken und bekam eine häßliche und niedrige Bedeutung; der leise Armdruck, den sie fühlte, die Liebespaare, die im Nebel auftauchten und sich wieder verloren, jeder zufällige Blick, der sie im Vorübergehen traf. Deutlich und zornig klopfte ihr Blut an den schmerzenden Schläfen.
Mit einem Male ward ihr die tiefe Schmerzlichkeit ihrer Liebe bewußt, die unter den Enttäuschungen bebte, wie unter züchtigenden Schlägen. Was immer geschehen war, mußte wieder Erlebnis werden. Die Sinnlichkeit des Mannes mordete die sanfte Liebe des Mädchens und ihre heiligsten Schauer. Das Glück, das wie schimmernde Abendwolken über dem Dunkel gehangen, war nun zerbrochen, und die Nacht begann aufzusteigen schwarz und schwer mit drohender, leidvoller Stille und unbarmherzigem Schweigen....
Ihre Füße wollten kaum weiter. Sie merkte, daß er den Weg gegen seine Wohnung nahm, und dieses Bewußtsein betäubte sie. Sie wollte ihm alles sagen: wie ihre Liebe ganz anders sei als die seine, wie sie nur das Versprechen gegeben im Banne einer Stimmung, der ihr nervöses Empfinden unterlegen, und wie sich alles in ihr aufbäume gegen diese vorbesprochene Liebesszene. Aber die Worte fanden keine Laute, nur finstere und drängende Empfindungen, die ihre Seele quälten und marterten, ohne sie zu befreien. Dunkle und bange Erinnerungen streiften sie wie mit schwarzschattenden Schwingen. Und eine kam immer wieder, eine seltsame und doch so alltägliche Geschichte von einem Mädchen, die mit ihr zur Schule gegangen war. Die hatte sich einem Manne hingegeben, und als er sie verließ, aus Rache und Zorn einem andern und dann wiederum andern – sie wußte selbst nicht mehr, warum. Und Erika erschauerte immer, wenn sie an dieses Mädchen dachte, durch deren Leben die Liebe gegangen war wie ein dunkler Wettersturm; und das gewaltsame Widerstreben in ihr war mehr als die erste Scham eines unbefleckten Mädchens, das vor dem unbekannten Geschehen bangt, es war die schöne Schwäche einer zarten und schwächlich-scheuen Seele, die das laute Leben fürchtet und seine brutale Häßlichkeit.
Aber das Schweigen blieb kalt und scheidend zwischen den beiden, die nebeneinander hergingen, Arm in Arm. Gern wollte Erika den ihren losmachen, aber es war, als hätten ihre Glieder jede Bewegungsfähigkeit verloren, nur die Füße schoben sich in traumhafter Gleichförmigkeit nach vorwärts. Und ihre Gedanken wurden immer wirrer und schossen durcheinander wie glühende Pfeile, die sich mit feinen brennenden Widerhaken in ihrem Gehirn festbohrten. Und darüber legte sich immer dichter die schwarze Wolke der kraftlosen Furcht und der verzweifelten Ergebung. Ein Gebet wagte sich immer wieder auf ihre Lippen, daß jetzt plötzlich alles vorbei sein sollte, ein großes, dunkles, schmerzloses Nichts, ein Nichtfühlen und Nichtmehrdenkenmüssen, ein Aufhören, jäh und unvermittelt, wie das Erwachen, das aus einem bösen Traum befreit.....
Plötzlich blieb er stehen.
Sie fuhr auf und erschrak. Sie waren vor dem Hause, in dem er wohnte. Eine Minute blieb ihr Herz ohne Schlag, ruhig, ganz unbeweglich. Aber dann begann es wieder zu pochen, hastig und wild, mit hämmernder Angst und steigender Schnelligkeit.
Er sagte ihr ein paar Worte, liebe süße Worte. Sie hatte ihn beinahe wieder gern in diesem Augenblick, so herzlich und feinfühlig sprach er zu ihr. Aber als er ihren Arm fester erfaßte und ihren widerstandslosen Körper mit sanfter Zärtlichkeit drängte, da kam wieder die alte dunkle Angst, und sie war betäubender und furchtbarer denn je. Es war ihr so, als müßte plötzlich in ihr die Stimme freigebunden werden und laut ihn betteln und bitten, daß er sie freigebe, aber ihre Kehle blieb stumm und verschlossen. Halb bewußtlos ging sie an seinem Arm durch das große, düstere Tor, jenen Schmerz des Unabwendbaren in der Seele, der so tief ist, daß man ihn nicht mehr als Leid empfindet.
Eine dunkle Wendeltreppe gingen sie hinauf. Sie fühlte die kalte, muffige Kellerluft und sah die gelben, zitternden Gaslichter, die im kühlen Hauche bebten. Jede Stufe spürte sie, alle diese Bilder glitten an ihr vorüber, wie die Vorstellungen knapp vor dem Einschlafen, flüchtig und doch scharf, tief eindringend und doch wieder verfliegend im nächsten Augenblicke.
Nun standen sie in einem Gang. Sie wußte es, vor seiner Tür....
Er ging voraus und ließ ihren Arm.
»Einen Augenblick, Erika, ich will nur Licht machen.«
Sie hörte seine Stimme von innen, wie er hineinging und dort ein Licht anzündete. Der Augenblick gab ihr Mut und Erwachen. Die Furcht kam plötzlich über sie wie ein Fieberschauer, der die krampfhafte Starre löste. Und blitzschnell stürmte sie wieder die Treppe hinab, ohne in ihrer wahnsinnigen Eile auf die Stufen zu achten, rasch, nur rasch vorwärts. Ihr war noch, als ob sie seine Stimme von oben hörte, aber sie wollte gar nicht mehr zur Besinnung kommen, sondern lief und lief, ohne innezuhalten, immer vorwärts. Eine wilde Angst war in ihr erwacht, daß er ihr nachfolgen könne und eine Angst vor ihr selbst, sie möchte zu ihm zurückkehren. Und erst, als sie mehrere Straßen weit war und plötzlich sich in einer fremden Gegend sah, blieb sie mit einem tiefen Seufzer stehen, um dann langsam der Richtung ihrer Wohnung zuzuschreiten.
Es gibt leere, inhaltslose Stunden, die Schicksal in sich bergen. Sie steigen auf wie dunkle gleichgültige Wolken, die kommen, um sich wieder zu verlieren, aber sie bleiben hartnäckig und trotzig. Und wie ein schwarzer, steigender Rauch lösen sie sich auf, werden ferner und breiter, bis sie schließlich mit mattem, schwermütigem Grau unbeweglich über dem Leben schweben, ein Schatten, der sich unabwendbar und eifersüchtig an die Minute heftet und immer wieder seine drohende Faust erhebt.
Erika lag auf dem Sofa in ihrem dunkel heimlichen Zimmer, den Kopf in die Kissen gepreßt und weinte. Sie fand keine Tränen, aber sie spürte sie in sich verfließen, heiß, quellend und anklagend, und manchmal lief der jähe Schauer eines Schluchzens über ihren Körper. Sie fühlte, wie ihr diese schmerzvollen Minuten Erlebnis wurden, wie mit der ersten großen Enttäuschung sich das Leid tief in ihre Seele einsog, die sich ihm ahnungslos erschloß. Eigentlich bebte der Triumph in ihrem Herzen, daß ihr die Flucht gelungen war, noch im letzten entscheidenden Augenblicke, aber es wollte keine helle, blinkende Freude und kein Jubel werden, sondern blieb stumm wie ein Schmerz. Denn es gibt Naturen, in denen alle großen Ereignisse und alle überragenden Geschehnisse mit der allgemeinen Erschütterung der Seele auch die vorklingende dumpfe Saite einer verborgenen Schmerzlichkeit und innigen Melancholie anschlagen, deren Klingen so laut und drängend wird, daß alle anderen Stimmungen sich selbstlos in ihr auflösen. Und so war die Erika Ewald. Sie trauerte um ihre Liebe, die jung und schön gewesen war, wie ein spielendes Kind, das sich im Leben verliert. Und Scham war in ihr, heiße brennende Scham, daß sie entflohen war wie ein stummes hilfloses Wesen, statt ehrlich zu sein und zu ihm zu sprechen, kühl und mit herbem Stolz, dem er sich hätte fügen müssen. Und sie dachte an ihn und ihre Liebe mit einem seligen Schmerz und einer heißen Ängstlichkeit, und alle Bilder kamen wieder und wirrten durcheinander, aber sie waren nicht mehr hell und froh, sondern dunkel beschattet von der Wehmut der Erinnerung.
Draußen ging eine Türe. Sie erschrak jäh und unvermittelt. Ängstlich horchte sie jedem Geräusch und suchte sich jede leise Klangerregung zu deuten in einem unbestimmten Gedanken, den sie nicht recht zu denken wagte.
Da trat ihre Schwester ein.
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