Читать книгу «Die Elixiere des Teufels / Эликсир дьявола. Книга для чтения на немецком языке» онлайн полностью📖 — Эрнста Теодора Амадея Гофмана — MyBook.
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Ich war wie vernichtet, ein Eisstrom goß sich durch mein Inneres… besinnungslos stürzte ich fort ins Kollegium… in meine Zelle. Ich warf mich wie in toller Verzweiflung auf den Fußboden… glühende Tränen quollen mir aus den Augen, ich verwünschte… ich verfluchte das Mädchen… mich selbst… dann betete ich wieder und lachte dazwischen wie ein Wahnsinniger! Überall erklangen um mich Stimmen, die mich verspotteten, verhöhnten; ich war im Begriff, mich durch das Fenster zu stürzen, zum Glück verhinderten mich die Eisenstäbe daran, mein Zustand war in der Tat entsetzlich. Erst als der Morgen anbrach, wurde ich ruhiger, aber fest war ich entschlossen, sie niemals mehr zu sehen und überhaupt der Welt zu entsagen. Klarer als jemals stand der Beruf zum eingezogenen Klosterleben, von dem mich keine Versuchung mehr ablenken sollte, vor meiner Seele. Sowie ich nur von den gewöhnlichen Studien loskommen konnte, eilte ich zu dem Prior in das Kapuzinerkloster und eröffnete ihm, wie ich nun entschlossen sei, mein Noviziat[48] anzutreten, und auch schon meiner Mutter sowie der Fürstin Nachricht davon gegeben habe. Leonardus schien über meinen plötzlichen Eifer verwundert; ohne in mich zu dringen, suchte er doch auf diese und jene Weise zu erforschen, was mich wohl darauf gebracht haben könne, nun mit einemmal auf meine Einweihung zum Klosterleben[49] zu bestehen, denn er ahndete wohl, dass ein besonderes Ereignis mir den Impuls dazu gegeben haben müsse. Eine innere Scham, die ich nicht zu überwinden vermochte, hielt mich zurück, ihm die Wahrheit zu sagen, dagegen erzählte ich ihm mit dem Feuer der Exaltation, das noch in mir glühte, die wunderbaren Begebenheiten meiner Kinderjahre, welche alle auf meine Bestimmung zum Klosterleben hindeuteten. Leonardus hörte mich ruhig an, und ohne gerade gegen meine Visionen Zweifel vorzubringen, schien er doch sie nicht sonderlich zu beachten, er äußerte vielmehr, wie das alles noch sehr wenig für die Echtheit meines Berufs spräche, da eben hier eine Illusion sehr möglich sei. Überhaupt pflegte Leonardus nicht gern von den Visionen der Heiligen, ja selbst von den Wundern der ersten Verkündiger des Christentums zu sprechen, und es gab Augenblicke, in denen ich in Versuchung geriet, ihn für einen heimlichen Zweifler zu halten. Einst erdreistete ich mich, um ihn zu irgend einer bestimmten Äußerung zu nötigen, von den Verächtern des katholischen Glaubens zu sprechen und vorzüglich auf diejenigen zu schmälen, die im kindischen Übermute alles Übersinnliche mit dem heillosen Schimpfworte des Aberglaubens abfertigten. Leonardus sprach sanft lächelnd: „Mein Sohn, der Unglaube ist der ärgste Aberglaube“, und fing ein anderes Gespräch von fremden gleichgültigen Dingen an. Erst später durfte ich eingehen in seine herrliche Gedanken über den mystischen Teil unserer Religion, der die geheimnisvolle Verbindung unsers geistigen Prinzips mit höheren Wesen in sich schließt, und mußte mir denn wohl gestehen, dass Leonardus die Mitteilung alles des Sublimen[50], das aus seinem Innersten sich ergoß, mit Recht nur für die höchste Weihe seiner Schüler aufsparte.

Meine Mutter schrieb mir, wie sie es längst geahnet, dass der weltgeistliche Stand mir nicht genügen, sondern dass ich das Klosterleben erwählen werde. Am Medardustage sei ihr der alte Pilgersmann aus der heiligen Linde erschienen und habe mich im Ordenskleide der Kapuziner an der Hand geführt. Auch die Fürstin war mit meinem Vorhaben ganz einverstanden. Beide sah ich noch einmal vor meiner Einkleidung, welche, da mir, meinem innigsten Wunsche gemäß, die Hälfte des Noviziats erlassen wurde, sehr bald erfolgte. Ich nahm auf Veranlassung der Vision meiner Mutter den Klosternamen Medardus an.

Das Verhältnis der Brüder untereinander, die innere Einrichtung rücksichts der Andachtsübungen und der ganzen Lebensweise im Kloster bewährte sich ganz in der Art, wie sie mir bei dem ersten Blick erschienen. Die gemütliche Ruhe, die in allem herrschte, goß den himmlischen Frieden in meine Seele, wie er mich, gleich einem seligen Traum aus der ersten Zeit meiner frühsten Kinderjahre im Kloster der heiligen Linde umschwebte. Während des feierlichen Akts meiner Einkleidung erblickte ich unter den Zuschauern des Konzertmeisters Schwester; sie sah ganz schwermütig aus, und ich glaubte Tränen in ihren Augen zu erblicken, aber vorüber war die Zeit der Versuchung, und vielleicht war es frevelnder Stolz auf den so leicht erfochtenen Sieg, der mir das Lächeln abnötigte, welches der an meiner Seite wandelnde Bruder Cyrillus bemerkte. „Worüber erfreuest du dich so, mein Bruder?“ frug Cyrillus.

„Soll ich denn nicht froh sein, wenn ich der schnöden Welt und ihrem Tand entsage?“ antwortete ich, aber nicht zu leugnen ist es, dass, indem ich diese Worte sprach, ein unheimliches Gefühl, plötzlich das Innerste durchbebend, mich Lügen strafte. Doch dies war die letzte Anwandlung irdischer Selbstsucht, nach der jene Ruhe des Geistes eintrat. Wäre sie nimmer von mir gewichen, aber die Macht des Feindes ist groß! Wer mag der Stärke seiner Waffen, wer mag seiner Wachsamkeit vertrauen, wenn die unterirdischen Mächte lauern?

Schon fünf Jahre war ich im Kloster, als nach der Verordnung des Priors mir der Bruder Cyrillus, der alt und schwach worden, die Aufsicht über die reiche Reliquienkammer des Klosters übergeben sollte. Da befanden sich allerlei Knochen von Heiligen, Späne aus dem Kreuze des Erlösers und andere Heiligtümer, die in saubern Glasschränken aufbewahrt und an gewissen Tagen dem Volk zur Erbauung ausgestellt wurden. Der Bruder Cyrillus machte mich mit jedem Stücke sowie mit den Dokumenten, die über ihre Echtheit und über die Wunder, welche sie bewirkt, vorhanden, bekannt. Er stand rücksichts der geistigen Ausbildung unserm Prior an der Seite, und um so weniger trug ich Bedenken, das zu äußern, was sich gewaltsam aus meinem Innern hervordrängte. „Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus,“ sagte ich, „alle diese Dinge gewiß und wahrhaftig das sein, wofür man sie ausgibt?… Sollte auch hier nicht die betrügerische Habsucht manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes Heiligen gilt? So z.B. besitzt irgend ein Kloster das ganze Kreuz unsers Erlösers, und doch zeigt man überall wieder so viel Späne davon, dass, wie jemand von uns selbst, freilich in freveligem Spott, behauptete, unser Kloster ein ganzes Jahr hindurch damit geheizt werden könnte.“ „Es geziemt uns wohl eigentlich nicht,“ erwiderte der Bruder Cyrillus, „diese Dinge einer solchen Untersuchung zu unterziehen, allein offenherzig gestanden, bin ich der Meinung, dass, der darüber sprechenden Dokumente unerachtet, wohl wenige dieser Dinge das sein dürften, wofür man sie ausgibt. Allein es scheint mir auch gar nicht darauf anzukommen. Merke wohl auf, lieber Bruder Medardus, wie ich und unser Prior darüber denken, und du wirst unsere Religion in neuer Glorie erblicken. Ist es nicht herrlich, lieber Bruder Medardus, dass unsere Kirche darnach trachtet, jene geheimnisvollen Fäden zu erfassen, die das Sinnliche mit dem Übersinnlichen verknüpfen, ja unseren zum irdischen Leben und Sein gediehenen Organism so anzuregen, dass sein Ursprung aus dem höhern geistigen Prinzip, ja seine innige Verwandtschaft mit dem wunderbaren Wesen, dessen Kraft wie ein glühender Hauch die ganze Natur durchdringt, klar hervortritt und uns die Ahndung eines höheren Lebens, dessen Keim wir in uns tragen, wie mit Seraphsfittichen umweht.

Was ist jenes Stückchen Holz… jenes Knöchlein, jenes Läppchen… man sagt, aus dem Kreuz Christi sei es gehauen, dem Körper… dem Gewande eines Heiligen entnommen; aber den Gläubigen, der, ohne zu grübeln, sein ganzes Gemüt darauf richtet, erfüllt bald jene überirdische Begeisterung, die ihm das Reich der Seligkeit erschließt, das er hienieden nur geahnet; und so wird der geistige Einfluß des Heiligen, dessen auch nur angebliche Reliquie den Impuls gab, erweckt, und der Mensch vermag Stärke und Kraft im Glauben von dem höheren Geiste zu empfangen, den er im Innersten des Gemüts um Trost und Beistand anrief. Ja, diese in ihm erweckte höhere geistige Kraft wird selbst Leiden des Körpers zu überwinden vermögen, und daher kommt es, dass diese Reliquien jene Mirakel[51] bewirken, die, da sie so oft vor den Augen des versammelten Volks geschehen, wohl nicht geleugnet werden können.“

Ich erinnerte mich augenblicklich gewisser Andeutungen des Priors, die ganz mit den Worten des Bruders Cyrillus übereinstimmten, und betrachtete nun die Reliquien, die mir sonst nur als religiöse Spielerei erschienen, mit wahrer innerer Ehrfurcht und Andacht. Dem Bruder Cyrillus entging diese Wirkung seiner Rede nicht, und er fuhr nun fort, mit größerem Eifer und mit recht zum Gemüte sprechender Innigkeit mir die Sammlung Stück vor Stück zu erklären. Endlich nahm er aus einem wohlverschlossenen Schranke ein Kistchen heraus und sagte: „Hierinnen, lieber Bruder Medardus, ist die geheimnisvollste, wunderbarste Reliquie enthalten, die unser Kloster besitzt. Solange ich im Kloster bin, hat dieses Kistchen niemand in der Hand gehabt als der Prior und ich; selbst die andern Brüder, viel weniger Fremde, wissen etwas von dem Dasein dieser Reliquie. Ich kann die Kiste nicht ohne inneren Schauer anrühren, es ist, als sei darin ein böser Zauber verschlossen, der, gelänge es ihm, den Bann, der ihn umschließt und wirkungslos macht, zu zersprengen, Verderben und heillosen Untergang jedem bereiten könnte, den er ereilt… Das, was darinnen enthalten, stammt unmittelbar von dem Widersacher[52] her, aus jener Zeit, als er noch sichtlich gegen das Heil der Menschen zu kämpfen vermochte.“

Ich sah den Bruder Cyrillus im höchsten Erstaunen an; ohne mir Zeit zu lassen, etwas zu erwidern, fuhr er fort: „Ich will mich, lieber Bruder Medardus, gänzlich enthalten, in dieser höchst mystischen Sache nur irgend eine Meinung zu äußern oder wohl gar diese… jene… Hypothese aufzutischen, die mir durch den Kopf gefahren, sondern lieber getreulich dir das erzählen, was die über jene Reliquie vorhandenen Dokumente davon sagen.

Du findest diese Dokumente in jenem Schrank und kannst sie selbst nachlesen… Dir ist das Leben des heiligen Antonius[53] zur G’nüge bekannt, du weißt, dass er, um sich von allem Irdischen zu entfernen, um seine Seele ganz dem Göttlichen zuzuwenden, in die Wüste zog und da sein Leben den strengsten Buß- und Andachtsübungen weihte. Der Widersacher verfolgte ihn und trat ihm oft sichtlich in den Weg, um ihn in seinen frommen Betrachtungen zu stören. So kam es denn, dass der heilige Antonius einmal in der Abenddämmerung eine finstere Gestalt wahrnahm, die auf ihn zuschritt. In der Nähe erblickte er zu seinem Erstaunen, dass aus den Löchern des zerrissenen Mantels, den die Gestalt trug, Flaschenhälse hervorguckten. Es war der Widersacher, der in diesem seltsamen Aufzuge ihn höhnisch anlächelte und frug, ob er nicht von den Elixieren, die er in den Flaschen bei sich trüge, zu kosten begehre. Der heilige Antonius, den diese Zumutung nicht einmal verdrießen konnte, weil der Widersacher, ohnmächtig und kraftlos geworden, nicht mehr imstande war, sich auf irgend einen Kampf einzulassen und sich daher auf höhnende Reden beschränken mußte, frug ihn, warum er denn so viele Flaschen und auf solche besondere Weise bei sich trüge. Da antwortete der Widersacher: „Siehe, wenn mir ein Mensch begegnet, so schaut er mich verwundert an und kann es nicht lassen, nach meinen Getränken zu fragen und zu kosten aus Lüsternheit. Unter so vielen Elixieren findet er ja wohl eins, was ihm recht mundet, und er säuft die ganze Flasche aus und wird trunken und ergibt sich mir und meinem Reiche.“

So weit steht das in allen Legenden; nach dem besonderen Dokument, das wir über diese Vision des heiligen Antonius besitzen, heißt es aber weiter, dass der Widersacher, als er sich von dannen hub, einige seiner Flaschen auf einen Rasen stehen ließ, die der heilige Antonius schnell in seine Höhle mitnahm und verbarg, aus Furcht, selbst in der Einöde könnte ein Verirrter, ja wohl gar einer seiner Schüler von dem entsetzlichen Getränke kosten und ins ewige Verderben geraten.

Zufällig, erzählt das Dokument weiter, habe der heilige Antonius einmal eine dieser Flaschen geöffnet, da sei ein seltsamer betäubender Dampf herausgefahren und allerlei scheußliche sinneverwirrende Bilder der Hölle hätten den Heiligen umschwebt, ja ihn mit verführerischen Gaukeleien zu verlocken gesucht, bis er sie durch strenges Fasten und anhaltendes Gebet wieder vertrieben.[54] In diesem Kistchen befindet sich nun aus dem Nachlaß des heiligen Antonius eben eine solche Flasche mit einem Teufelselixier, und die Dokumente sind so authentisch und genau, dass wenigstens daran, dass die Flasche wirklich nach dem Tode des heiligen Antonius unter seinen nachgebliebenen Sachen gefunden wurde, kaum zu zweifeln ist. Übrigens kann ich versichern, lieber Bruder Medardus, dass, so oft ich die Flasche, ja nur dieses Kistchen, worin sie verschlossen, berühre, mich ein unerklärliches inneres Grauen anwandelt, ja dass ich wähne, etwas von einem ganz seltsamen Duft zu spüren, der mich betäubt und zugleich eine innere Unruhe des Geistes hervorbringt, die mich selbst bei den Andachtsübungen zerstreut. Indessen überwinde ich diese böse Stimmung, welche offenbar von dem Einfluß irgend einer feindlichen Macht herrührt, sollte ich auch an die unmittelbare Einwirkung des Widersachers nicht glauben, durch standhaftes Gebet. Dir, lieber Bruder Medardus, der du noch so jung bist, der du noch alles, was dir deine von fremder Kraft aufgeregte Phantasie Vorbringen mag, in glänzenderen, lebhafteren Farben erblickst, der du noch wie ein tapferer, aber unerfahrener Krieger zwar rüstig im Kampfe, aber vielleicht zu kühn, das Unmögliche wagend, deiner Stärke zu sehr vertraust, rate ich, das Kistchen niemals oder wenigstens erst nach Jahren zu öffnen, und damit dich deine Neugierde nicht in Versuchung führe, es dir weit weg aus den Augen zu stellen.“

Der Bruder Cyrillus verschloß die geheimnisvolle Kiste wieder in den Schrank, wo sie gestanden, und übergab mir den Schlüsselbund, an dem auch der Schlüssel jenes Schranks hing; die ganze Erzählung hatte auf mich einen eignen Eindruck gemacht, aber je mehr ich eine innere Lüsternheit emporkeimen fühlte, die wunderbare Reliquie zu sehen, desto mehr war ich, der Warnung des Bruders Cyrillus gedenkend, bemüht, auf jede Art mir es zu erschweren. Als Cyrillus mich verlassen, übersah ich noch einmal die mir anvertrauten Heiligtümer, dann löste ich aber das Schlüsselchen, welches den gefährlichen Schrank schloß, vom Bunde ab und versteckte es tief unter meine Skripturen im Schreibpulte.

Unter den Professoren im Seminar gab es einen vortrefflichen Redner, jedesmal, wenn er predigte, war die Kirche überfüllt; der Feuerstrom seiner Worte riß alles unwiderstehlich fort, die inbrünstigste Andacht im Innern entzündend. Auch mir drangen seine herrlichen begeisterten Reden ins Innerste, aber indem ich den Hochbegabten glücklich pries, war es mir, als rege sich eine innere Kraft, die mich mächtig antrieb, es ihm gleichzutun. Hatte ich ihn gehört, so predigte ich auf meiner einsamen Stube, mich ganz der Begeisterung des Moments überlassend, bis es mir gelang, meine Ideen, meine Worte festzuhalten und aufzuschreiben.

Der Bruder, welcher im Kloster zu predigen pflegte, wurde zusehends schwächer, seine Reden schlichen wie ein halbversiegter Bach mühsam und tonlos dahin, und die ungewöhnlich gedehnte Sprache, welche der Mangel an Ideen und Worten erzeugte, da er ohne Konzept sprach, machten seine Reden so unausstehlich lang, dass vor dem Amen schon der größte Teil der Gemeinde, wie bei dem bedeutungslosen eintönigen Geklapper einer Mühle, sanft eingeschlummert war und nur durch den Klang der Orgel wieder erweckt werden konnte. Der Prior Leonardus war zwar ein ganz vorzüglicher Redner, indessen trug er Scheu zu predigen, weil es ihn bei den schon erreichten hohen Jahren zu stark angriff, und sonst gab es im Kloster keinen, der die Stelle jenes schwächlichen Bruders hätte ersetzen können. Leonardus sprach mit mir über diesen Übelstand, der der Kirche den Besuch mancher Frommen entzog; ich faßte mir ein Herz und sagte ihm, wie ich schon im Seminar einen innern Beruf zum Predigen gespürt und manche geistliche Rede aufgeschrieben habe. Er verlangte sie zu sehen und war so höchlich damit zufrieden, dass er in mich drang, schon am nächsten heiligen Tage den Versuch mit einer Predigt zu machen, der um so weniger mißlingen werde, als mich die Natur mit allem ausgestattet habe, was zum guten Kanzelredner gehöre, nämlich mit einer einnehmenden Gestalt, einem ausdrucksvollen Gesicht und einer kräftigen tonreichen Stimme. Rücksichts des äußern Anstandes, der richtigen Gestikulation unternahm Leonardus selbst mich zu unterrichten. Der Heiligentag kam heran, die Kirche war besetzter als gewöhnlich, und ich bestieg nicht ohne inneres Erbeben die Kanzel.

Im Anfange blieb ich meiner Handschrift getreu, und Leonardus sagte mir nachher, dass ich mit zitternder Stimme gesprochen, welches aber gerade den andächtigen wehmutsvollen Betrachtungen, womit die Rede begann, zugesagt und bei den mehrsten für eine besondere wirkungsvolle Kunst des Redners gegolten habe. Bald aber war es, als strahle der glühende Funke himmlischer Begeisterung durch mein Inneres… ich dachte nicht mehr an die Handschrift, sondern überließ mich ganz den Eingebungen des Moments. Ich fühlte, wie das Blut in allen Pulsen glühte und sprühte… ich hörte meine Stimme durch das Gewölbe donnern… ich sah mein erhobenes Haupt, meine ausgebreiteten Arme, wie von Strahlenglanz der Begeisterung umflossen.

Mit einer Sentenz, in der ich alles Heilige und Herrliche, das ich verkündet, nochmals wie in einem flammenden Fokus zusammenfaßte, schloß ich meine Rede, deren Eindruck ganz ungewöhnlich, ganz unerhört war. Heftiges Weinen… unwillkürlich den Lippen entfliehende Ausrufe der andachtvollsten Wonne… lautes Gebet hallte meinen Worten nach. Die Brüder zollten mir ihre höchste Bewunderung[55]