Читать книгу «Mephisto. Roman einer Karriere / Мефистофель. История одной карьеры» онлайн полностью📖 — Клауса Манна — MyBook.
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Ulrichs antwortete ruhig.»Es ist mir sehr erwünscht, Herr Direktor, daß Sie von diesen Dingen zu mir sprechen. Natürlich habe ich auch schon über sie nachgedacht. Vielleicht ist es besser, wir trennen uns, Herr Direktor – glauben Sie mir, daß es mir nicht leicht fällt, diesen Vorschlag zu machen. Aber auf meine politische Betätigung kann ich nicht verzichten. Ihr müßte ich sogar mein Engagement opfern, und das wäre ein Opfer; denn ich bin gerne hier. «Er sprach mit einer angenehmen, dunklen und warmen Stimme. Während er redete, schaute Kroge mit einer väterlichen Sympathie auf sein intelligentes, kraftvolles Gesicht. Otto Ulrichs war ein gut aussehender Mann. Seine hohe, freundliche Stirn, von der das schwarze Haar weit zurückwich, und die engen, dunkelbraunen, gescheiten und lustigen Augen flößten Vertrauen ein. Kroge mochte ihn sehr. Deshalb wurde er jetzt beinah zornig.

«Aber Ulrichs!«rief er aus.»Davon kann doch gar keine Rede sein. Sie wissen ganz genau, daß ich Sie niemals fortlassen würde!«»Wir können Sie gar nicht entbehren!«fügte Schmitz hinzu – der dicke Mensch überraschte zuweilen durch eine merkwürdig vibrierende, helle und hübsche Stimme – ; wozu die Herzfeld ernst bestätigend nickte.»Es ist doch nur ein klein bißchen Zurückhaltung, worum ich Sie bitte«, versicherte Kroge.

Ulrichs sagte mit Herzlichkeit:»Ihr seid alle sehr nett zu mir – wirklich sehr nett – und ich werde mir Mühe geben, daß ich euch nicht gar zu sehr kompromittiere. «Die Herzfeld lächelte ihm vertraulich zu.»Es ist Ihnen ja wohl nicht ganz unbekannt«, sagte sie leise,»daß wir politisch weitgehend mit Ihnen sympathisieren.«– Der Mann, mit dem sie in Frankfurt verheiratet gewesen war und dessen Namen sie führte, war Kommunist. Er war viel jünger als sie und hatte sie verlassen. Zur Zeit arbeitete er in Moskau als Filmregisseur.

«Weitgehend!«betonte Kroge mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger.»Wenngleich nicht ganz, nicht in allen Stücken. Nicht alle unsere Träume haben sich in Moskau erfüllt. Können die Träume, die Forderungen, die Hoffnungen der Geistigen sich erfüllen unter der Diktatur?«

Ulrichs antwortete ernst, wobei seine engen Augen noch schmaler wurden und einen beinah drohenden Blick bekamen:»Nicht nur die Geistigen – oder die, welche sich so nennen – haben ihre Hoffnungen und Forderungen. Noch dringlicher sind die Forderungen des Proletariats. Diese waren, so wie die Welt heute ist, nur zu erfüllen mittels der Diktatur. «Hier zeigte Direktor Schmitz ein bestürztes Gesicht. Ulrichs, um dem Gespräch eine leichtere Wendung zu geben, sagte lächelnd:»Übrigens wäre auf der Versammlung gestern das Künstlertheater beinah durch sein prominentestes Mitglied repräsentiert worden. Hendrik wollte eigentlich auftreten – im letzten Augenblick ist er dann leider verhindert gewesen.«

«Höfgen wird immer im letzten Augenblick verhindert sein, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die bedenklich für seine Karriere werden könnten. «Kroge hatte verächtlich den Mund verzogen, während er dies sagte. Hedda von Herzfeld sah ihn flehend und kummervoll an. Als aber Otto Ulrichs mit Überzeugung äußerte:»Hendrik gehört zu uns«, lächelte sie erlöst.»Hendrik gehört zu uns«, wiederholte Ulrichs.»Und er wird das durch die Tat beweisen. Seine Tat wird das Revolutionäre Theater sein. In diesem Monat soll es eröffnet werden.«

«Noch ist es nicht eröffnet. «Kroge lächelte boshaft.»Zunächst ist nur das Briefpapier da, mit der schönen Überschrift ›Revolutionäres Theater‹. Nehmen wir aber sogar einmal an, es kommt zur Eröffnung: glauben Sie, Höfgen wird sich heraustrauen mit einem wirklich revolutionären Stück?«

Ziemlich heftig erwiderte Ulrichs:»In der Tat glaube ich das! Übrigens ist das Stück ja schon ausgesucht – man kann wohl sagen, daß es ein revolutionäres ist.«

Kroge machte, mit der Miene und Gebärde eines müden und verächtlichen Zweifels:»Wir werden ja sehen. «Hedda von Herzfeld, die bemerkte, daß Ulrichs rot wurde vor Ärger, fand es geraten, nunmehr das Thema zu wechseln.

«Was war das eigentlich vorhin für eine phantastische kleine Äußerung von diesem Miklas? Stimmt es also doch, daß der Bursche Antisemit ist und mit den Nationalsozialisten zu tun hat?«Bei dem Wort» Nationalsozialisten «verzerrte sich ihr Gesicht vor Ekel, als hätte sie eine tote Ratte berührt. Schmitz lachte verächtlich, während Kroge sagte:»So einen können wir gerade gebrauchen!«Ulrichs versicherte sich durch einen Seitenblick, daß Miklas ihnen nicht zuhörte, ehe er mit gedämpfter Stimme erklärte:

«Hans ist im Grunde ein guter Kerl – ich weiß das, denn ich habe mich oft mit ihm unterhalten. Mit so einem Jungen muß man sich viel und nachsichtig beschäftigen – dann gewinnt man ihn vielleicht noch für die gute Sache. Ich glaube nicht, daß er für uns schon ganz verloren ist. Seine Aufsässigkeit, seine allgemeine Unzufriedenheit sind falsch gelandet – verstehen Sie, was ich meine?«Frau Hedda nickte; Ulrichs flüsterte eifrig:»In so einem jungen Kopf ist alles wirr, alles ungeklärt – es laufen ja heute Millionen herum wie dieser Miklas. Bei denen gibt es vor allem einen Haß, und der ist gut, denn er gilt dem Bestehenden. Aber dann hat so ein Bursche Pech und fällt den Verführern in die Hände, und die verderben seinen guten Haß. Sie erzählen ihm, an allem Übel seien die Juden schuld, und der Vertrag von Versailles, und er glaubt den Dreck, und vergißt, wer eigentlich die Schuldigen sind, hier und überall. Das ist das berühmte Ablenkungsmanöver, und bei all diesen jungen Wirrköpfen, die nichts wissen und nicht richtig nachdenken können, hat es Erfolg. Da sitzt dann so ein Häufchen Unglück und läßt sich Nationalsozialist schimpfen!«

Sie schauten alle vier zu Hans Miklas hin, der an einem kleinen Tisch in der entferntesten Ecke des Raumes, bei der dicken alten Souffleuse, Frau Efeu, bei Willi Böck, dem kleinen Garderobier, und bei dem Bühnenportier, Herrn Knurr, Platz genommen hatte. Von Herrn Knurr wurde behauptet, daß er ein Hakenkreuz unter dem Rockaufschlag versteckt trage und daß seine Privatwohnung voll sei von den Bildern des nationalsozialistischen» Führers«, die er in der Portiersloge denn doch nicht aufzuhängen wagte. Herr Knurr hatte heftige Diskussionen und Streitigkeiten mit den kommunistischen Bühnenarbeitern, die ihrerseits nicht im H. K. verkehrten, sondern ihren eigenen Stammtisch in einer Kneipe gegenüber hatten – wo sie zuweilen von Ulrichs besucht wurden. Höfgen wagte sich beinah nie an den Stammtisch der Arbeiter; er fürchtete, die Männer würden über sein Monokel lachen. Andererseits pflegte er zu klagen, das H. K. sei ihm durch die Anwesenheit des nationalistischen Herrn Knurr ganz verleidet.»Dieser verfluchte Kleinbürger«, sagte Höfgen von ihm,»der auf seinen Führer und Erlöser wartet, wie die Jungfer auf den Kerl, der sie schwängern soll! Mir wird immer heiß und kalt, wenn ich an der Portiersloge vorbeigehen muß und an das Hakenkreuz unter seinem Rockaufschlag denke…«

«Natürlich hat er eine ekelhafte Kindheit gehabt«, sagte Otto Ulrichs, der noch bei Hans Miklas war.»Er hat mir einmal davon erzählt. Aufgewachsen ist er in irgend so einem finsteren niederbayrischen Nest. Der Vater ist im Weltkrieg gefallen, die Mutter scheint eine aufgeregte, unvernünftige Person zu sein; machte den verrücktesten Krach, als der Junge zum Theater gehen wollte – man kann sich das ja alles vorstellen. Er ist ehrgeizig, fleißig, auch begabt; er hat enorm viel gelernt, mehr als die meisten von uns. Ursprünglich wollte er Musiker werden, er hat den Kontrapunkt gelernt und er kann Klavier spielen, und er kann Akrobatik und Steptanzen und Ziehharmonika und überhaupt alles. Er arbeitet den ganzen Tag, dabei ist er wahrscheinlich krank, sein Husten klingt scheußlich. Natürlich findet er, daß er zurückgesetzt wird und nicht genügend Erfolg hat, und schlechte Rollen. Er glaubt, wir sind verschworen gegen ihn, von wegen seiner sogenannten politischen Gesinnung. «Ulrichs schaute noch immer, aufmerksam und ernst, zum jungen Miklas hinüber.»95 Mark Monatsgehalt«, sagte er plötzlich und blickte drohend auf Direktor Schmitz, der sofort unruhig auf seinem Stuhl zu rücken begann, – »es ist schwer, dabei ein anständiger Mensch zu bleiben. «Nun schaute auch die Herzfeld aufmerksam zu Miklas hinüber.

Zum Garderobier Böck, zur Souffleuse Efeu und Herrn Knurr pflegte Hans Miklas sich stets dann zu setzen, wenn er sich recht niederträchtig benachteiligt fand von der Direktion des Künstlertheaters, die er vor seinen politischen Freunden als» verjudet «und» marxistisch «bezeichnete. Vor allem haßte er Höfgen, diesen» ekelhaften Salonkommunisten«. Höfgen war, wenn man Miklas glauben durfte, eifersüchtig und eitel; Höfgen war größenwahnsinnig und wollte alles spielen, besonders aber spielte er ihm, Miklas, die Rollen weg.»Es ist eine Gemeinheit, daß er mir den Moritz Stiefel nicht gelassen hat«, äußerte der Verbitterte.»Wenn er ›Frühlings Erwachen‹ schon selber inszeniert, warum muß er auch noch die beste Rolle haben?! Und für unsereinen bleibt gar nichts. Eine Gemeinheit ist das! Überhaupt ist er viel zu dick und alt für den Moritz. Lächerlich wird er aussehen in den kurzen Hosen. «Miklas schaute zornig auf seine eigenen Beine, die mager und sehnig waren.

Garderobier Böck, ein dummer Bursche mit wäßrigen Augen und sehr blonden, sehr harten Haaren, die er kurz geschoren wie eine Bürste trug, kicherte über seinem Bierglas: niemand wußte, ob über Hendrik Höfgen, der als Gymnasiast komisch aussehen würde, oder über den machtlosen Zorn des jungen Hans Miklas. Die Souffleuse Efeu hingegen zeigte Entrüstung; sie bestätigte Miklas, daß es eine Gemeinheit sei. Das mütterliche Interesse, das die dicke alte Person an dem jungen Menschen nahm, brachte für diesen praktische Vorteile mit sich. Übrigens sympathisierte sie auch politisch mit ihm. Sie stopfte ihm seine Socken, lud ihn zum Abendessen ein; schenkte ihm Wurst, Schinken und Eingemachtes.»Damit du dicker wirst, Junge«, sagte sie und schaute ihn zärtlich an. Dabei gefiel ihr gerade die Magerkeit seines trainierten, nicht sehr großen, elastischen, schmalen Körpers. Wenn sein dichtes dunkelblondes Haar am Hinterkopf gar zu widerspenstig in die Höhe stand, sagte die Efeu:»Du siehst aus wie ein Gassenjunge!«und holte einen Kamm aus dem Beutel.

Wie ein Gassenjunge sah Hans Miklas wirklich aus, freilich wie einer, dem es nicht besonders gut geht und der seine Angegriffenheit trotzig bezwingt. Sein Leben war anstrengend; er trainierte den ganzen Tag, mutete seinem schmalen Körper vieles zu, wahrscheinlich kamen daher seine Reizbarkeit und der finster abweisende Ausdruck seines jungen Gesichtes. Dieses Gesicht hatte üble Farben; unter den starken Backenknochen gab es schwarze Löcher, so eingefallen waren die Wangen. Um die hellen Augen waren die Ränder auch beinah schwarz. Hingegen war die reine, kindliche Stirne wie beschienen von einer bleichen und empfindlichen Helligkeit; auch der Mund leuchtete, aber auf ungesunde Art, viel zu rot: in den abweisend vorgeschobenen Lippen schien sich alles Blut zu sammeln, von dem das Gesicht sonst leer war. Unter den starken und verführerischen Lippen, von denen die Souffleuse Efeu oft den Blick nicht lassen konnte, enttäuschte das zu kurze, schwächlich abfallende Kinn.

«Heute früh, auf der Probe, hast du wieder ganz zum Fürchten ausgesehen«, sprach die Efeu besorgt.»So schwarze, tiefe Löcher in den Backen! Und das Husten! Dumpf hat es geklungen – zum Erbarmen!«

Miklas konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn bemitleidete; nur die Gaben, in die solches Mitleid sich umsetzte, nahm er gerne, wenngleich wortkarg entgegen. Das klagende Gerede der Efeu überhörte er einfach. Hingegen wollte er von Böck wissen:

«Stimmt es, daß der Höfgen sich heute den ganzen Abend in seiner Garderobe hinter dem Paravent versteckt hat?«Böck konnte es nicht in Abrede stellen. Miklas fand Höfgens Betragen derartig albern, daß es ihn geradezu in Heiterkeit versetzte.»Ich sage doch, ein kompletter Narr!«Dabei lachte er triumphierend.»Und das alles wegen einer Jüdin, der der Kopf bis dahin zwischen den Schultern steckt!«Er machte sich bucklig, um anzudeuten, wie die Martin aussehe; die Efeu amüsierte sich herzlich.»Und so etwas will ein Star sein!«Mit seinem höhnischen Ausruf konnte er ebenso wohl die Martin meinen wie Höfgen. Beide gehörten, nach seinem Urteil, in dieselbe bevorzugte, undeutsche, tief verwerfliche Clique.»Die Martin!«redete er weiter, das böse, leidende, reizvolle junge Gesicht in die mageren, nicht ganz sauberen Hände gestützt.»Sie soll ja auch immer diese salonkommunistischen Phrasen dreschen, mit ihren tausend Mark jeden Abend. Eine Bande ist das! Aber es wird aufgeräumt werden mit denen – der Höfgen wird auch noch dran glauben müssen!«

So gefährliche Dinge pflegte er sonst in der Kantine nicht auszusprechen, besonders nicht, wenn Kroge in der Nähe war. Heute aber ließ er sich gehen – freilich nicht bis zu dem Grade, daß er gar zu laut gesprochen hätte. Es blieb bei einem heftigen Flüstern. Die Efeu und Herr Knurr nickten ihm anerkennend zu, während Böck wäßrig schaute.»Der Tag wird kommen«, sagte Miklas noch, leise, aber sehr leidenschaftlich, und seine hellen Augen hatten einen fiebrigen Glanz zwischen ihren schwärzlichen Rändern. Dann mußte er furchtbar husten; Frau Efeu klopfte ihm Rücken und Schultern.»Es klingt wieder scheußlich dumpf«, sagte sie angstvoll.»Als ob es von ganz tief aus der Brust käme.«

Das enge Lokal war voll Rauch.»Die Luft ist ja dick zum Schneiden«, klagte die Motz.»Das hält doch der stärkste Mann nicht aus. Und meine Stimme! Kinder, morgen könnt ihr mich wieder beim Halsarzt sitzen sehen. «Niemand hatte Lust, sie sitzen zu sehen. Rahel Mohrenwitz machte sogar ironisch:»Huch, unsere Koloratursängerin!«– wofür sie einen fürchterlichen Blick von der Motz bekam, die sowieso etwas gegen Rahel hatte: Petersen wußte, warum. Erst gestern wieder hatte man ihn in der Garderobe des dämonischen Mädchens gefunden, und die Motz hatte weinen müssen. Heute aber schien sie entschlossen, sich keinesfalls die Stimmung verderben zu lassen von einer dummen Gans, die sich vielleicht auf ihr Monokel und ihre lächerliche Frisur noch was einbildete. Vielmehr faltete sie die Hände vor dem Bauch und markierte gemütliche Stimmung.»Aber nett ist es hier«, sagte sie herzlich.»Was, Vater Hansemann?«Sie blinzelte dem Wirt zu, dem sie noch 27 Mark schuldete und der deshalb nicht zurückblinzelte. Gleich danach entsetzte sie sich, weil Petersen sich ein Beefsteak servieren ließ, noch dazu mit Spiegelei.»Als ob ein Paar Würstchen nicht genügt hätten!«Ihr standen Tränen des Zorns in den Augen. Zwischen Motz und Petersen gab es viel Streit und Hader, weil der Väterspieler, nach dem Dafürhalten seiner Freundin, zur Verschwendungssucht neigte. Immer bestellte er sich teure Sachen, und die Trinkgelder, die er spendierte, waren auch zu hoch.»Natürlich: Braten mit Ei muß es sein!«jammerte die Motz. Petersen murmelte, daß ein Mann sich doch anständig ernähren müsse. Die Motz aber, ganz außer Fassung, fragte plötzlich mit zornigem Sarkasmus die Mohrenwitz, ob Petersen ihr vielleicht eine Flasche Sekt angeboten habe.»Veuve Cliquot, extrafein!«schrie die Motz und sprach, bei aller Gehässigkeit, den Namen der Sektmarke mit jener Feinheit aus, welche sie als Salondame legitimierte. Hierüber war die Mohrenwitz nun ernsthaft beleidigt.»Ich muß doch sehr bitten!«rief sie schrill.»Soll das ein Witz sein?!«Das Monokel fiel ihr aus dem Auge, ihr pausbäckiges, vor Ärger rot gewordenes Gesicht sah plötzlich gar nicht mehr dämonisch aus. Kroge blickte schon verwundert auf; Frau von Herzfeld lächelte ironisch. Der schöne Bonetti aber klopfte der Motz auf die Schulter; gleichzeitig auch der Mohrenwitz, die kampfeslustig nähergetreten war.»Zankt euch nicht, Kinder!«riet er ihnen, um den Mund besonders müde und angewiderte Falten.»Dabei kommt doch nichts raus. Spielen wir lieber Karten.«

In diesem Augenblick wurden gedämpfte Rufe laut, und alles drehte sich der Türe zu, die sich geöffnet hatte. Dora Martin stand auf der Schwelle. Hinter ihr drängte sich, wie auf der Bühne das Gefolge hinter der Königin, das Ensemble, mit dem sie reiste.

Dora Martin lachte und winkte allen Mitgliedern des Hamburger Künstlertheaters zu; dabei rief sie mit ihrer heiseren Stimme, auf jene berühmte Art, die von tausend jungen Schauspielerinnen im ganzen Lande kopiert wurde, in jedem Satz einige Worte zerdehnend:»Kinder, wir sind eingeladen, ein ganz langweiliges Bankett, furchtbar schade, aber wir müssen hingehen!«Sie schien ihre eigene Sprechweise parodieren zu wollen, so eigenwillig verfuhr sie mit der Länge der Silben. Aber allen klang es lieblich in den Ohren, auch denen, welche die Martin nicht leiden konnten, zum Beispiel dem jungen Miklas. Es war nicht zu leugnen: ihr Auftritt hatte großen Effekt gemacht. Ihre weit geöffneten, kindlichen und rätselhaft tiefen Augen unter der hohen und klugen Stirn verwirrten und bezauberten jeden; sogar Vater Hansemann zeigte ein blödes, betörtes Lächeln. Frau von Herzfeld, die früher mit der Martin befreundet gewesen war, rief ihr zu:»Das ist aber ein Jammer, Dorchen. Kannst du dich gar nicht ein bißchen zu uns setzen?«Die allgemeine Achtung vor Hedda stieg, weil sie sich mit der Martin duzte. Diese aber bewegte verneinend ihr lächelndes Gesicht, das fast verschwand zwischen dem hochgeschlagenen Kragen des braunen Pelzmantels; denn sie trug die Schultern sehr hochgezogen.»Zu schade!«girrte sie, und wie sie den Kopf schüttelte, flog die rötliche Mähne ihres lockeren Haars, über dem sie keinen Hut trug.»Aber wir sind sowieso viel zu spät!«

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