Im dritten Monat nach unserer Ankunft in Petersburg wurde ich in eine Pension gegeben. War das eine traurige Zeit, anfangs, unter den vielen fremden Menschen! Alles war so trocken, so kurz angebunden, so unfreundlich und so gar nicht anziehend: die Lehrerinnen schalten und die Mädchen spotteten, und ich war so verschüchtert – wie ein Wildling kam ich mir vor. Diese pedantische Strenge! Alles mußte pünktlich zur bestimmten Stunde geschehen. Die Mahlzeiten an der gemeinsamen Tafel, die langweiligen Lehrer – das machte mich anfangs haltlos! Ich konnte dort nicht einmal schlafen. So manche lange, langweilige, kalte Nacht habe ich bis zum Morgen geweint. Abends, wenn die anderen alle ihre Lektionen lernten oder wiederholten, saß ich über meinem Buch oder dem Vokabelheft und wagte nicht, mich zu rühren, doch mit meinen Gedanken war ich wieder zu Hause, dachte an den Vater und die Mutter und an meine alte gute Kinderfrau und an deren Märchen… ach, was für ein Heimweh mich da erfaßte! Jedes kleinsten Gegenstandes im Hause erinnert man sich, und selbst an den noch denkt man mit einem so eigentümlichen, wehmütigen Vergnügen. Und so denkt man und denkt man denn, – wie gut, wie schön es doch jetzt zu Hause wäre! Da würde ich in unserem kleinen Eßzimmer am Tisch sitzen, auf dem der Ssamowar summt, und mit am Tisch säßen die Eltern: wie warm wäre es, wie traut, wie behaglich. Wie würde ich, denkt man, jetzt Mütterchen umarmen, fest, ganz fest, o, so mit aller Inbrunst umarmen! – Und so denkt man weiter, bis man vor Heimweh leise zu weinen anfängt, und immer wieder die Tränen schluckt – die Vokabeln aber gehen einem nicht in den Kopf. Wieder kann man die Aufgabe für den nächsten Tag nicht: die ganze Nacht sieht man nichts anderes im Traum, als den Lehrer, die Madame und die Mitschülerinnen; die ganze Nacht träumt man, daß man die Aufgaben lerne, am nächsten Tage aber weiß man natürlich nichts. Da muß man wieder im Winkel knien und erhält nur eine Speise. Ich war so unlustig, so wortkarg. Die Mädchen lachten über mich, neckten mich und lenkten meine Aufmerksamkeit ab, wenn ich die Aufgabe hersagte, oder sie kniffen mich, wenn wir in langer Reihe paarweis zu Tisch gingen, oder sie beklagten sich bei der Lehrerin über mich. Doch welche Seligkeit, wenn dann am Sonnabendabend meine alte gute Wärterin kam, um mich abzuholen! Wie ich sie umarmte – ich wußte mich kaum zu lassen vor Freude – mein gutes Altchen! Und dann kleidete sie mich an, immer »hübsch warm«, wie sie sagte, wenn sie mir die Tücher um den Kopf band. Unterwegs aber konnte sie mir nie schnell genug folgen und ich – konnte doch nicht so langsam gehen wie sie! Und die ganze Zeit erzählte ich und schwatzte ich ohne Unterlaß. Ganz ausgelassen vor Freude, lief ich ins Haus und warf mich den Eltern um den Hals, als hätten wir uns seit neun Jahren nicht gesehen. Und dann begann das Erzählen und Fragen, und ich lachte und lief umher und feierte mit allem und allem Wiedersehen. Papa begann alsbald ernstere Gespräche: über die Lehrer, über Mathematik, über die französische Sprache und die Grammatik von L'Homond, – und alle waren wir so guter Dinge und zufrieden und gesprächig. Auch jetzt noch ist mir die bloße Erinnerung an jene Stunden ein Vergnügen.
Ich gab mir die größte Mühe, gut zu lernen, um meinen Vater damit zu erfreuen. Ich sah doch, daß er das Letzte für mich ausgab, während ihm selbst die Sorgen über den Kopf wuchsen. Mit jedem Tage wurde er finsterer, unzufriedener, jähzorniger; sein Charakter veränderte sich sehr zu seinem Nachteil. Nichts gelang ihm, alles schlug fehl und die Schulden wuchsen ins Ungeheuerliche.
Die Mutter fürchtete sich, zu weinen oder auch nur ein Wort der Klage zu sagen, da der Vater sich dann nur noch mehr ärgerte. Sie wurde kränklich und schwächlich und ein böser Husten stellte sich ein. Kam ich aus der Pension, so sah ich nur traurige Gesichter: die Mutter wischte sich heimlich die Tränen aus den Augen und der Vater ärgerte sich. Und dann kamen wieder Vorwürfe und Klagen: er erlebe an mir keine Freude, ich brächte ihm auch keinen Trost, und doch gebe er für mich das Letzte hin, ich aber verstände noch immer nicht, Französisch zu sprechen. Mit einem Wort, ich war an allem schuld; alles Unglück, alle Mißerfolge, alles hatten wir zu verantworten, ich und die arme Mama. Wie war es aber nur möglich, die arme Mama noch mehr zu quälen! Wenn man sie ansah, konnte einem das Herz brechen! Ihre Wangen waren eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen – wie eine Schwindsüchtige sah sie aus.
Die größten Vorwürfe wurden mir gemacht. Gewöhnlich begann es mit irgendeiner kleinen Nebensächlichkeit und dann kam oft Gott weiß was alles zur Sprache, – oft begriff ich nicht einmal, wovon Papa sprach. Was er da nicht alles vorbrachte!.. Zuerst die französische Sprache, daß ich ein großer Dummkopf und unsere Pensionsvorsteherin eine fahrlässige, dumme Person sei, sie sorge nicht im geringsten für unsere sittliche Entwickelung; dann – daß er noch immer keine Anstellung finden könne und daß die Grammatik von L'Homond nichts tauge, die von Sapolskij sei bedeutend besser; daß man für mich viel Geld verschwendet habe, ohne Sinn und Nutzen, daß ich ein gefühlloses, hartherziges Mädchen sei, – kurz, ich Arme, die ich mir die größte Mühe gab, französische Vokabeln und Gespräche auswendig zu lernen, war an allem schuld und mußte alle Vorwürfe hinnehmen. Aber er tat es ja nicht etwa deshalb, weil er uns nicht liebte: im Gegenteil, er liebte uns über alle Maßen! Es war nun einmal sein Charakter…
Oder nein: es waren die Sorgen, die Enttäuschungen und Mißerfolge, die seinen ursprünglich guten Charakter so verändert hatten: er wurde mißtrauisch, war oft ganz verbittert und der Verzweiflung nahe, begann seine Gesundheit zu vernachlässigen, erkältete sich und – starb dann auch nach kurzem Krankenlager, so plötzlich, so unerwartet, daß wir es noch tagelang nicht fassen konnten! Wir waren wie betäubt von diesem Schlage. Mama war wie erstarrt, ich fürchtete anfänglich für ihren Verstand. Kaum aber war er gestorben, da kamen schon die Gläubiger in Scharen zu uns. Alles, was wir hatten, gaben wir ihnen hin. Unser Häuschen auf der Petersburger Seite, das Papa ein halbes Jahr nach unserer Ankunft in Petersburg gekauft hatte, mußte gleichfalls verkauft werden. Ich weiß nicht, wie es mit dem Uebrigen wurde, wir blieben jedenfalls ohne Obdach, ohne Geld, schutzlos, mittellos… Mama war krank – es war ein schleichendes Fieber, das nicht weichen wollte – verdienen konnten wir nichts, so waren wir dem Verderben preisgegeben. Ich war erst vierzehn Jahre alt.
Da besuchte uns zum erstenmal Anna Fedorowna. Sie gibt sich immer für eine Gutsbesitzerin aus und versichert, sie sei mit uns nahe verwandt. Mama aber sagte, sie sei allerdings verwandt mit uns, nur sei diese Verwandtschaft eine sehr weitläufige. Als Papa noch lebte, war sie nie zu uns gekommen. Sie erschien mit Tränen in den Augen und beteuerte, daß sie an unserem Unglück großen Anteil nehme. Sie bemitleidete uns lebhaft, äußerte sich dann aber dahin, daß Papa an unserem ganzen Mißgeschick schuld sei: er habe gar zu hoch hinaus gewollt und gar zu sehr auf seine eigene Kraft gebaut. Ferner äußerte sie als »einzige Verwandte« den Wunsch, uns näher zu treten, und machte den Vorschlag, Gewesenes zu vergessen. Als Mama darauf erwiderte, daß sie nie irgendwelchen Groll gegen sie gehegt habe, weinte sie sogar vor lauter Rührung, führte Mama in die Kirche und bestellte eine Seelenmesse für den »toten Liebling«, wie sie den Entschlafenen plötzlich nannte. Darauf versöhnte sie sich in aller Feierlichkeit mit Mama.
Dann, nach langen Vorreden und Randbemerkungen und nachdem sie uns in grellen Farben unsere ganze hoffnungslose Lage klargemacht, von unserer Mittel-, Schutz- und Hilflosigkeit gesprochen hatte, forderte sie uns auf, ihr Obdach mit ihr zu teilen, wie sie sich ausdrückte. Mama dankte für ihre Freundlichkeit, konnte sich aber lange nicht entschließen, der Aufforderung Folge zu leisten, doch da uns nichts anderes übrig blieb, so sah sie sich zu guter Letzt gezwungen, Anna Fedorowna mitzuteilen, daß sie ihr Anerbieten dankbar annehmen wolle.
Wie deutlich erinnere ich mich noch jenes Morgens, an dem wir von der Petersburger Seite nach dem anderen Stadtteil, dem Wassilij Ostroff, übersiedelten! Es war ein klarer, trockener, kalter Herbstmorgen. Mama weinte. Und ich war so traurig: es war mir, als schnüre mir eine unerklärliche Angst die Brust zusammen… Es war eine schwere Zeit…
Anfangs, so lange wir uns noch nicht eingelebt hatten, empfanden wir beide, Mama und ich, eine gewisse Bangigkeit in der Wohnung Anna Fedorownas, wie man sie zu empfinden pflegt, wenn einem etwas nicht ganz geheuer erscheint. Anna Fedorowna lebte in ihrem eigenen Hause an der Sechsten Linie2. Im ganzen Hause waren nur fünf bewohnbare Zimmer. In dreien von ihnen wohnte Anna Fedorowna mit meiner Kusine Ssascha, die als armes Waisenkind von ihr angenommen war und erzogen wurde. Im vierten Zimmer wohnten wir, und im letzten Zimmer, das neben dem unsrigen lag, wohnte ein armer Student, Pokrowskij, der einzige Mieter im Hause.
Anna Fedorowna lebte sehr gut, viel besser, als man es für möglich gehalten hätte, doch ihre Geldquelle war ebenso rätselhaft wie ihre Beschäftigung. Und dabei hatte sie immer irgend etwas zu tun und lief besorgt umher, und jeden Tag fuhr und ging sie mehrmals aus. Doch wohin sie ging, mit was sie sich draußen beschäftigte und was sie zu tun hatte, das vermochte ich nicht zu erraten. Sie war mit sehr vielen und sehr verschiedenen Leuten bekannt. Ewig kamen welche zu ihr gefahren und immer in Geschäften und nur auf ein paar Minuten. Mama führte mich jedesmal in unser Zimmer, sobald es klingelte. Darüber ärgerte sich Anna Fedorowna sehr und machte meiner Mutter beständig den Vorwurf, daß wir gar zu stolz seien: sie wollte ja nichts sagen, wenn wir irgendeinen Grund, wenn wir wirklich Ursache hätten, stolz zu sein, aber so!.. und stundenlang fuhr sie dann in diesem Tone fort. Damals begriff ich diese Vorwürfe nicht, und ebenso habe ich erst jetzt erfahren, oder richtiger, erraten, weshalb Mama sich anfangs nicht entschließen konnte, Anna Fedorownas Gastfreundschaft anzunehmen.
Sie ist ein schlechter Mensch, diese Anna Fedorowna. Ewig quälte sie uns. Aber eins ist mir auch jetzt noch ein Rätsel: wozu lud sie uns überhaupt zu sich ein? Anfangs war sie noch ganz freundlich zu uns, dann aber kam bald ihr wahrer Charakter zum Vorschein, als sie sah, daß wir vollständig hilflos und nur auf ihre Gnade angewiesen waren. Später wurde sie zu mir wieder freundlicher, vielleicht zu freundlich: sie sagte mir dann sogar plumpe Schmeicheleien, doch vorher hatte ich ebensoviel auszustehen wie Mama. Ewig machte sie uns Vorwürfe und sprach zu uns von nichts anderem, als von den Wohltaten, die sie uns erwies. Und allen fremden Leuten stellte sie uns als ihre armen Verwandten vor, als mittellose, schutzlose Witwe und Waise, die sie nur aus Mitleid und christlicher Nächstenliebe bei sich aufgenommen habe und nun ernähre. Bei Tisch verfolgte sie jeden Bissen, den wir zu nehmen wagten, mit den Augen, wenn wir aber nichts aßen, oder gar zu wenig, so war ihr das auch wieder nicht recht: dann hieß es, ihr Essen sei uns wohl nicht gut genug, wir mäkelten, sie gebe eben, was sie habe und begnüge sich selbst damit – vielleicht könnten wir uns selbst etwas Besseres leisten, das könne sie ja nicht wissen, usw., usw. Ueber Papa mußte sie jeden Augenblick etwas Schlechtes sagen, anders ging es nicht. Sie behauptete, er habe immer nobler sein wollen, als alle anderen, und das habe man nun davon: Frau und Tochter könnten nun zusehen, wo sie blieben, und wenn sich nicht unter ihren Verwandten eine christlich liebevolle Seele – das war sie selbst – gefunden hätte, so hätten wir gar noch auf der Straße Hungers sterben können. Und was sie da nicht noch alles vorbrachte! Es war nicht einmal so bitter, wie es widerlich war, sie anzuhören.
Mama weinte jeden Augenblick. Ihr Gesundheitszustand verschlimmerte sich mit jedem Tage, sie welkte sichtbar hin, doch trotzdem arbeiteten wir vom Morgen bis zum Abend. Wir nähten auf Bestellung, was Anna Fedorowna sehr mißfiel. Sie sagte, ihr Haus sei kein Putzgeschäft. Wir aber mußten uns doch Kleider anfertigen und mußten doch etwas verdienen, um auf alle Fälle wenigstens etwas eigenes Geld zu haben. Und so arbeiteten und sparten wir denn immer in der Hoffnung, uns bald irgendwo ein Zimmerchen mieten zu können. Doch die anstrengende Arbeit verschlimmerte den Zustand der Mutter sehr: mit jedem Tage wurde sie schwächer. Die Krankheit untergrub ihr Leben und brachte sie unaufhaltsam dem Grabe näher. Ich sah es, ich fühlte es und konnte doch nicht helfen!
Die Tage vergingen und jeder neue Tag glich dem vorhergegangenen. Wir lebten still für uns, als wären wir gar nicht in der Stadt. Anna Fedorowna beruhigte sich mit der Zeit – beruhigte sich, je mehr sie ihre unbegrenzte Uebermacht einsah und nichts mehr für sie zu fürchten brauchte. Uebrigens hatten wir ihr noch nie in irgend etwas widersprochen. Unser Zimmer war von den drei anderen, die sie bewohnte, durch einen Korridor getrennt, und neben unserem lag nur noch das Zimmer Pokrowskijs, wie ich schon erwähnte. Er unterrichtete Ssascha, lehrte sie Französisch und Deutsch, Geschichte und Geographie – d. h. »alle Wissenschaften«, wie Anna Fedorowna zu sagen pflegte, und dafür brauchte er für Kost und Logis nichts zu zahlen.
Ssascha war ein sehr begabtes Mädchen, doch entsetzlich unartig und lebhaft. Sie war damals erst dreizehn Jahre alt. Schließlich sagte Anna Fedorowna zu Mama, daß es vielleicht ganz gut wäre, wenn ich mit ihr zusammen lernen würde, da ich ja in der Pension den Kursus sowieso nicht beendet hatte. Mama war natürlich sehr froh über diesen Vorschlag, und so wurden wir beide gemeinsam ein ganzes Jahr von Pokrowskij unterrichtet.
Pokrowskij war ein armer, sehr armer Mensch. Seine Gesundheit erlaubte es ihm nicht, regelmäßig die Universität zu besuchen, und so war er eigentlich gar kein richtiger »Student«, wie er aus Gewohnheit noch genannt wurde. Er lebte so still und ruhig in seinem Zimmer, daß wir im Nebenzimmer nichts von ihm hörten. Er sah auch recht eigentümlich aus, bewegte und verbeugte sich so linkisch und sprach so seltsam, daß ich ihn anfangs nicht einmal ansehen konnte, ohne über ihn lachen zu müssen. Ssascha machte immer ihre unartigen Streiche, und das besonders während des Unterrichts. Er aber war zum Ueberfluß auch noch heftig, ärgerte sich beständig, jede Kleinigkeit brachte ihn aus der Haut: er schalt uns, schrie uns an, und sehr oft stand er wütend auf und ging fort, noch bevor die Stunde zu Ende war, und schloß sich wieder in seinem Zimmer ein. Dort aber, in seinem Zimmer, saß er tagelang über den Büchern. Er hatte viele Bücher, und alles so schöne, seltene Exemplare. Er gab noch an ein paar anderen Stellen Stunden und erhielt dafür Geld, doch kaum hatte er welches erhalten, so ging er sogleich hin und kaufte sich wieder Bücher.
Mit der Zeit lernte ich ihn näher kennen. Er war der beste und ehrenwerteste Mensch, der beste von allen, die mir bis dahin im Leben begegnet waren. Mama achtete ihn ebenfalls sehr. Und dann wurde er auch mein treuer Freund und stand mir am nächsten von allen, – natürlich nach Mama.
In der ersten Zeit beteiligte ich mich – obwohl ich doch schon ein großes Mädchen war – an allen Streichen, die Ssascha gegen ihn ausheckte, und bisweilen überlegten wir stundenlang, wie wir ihn wieder necken und seine Geduld auf eine Probe stellen könnten. Es war furchtbar spaßig, wenn er sich ärgerte – und wir wollten unser Vergnügen haben. (Noch jetzt schäme ich mich, wenn ich daran zurückdenke.) Einmal hatten wir ihn so gereizt, daß ihm Tränen in die Augen traten, und da hörte ich deutlich, wie er zwischen den Zähnen halblaut hervorstieß: »Nichts grausamer als Kinder!« Das verwirrte mich: zum erstenmal regte sich in mir so etwas wie Scham und Reue und Mitleid. Ich errötete bis über die Ohren und bat ihn fast unter Tränen, sich zu beruhigen und sich durch unsere dummen Streiche nicht kränken zu lassen, doch er klappte das Buch zu und ging in sein Zimmer, ohne den Unterricht fortzusetzen.
Den ganzen Tag quälte mich die Reue. Der Gedanke, daß wir Kinder ihn durch unsere boshaften Dummheiten bis zu Tränen geärgert hatten, war mir unerträglich. So hatten wir es nur auf seine Tränen abgesehen! So verlangte es uns, uns an seiner sicher krankhaften Gereiztheit auch noch zu weiden! So war es uns nun also doch gelungen, ihn um den Rest von Geduld zu bringen! So hatten wir ihn, diesen unglücklichen, armen Menschen, gezwungen, unter seinem grausamen Los noch mehr zu leiden!
Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen – wie mich die Reue quälte! Man sagt, Reue erleichtere das Herz. Im Gegenteil! Ich weiß nicht, wie es kam, daß sich in meinen Kummer auch Ehrgeiz mischte. Ich wollte nicht, daß er mich für ein Kind halte. Ich war damals bereits fünfzehn Jahre alt.
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