Читать книгу «Homo Faber / Хомо Фабер. Книга для чтения на немецком языке» онлайн полностью📖 — Макса Фриша — MyBook.
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Und wörtlich: Wenn du dein Kind haben willst, dann müssen wir natürlich heiraten. Später ihr Vorwurf, dass ich von Müssen gesprochen habe! Ich fragte offen heraus: Willst du heiraten, ja oder nein? Sie schüttelte den Kopf, und ich wusste nicht, woran ich bin. Ich besprach mich viel mit Joachim, während wir unser Schach spielten; Joachim unterrichtete mich über das Medizinische, was bekanntlich kein Problem ist, dann über das Juristische, bekanntlich auch kein Problem, wenn man sich die erforderlichen Gutachten zu verschaffen weiß, und dann stopfte er seine Pfeife, Blick auf unser Schach, denn Joachim war grundsätzlich gegen Ratschläge. Seine Hilfe (er war Mediziner im Staatsexamen) hatte er zugesagt, falls wir, das Mädchen und ich, seine Hilfe verlangen. Ich war ihm sehr dankbar, etwas verlegen, aber froh, dass er keine große Geschichte draus machte; er sagte bloß: Du bist am Zug! Ich meldete Hanna, dass alles kein Problem ist. Es war Hanna, die plötzlich Schluss machen wollte; sie packte ihre Koffer, plötzlich ihre wahnsinnige Idee, nach München zurückzukehren. Ich stellte mich vor sie, um sie zur Vernunft zu bringen; ihr einziges Wort: Schluss! Ich hatte gesagt: Dein Kind, statt zu sagen: Unser Kind. Das war es, was mir Hanna nicht verzeihen konnte.

Die Strecke zwischen Palenque und der Plantage, in der Luftlinie gemessen, beträgt kaum siebzig Meilen, sagen wir: hundert Meilen zum Fahren, eine Bagatelle, hätte es so etwas wie eine Straße gegeben, was natürlich nicht der Fall war; die einzige Straße, die in unsrer Richtung führte, endete bereits bei den Ruinen, sie verliert sich einfach in Moos und Farnkraut —

Immerhin kamen wir voran.

37 Meilen am ersten Tag.

Wir wechselten am Steuer.

19 Meilen am zweiten Tag.

Wir fuhren einfach nach Himmelsrichtung, dabei natürlich im Zickzack, wo es uns durchließ, das Dickicht, das übrigens nicht so lückenlos ist, wie es aus der Ferne aussieht; überall gab es wieder Lichtungen, sogar Herden, aber ohne Hirten, zum Glück keine größeren Sümpfe.

Wetterleuchten —

Zum Regnen kam es nie.

Was mich nervös machte: das Scheppern unsrer Kanister, ich stoppte öfter und befestigte sie, aber nach einer halben Stunde unserer Fahrt über Wurzeln und faule Stämme schepperten sie wieder —

Marcel pfiff.

Obschon er hinten saß, wo es ihn hin und her schleuderte, pfiff er wie ein Bub und freute sich wie auf einer Schulreise, stundenlang sang er seine französischen Kinderlieder:

II était un petit navire…

Herbert wurde eher still.

Über Joachim redeten wir kaum —

Was Herbert nicht ertrug, waren die Zopilote; dabei tun sie uns, solange wir leben, überhaupt nichts, sie stinken nur, wie von Aasgeiern nicht anders zu erwarten, sie sind hässlich, und man trift sie stets in Scharen, sie lassen sich kaum verscheuchen, wenn einmal an der Arbeit, alles Hupen ist vergeblich, sie flattern bloß, hüpfen um das aufgerissene Aas, ohne es aufzugeben… Einmal, als Herbert am Steuer saß, packte ihn ein regelrechter Koller; plötzlich gab er Vollgas – los und hinein in die schwarze Meute, mitten hinein und hindurch, so dass es von schwarzen Federn nur so wirbelte!

Nachher hatte man es an den Rädern.

Der süßliche Gestank begleitete uns noch stundenlang, bis man sich überwand; das Zeug klebte in den Pneu-Rillen, und es half nichts als peinliche Handarbeit, Rille um Rille. – Zum Glück hatten wir Rum! – Ohne Rum, glaube ich, wären wir umgekehrt – spätestens am dritten Tag – nicht aus Angst, aber aus Vernunft.

Wir hatten keine Ahnung, wo wir sind.

Irgendwo am 18. Breitengrad…

Marcel sang, il était un petit navire, oder er schwatzte wieder die halbe Nacht lang: – von Cortez und Montezuma13 (das ging noch, weil historische Tatsache) und vom Untergang der weißen Rasse (es war einfach zu heiß und zu feucht, um zu widersprechen), vom katastrophalen Scheinsieg des abendländischen Technikers (Cortez als Techniker, weil er Schießpulver hatte!) über die indianische Seele und was weiß ich, ganze Vorträge über die unweigerliche Wiederkehr der alten Götter (nach Abwurf der H-Bombe!) und über das Aussterben des Todes (wörtlich!) dank Penicillin, über Rückzug der Seele aus sämtlichen zivilisierten Gebieten der Erde, die Seele im Maquis usw., Herbert erwachte an dem Wort Maquis, das er verstand, und fragte: Was sagt er? Ich sagte: Künstlerquatsch! und wir ließen ihm seine Theorie über Amerika, das keine Zukunft habe, The American Way of Life: Ein Versuch, das Leben zu kosmetisieren, aber das Leben lasse sich nicht kosmetisieren —

Ich versuchte zu schlafen.

Ich platzte nur, wenn Marcel sich über meine Tätigkeit äußerte, beziehungsweise über die Unesco: der Techniker als letzte Ausgabe des weißen Missionars, Industrialisierung als letztes Evangelium einer sterbenden Rasse, Lebensstandard als Ersatz für Lebenssinn —

Ich fragte ihn, ob er Kommunist sei.

Marcel bestritt es.

Am dritten Tag, als wir wieder durch Gebüsche fuhren, ohne eine Fährte zu haben, einfach Richtung Guatemala, hatte ich es satt —

Ich war für Umkehren.

„Weil es idiotisch ist“, sagte ich, „einfach aufs Geratewohl weiterzufahren, bis wir kein Gasoline mehr haben.“

Herbert holte seine Karte —

Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tümpel, in jeder Eintagspfütze ein Gewimmel von Molchen – überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung.

Wo man hinspuckt, keimt es!

Ich kannte sie, diese Karte 1: 500 000, die nicht einmal unter der Lupe etwas hergibt, nichts als weißes Papier: ein blaues Flüßchen, eine Landesgrenze schnurgerade, die Linie eines Breitengrades im leeren Weiß!… Ich war für Umkehren. Ich hatte keine Angst (wovor denn!), aber es hat-te keinen Sinn. Nur Herbert zuliebe fuhr man noch weiter, unglücklicherweise, denn kurz darauf kamen wir tatsächlich an einen Fluss, beziehungsweise ein Flussbett, das nichts anderes sein konnte als der Rio Usumacinta, Grenze zwischen Mexico und Guatemala, teilweise trocken, teilweise voll Wasser, das kaum zu fließen schien, nicht ohne weiteres zu überqueren, aber es musste Stellen geben, wo es auch ohne Brücke möglich ist, und Herbert ließ keine Ruhe, obschon ich baden wollte, er steuerte am Ufer entlang, bis die Stelle gefunden war, wo man überqueren konnte und wo auch Joachim (wie sich später herausstellte) überquert hatte.

Ich badete.

Marcel badete ebenfalls, und wir lagen rücklings im Wasser, Mund geschlossen, um nichts zu schlucken, es war ein trübes und warmes Wasser, das stank, jede Bewegung hinterlässt Bläschen, immerhin Wasser, lästig nur die zahllosen Libellen und Herbert, der weiter drängte, und der Gedanke, es könnte Schlangen geben.

Herbert blieb an Land.

Unser Landrover stand bis zur Achse in dem schlüpfrigen Mergel (oder was es ist), Herbert tankte —

Es wimmelte von Schmetterlingen.

Als ich einen rostigen Kanister im Wasser sah, was darauf schließen ließ, dass auch Joachim (wer sonst?) an dieser Stelle einmal getankt hatte, sagte ich kein Wort, sondern badete weiter, während Herbert versuchte, unseren Landrover aus dem schlüpfrigen Mergel zu steuern…

Ich war für Umkehren.

Ich blieb im Wasser, obschon es mich plötzlich ekelte, das Ungeziefer, die Bläschen auf dem braunen Wasser, das faule Blinken der Sonne, ein Himmel voll Gemüse, wenn man rücklings im Wasser lag und hinaufblickte, Wedel mit meterlangen Blättern, reglos, dazwischen Akazien-Filigran, Flechten, Luftwurzeln, reglos, ab und zu ein roter Vogel, der über den Fluss flog, sonst Totenstille (wenn Herbert nicht gerade Vollgas-Versuche machte —) unter einem weißlichen Himmel, die Sonne wie in Watte, klebrig und heiß, dunstig mit einem Regenbogenring.

Ich war für Umkehren.

„Weil es Unsinn ist“, sagte ich, „weil wir diese verfluchte Plantage nie finden werden —“

Ich war für Abstimmen.

Marcel war auch für Umkehren, da er seine Ferien zu Ende gehen sah, und es handelte sich, als Herbert es tatsächlich geschaft hatte und un-ser Landrover am anderen Ufer stand, nur noch darum, Herbert zu überzeugen von dem Unsinn, ohne jede Fährte weiterzufahren. Zuerst beschimpfte er mich, weil er meine Gründe nicht widerlegen konnte, dann schwieg er und hörte zu, und eigentlich hatte ich ihn soweit – wäre nicht Marcel gewesen, der dazwischenfunkte.

„Voilà“, rief er, „les traces d’une Nash!“

Wir nahmen’s für einen Witz.

„Mais regardez“, rief er, „sans blague —“

Die verkrusteten Spuren waren teilweise verschwemmt, so dass es auch Karrenspuren sein konnten; an andern Stellen, je nach Bodenart, erkannte man tatsächlich das Pneu-Muster.

Damit hatten wir die Fährte.

Sonst wäre ich nicht gefahren, wie gesagt, und es wäre (ich werde diesen Gedanken nicht los) alles anders gekommen —

Nun gab es kein Umkehren.

(Leider!)

Am Morgen des vierten Tages sahen wir zwei Indios, die übers Feld gingen mit gekrümmten Säbeln in der Hand, genau wie die beiden, die Herbert schon in Palenque gesehen und für Mörder gehalten hatte; ihre krummen Säbel waren nichts anderes als Sicheln.

Dann die ersten Tabakfelder —

Die Hoffnung, noch vor Einbruch der Nacht hinzukommen, machte uns nervöser als je, dazu die Hitze wie noch nie, ringsum Tabak, Gräben dazwischen, Menschenwerk, schnurgerade, aber nirgends ein Mensch.

Wir hatten wieder die Spur verloren —

Wieder die Suche nach Pneu-Muster!

Bald ging die Sonne unter; wir stellten uns auf unseren Landrover und pfiffen, die Finger im Mund, so laut wir konnten. Wir mussten in nächster Nähe sein. Wir pfiffen und hupten, während die Sonne bereits in den grünen Tabak sank – wie gedunsen, im Dunst wie eine Blase voll Blut, widerlich, wie eine Niere oder so etwas.

Ebenso der Mond.

Es fehlte nur noch, dass wir einander in der Dämmerung verloren, indem jeder, um Pneu-Spuren zu finden, irgendwohin stapfte. Wir verteilten uns auf Bezirke, die jeder abzuschreiten hatte. Wer etwas findet, was irgendwie nach Pneu aussieht, sollte pfeifen.

Nur die Vögel pfiffen —

Wir suchten noch bei Mondschein, bis Herbert auf die Zopilote stieß, Zopilote auf einem toten Esel – er schrie und fluchte und schleuderte Steine gegen die schwarzen Vögel, nicht abzuhalten in seiner Wut. Es war scheußlich. Die Augen des Esels waren ausgehackt, zwei rote Löcher, ebenso die Zunge; nun versuchten sie, während Herbert noch immer seine Steine schleuderte, die Därme aus dem After zu zerren.

Das war unsere vierte Nacht —

Zu trinken hatten wir nichts mehr.

Ich war todmüde, die Erde wie geheizt, ich hockte, meinen Kopf in die Hände gestützt, schwitzend im bläulichen Mondschein. Es sprühte von Leuchtkäfern.

Herbert ging auf und ab.

Nur Marcel schlief.

Einmal – ich hörte plötzlich keine Schritte mehr und blickte nach Herbert – stand er drüben beim toten Esel, ohne Steine zu werfen gegen die huschenden Vögel, er stand und sah es sich an.

Sie fraßen die ganze Nacht —

Als der Mond endlich in den Tabak sank, so dass der feuchte Dunst über den Feldern aufhörte, wie Milch zu erscheinen, schlief ich doch; aber nicht lange.

Schon wieder die Sonne!

Der Esel lag offen, die Zopilote waren satt und hockten auf den Bäumen ringsum, wie ausgestopft, als wir losfuhren ohne Weg; Herbert als Vertreter und Neffe der Hencke-Bosch GmbH., dem diese Felder gehörten, übernahm die Verant-wortung und das Steuer, nach wie vor wortlos, und fuhr mitten durch den Tabak, es war idiotisch, hinter uns die Bahnen von zerstörtem Tabak, aber es blieb uns nichts anderes übrig, da auf unser Hupen und Pfeifen, oft genug wiederholt, keinerlei Antwort erfolgte —

Die Sonne stieg.

Dann eine Gruppe von Indios, Angestellte der Hencke-Bosch GmbH, Düsseldorf, die uns sagten, ihr Senor sei tot. Ich musste übersetzen, da Herbert kein Spanisch verstand. Wieso tot? Sie zuckten ihre Achseln. Ihr Señor sei tot, sagten sie, und einer zeigte uns den Weg, indem er neben unserem Landrover herlief im indianischen Trabschritt.

Die andern arbeiteten weiter. Von Revolte also keine Rede!

Es war eine amerikanische Baracke, gedeckt mit Wellblech, und die einzige Türe war von innen verriegelt. Man hörte Radio. Wir riefen und klopften, Joachim sollte aufmachen.

„Nuestro Señor ha muerto —“

Ich holte den Schraubenschlüssel von unserem Landrover, und Herbert sprengte die Türe. Ich erkannte ihn nicht mehr. Zum Glück hatte er’s hinter geschlossenen Fenstern getan, Zopilote auf den Bäumen ringsum, Zopilote auf dem Dach, aber sie konnten nicht durch die Fenster. Man sah ihn durch die Fenster. Trotzdem gingen diese Indios täglich an ihre Arbeit und kamen nicht auf die Idee, die Türe zu sprengen und den Erhängten abzunehmen. – Er hatte es mit einem Draht gemacht. – Es wunderte mich, woher sein Radio, das wir sofort abstellten, den elektrischen Strom bezieht, aber das war jetzt nicht das Wichtigste —

Wir fotografierten und bestatteten ihn.

Die Indios (wie in meinem Bericht zuhanden des Verwaltungsrates bereits erwähnt) befolgten jede Anweisung von Herbert, obschon er damals noch kein Spanisch konnte, und anerkannten Herbert sofort als ihren nächsten Herrn… Ich opferte noch anderthalb Tage, um Herbert zu überzeugen, dass von Revolte nicht die Rede sein konnte, und dass sein Bruder einfach dieses Klima nicht ausgehalten hat, was ich verstand; ich weiß nicht, was Herbert sich in den Kopf setzte, er war nicht zu überreden, seinerseits entschlossen, das Klima auszuhalten. Wir mussten zurück. Herbert tat uns leid, aber ein Bleiben kam nicht in Frage, ganz abgesehen davon, dass es keinen Zweck hatte; Marcel musste auch in Boston an seine Arbeit, auch ich musste weiter, beziehungsweise zurück nach Palenque-Campeche-Mexico, um dann weiterzufliegen, ganz abgesehen davon, dass wir uns verpflichtet hatten, unseren Landrover spätestens in einer Woche dem freundlichen Lacroix-Wirt zurückzubringen. Ich musste zu meinen Turbinen. Ich weiß nicht, was Herbert sich vorstellte, Herbert konnte nicht einmal Spanisch, wie gesagt, und ich fand es unkameradschaftlich, geradezu unverantwortlich, ihn zurückzulassen als einzigen Weißen; wir beschworen ihn, aber vergeblich. Herbert hatte den Nash 55, den ich besichtigte; der Wagen stand in einer Indio-Hütte, nur mit einem Blätterdach gegen Regen geschützt, offensichtlich schon lange nicht mehr benutzt, verkratzt, verdreckt, aber fahrtüchtig. Ich untersuchte ihn persönlich. Damals war der Motor noch in Ordnung, wenn auch verschlammt; ich hatte den Motor probiert, und Gasoline war auch noch da. Sonst hätten wir Herbert, versteht sich, nicht allein zurückgelassen. Wir hatten einfach keine Zeit, Marcel so wenig wie ich; Marcel musste zu seinen Symphonikern, wir hatten schließlich auch unsere Berufe, ob Herbert es begriff oder nicht – er zuckte die Achsel, ohne zu widersprechen, und winkte kaum, als wir auf dem Landrover saßen, Marcel und ich, und nochmals auf ihn warteten; er schüttelte den Kopf. Obendrein sah es nach schweren Gewittern aus, wir mussten fahren, solange wir die eigene Spur noch hatten.

Es ist mir heute noch ein Rätsel, wieso Hanna und Joachim geheiratet und wieso sie mich, Vater des Kindes, nie haben wissen lassen, dass dieses Kind zur Welt gekommen ist.

Ich kann nur berichten, was ich weiß.

Es war die Zeit, als die jüdischen Pässe annulliert wurden. Ich hatte mir geschworen, Hanna keinesfalls im Stich zu lassen, und dabei blieb es. Joachim war bereit, Trauzeuge zu sein. Meinen bürgerlichen und besorgten Eltern war es auch recht, dass wir nicht eine Hochzeit mit Droschken und Klimbim wollten; nur Hanna machte sich immer noch Zweifel, ob es denn richtig wäre, dass wir heirateten, richtig für mich. Ich brachte unsere Papiere aufs zuständige Amt, unsere Eheverkündigung stand in der Zeitung. Auch im Fall einer Scheidung, so sagte ich mir, blieb Hanna jedenfalls Schweizerin und im Besitz eines Passes. Die Sache eilte, da ich meine Stelle in Bagdad anzutreten hatte. Es war ein Samstagvormittag, als wir endlich – nach einem komischen Frühstück bei meinen Eltern, die dann das Kirchengeläute doch vermissten! – endlich ins Stadthaus gingen, um die Trauung zu vollziehen. Es wimmelte von Hochzeiten wie üblich an Samstagen, daher die lange Warterei, wir saßen im Vorzimmer, alle im Straßenanzug, umgeben von weißen Bräuten und Bräutigams, die wie Kellner aussahen. Als Hanna gelegentlich hinausging, dachte ich nichts Schlimmes, man redete, man rauchte. Als endlich der Standesbeamte uns rief, war Hanna nicht da.

Wir suchten sie und fanden sie draußen an der Limmat, nicht zu bewegen, sie weigerte sich in das Trauzimmer zu kommen. Sie könne nicht! Ich redete ihr zu, ringsum das Elfuhrgeläute, ich bat Hanna, die Sache ganz sachlich zu nehmen; aber vergeblich. Sie schüttelte den Kopf und weinte. Ich heirate ja bloß, um zu beweisen, dass ich kein Antisemit sei, sagte sie, und es war einfach nichts zu machen. Die Woche darauf, meine letzte in Zürich, war abscheulich. Es war Hanna, die nicht heiraten wollte, und ich hatte keine Wahl, ich musste nach Bagdad, gemäß Vertrag. Hanna begleitete mich noch an die Bahn, und wir nahmen Abschied. Hanna hatte versprochen, nach meiner Abreise sofort zu Joachim zu gehen, der seine ärztliche Hilfe angeboten hatte, und in diesem Sinn nahmen wir Abschied; es war ausgemacht, dass unser Kind nicht zur Welt kommen sollte.

Später hörte ich nie wieder von ihr.

Das war 1936.

Ich hatte Hanna damals gefragt, wie sie Joachim, meinen Freund, nun finde. Sie fand ihn ganz sym-pathisch. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Hanna und Joachim einander heiraten.

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