Читать книгу «Дунайская русалочка: мифы и легенды старой Вены / Das Donauweibchen: Mythen und Sagen des alten Wiens. Уровень 1» онлайн полностью📖 — Эпосы, легенды и сказания — MyBook.

Der Löwenritter

1485 war die Kaiserstadt Wien an der schönen blauen Donau von dem Ungarnkönig Matthias Corvinus hart belagert. Die Wiener waren überaus tapfer und mutig. Doch brachen große Steuern und Hunger in der unglücklichen Stadt aus. Und es blieb den Bürgern nichts Anderes übrig, als die Stadt dem Ungarnkönig zu übergeben[7].

Matthias Corvinus kam in voller Pracht in Wien an. Seine ungarische Tracht blitzte von Edelsteinen. Und seine Waffen funkelten von weitem. Auch seine Gefolge waren prächtig gekleidet. Und den Schluss vom Zug bildeten viele prachtvolle Löwen und Tiger. Sie waren für die Unterhaltung von den hohen Herren nach dem Brauch in dieser Zeit bestimmt. In einem großen Zwinger von der Wiener Hofburg wohnten die wilden Bestien. Und es war die liebste Ablenkung vom König Matthias Corvinus. Er mochte die Löwen beobachten. Ganze Stunden verbrachte er vor dem Zwinger. Immer wieder bewunderte er sich auf die wilde Grazie von den Raubtieren.

An einem schönen Märztag 1486 fühlte sich Matthias Corvinus sehr schlecht nach einem schweren Fieberanfall. Er hatte ein kränkliches Aussehen. Die quälenden Gichtschmerzen haben ihn für eine Minute nicht verlassen[8]. Der Hofarzt sagte dem König, er musste sich schonen. Matthias Corvinus fuhr ihn an:

«Warum schickst du mich ins Bett? Mir fehlt nichts! Das Bett ist gut für alte Weiber. Aber nie für einen König. Er soll ein Löwe sein. Ich will vom Bett nichts wissen! Gebt mir lieber Ablenkung und Unterhaltung!«

Da sprach Graf Nostiz. Er war ein böhmischer Edle am Hof vom Ungarnkönig:

«Euer Majestät, gehen wir doch zum Löwenzwinger. Es ist bald Fütterungszeit. Und da gibt es immer Abwechslung!«

«Du hast recht, Nostiz. Gehen wir zu unseren Brüdern!«

Der König ging mit einem großen Gefolge zu den Löwenzwingern. In einem Zwinger gab es drei Löwen. Der König blieb stehen. Die starken Tiere streckten mit Gebrüll ihre Pfoten durch die Gitterstäbe. Sie warteten schon auf ihr tägliches Futter.

«Diese Tiere möchte ich einmal im höchsten Zorn sehen!« sagte Matthias Corvinus.

Der Schatzkanzler befahl dem Löwenwärter:

«Zeigt doch einmal den Löwen ihr Futter. Aber gebt es ihnen nicht!«

Der Wärter gehorchte. Er brachte das Fleisch nahe an den Käfig. Der Löwe konnte durch das Gitter ein Stück erfassen. Es machte mit seinem wütenden Gebrüll alles zittern.

«Nun«, sprach der Schatzkanzler,»wir konnten doch Spaß haben, Majestät. Wenn jemand aus Eurem Gefolge den Mut hatte, dem Löwen sein Futter wegzunehmen. Im Altertum gab es gar viele Helden. So wollten sie nur ihren hohen Herren gefallen!«

Da sprach der König Matthias Corvinus:

«Die Idee ist nicht schlecht! Dich, Nostiz, halte ich für den Kühnsten unter meinen Rittern. Du hast schon viele Kämpfe gewonnen. Versuch doch einmal mit einem Löwen!«

«Nostiz kann alles!« riefen das Gefolge. Doch der heimtückische Schatzkanzler schüttelte zweifelnd den Kopf:

«Ich zweifle nicht an dem Mut vom kühnen Grafen Nostiz. Doch zweifle ich sehr, er konnte es machen!«

Dann rief der König:

«Ich wette, dass er es macht! Geh, Nostiz, zeige, dass du der Held bist.«

Graf Nostiz war schlank und biegsam wie ein junges Reis. Er war dabei stark wie eine junge Eiche. Und alle hatten Angst vor seiner Körperstärke.

Nun sah Nostiz, jeder blickt an ihn mit Kälte und Spott. Jeder war auf ihn neidisch. Rasch zog er sein Schwert aus der Scheide. Dann kam er kühn zu dem Zwinger. Drei Löwen lagen um das Fleisch.

«Her mit dem Raube!«[9] schrie er die Tiere. Die Löwen standen drohend auf. Nostiz trat kühn zwischen sie. Er nahm ihnen das Fleisch weg. Dann verließ er mit festen Schritten den Zwinger.

Der junge Graf machte die eiserne Gittertür hinter sich zu. Alle Leute kamen zu ihm. Sie gratulierten ihm. Aber er wich zurück. Dann legte er mit einem blassen Gesicht mit Tränen die Beute dem König.

«O Herr!« sprach er zu Matthias Corvinus, »warum setztest du das Leben von einem treuen Diener leichtfertig auf das Spiel? In Schlachten und Turnieren zeigte ich dir meinen Mut. Der heutige Scherz war zu ernst![10] Spaße so mit einem anderen! Ich verlasse deinen Dienst!«

Nostiz verließ den kaiserlichen Burggarten. Matthias Corvinus sah ihn nie wieder. Denn Nostiz trat in den Dienst vom König von Polen. Seitdem hatte Nostiz einen stolzen Spitznamen: der Löwenritter.

Madonna in den Schanzen

Von Stammersdorf bis Esslingen gibt es lange Erdschanzen. Sie schützen Wien in breitem Bogen. Einmal lag der Feind neben der Hauptstadt. Da waren diese Schanzen der gute Schutz für unsere Soldaten.

Am Abend vor der blutigen Schlacht bei Aspern stand auf den Schanzenhöhe ein alter, aber starker Deutschmeister auf Wachposten. In seinem Herzen brannte ein Kampfdurst. In seiner Seele gab es ein unerschütterlicher Glaube an Gott.

Sein scharfes Auge sah nach knisternden Wachfeuer im dunklen Land. Plötzlich dachte er, er sah eine schimmernde Heldenjungfrau mit flammendem Säbel. Rasch sagte er der Erscheinung das Losungswort. Aber es gab keine Antwort. Und blitzschnell steht sie groß vor ihm. Ihm schwand vor Angst die Sinne[11].

«Habe Mut, kaisertreuer Krieger«, sagte sie ihm.»Ich will dir einen Schutzpfennig geben. Er soll dich retten! Deine Mutter hat ihn dir erbeten!«

Mit diesen Worten reichte sie dem Soldaten einen Gnadentaler. Da war das Bild von Madonna. Die Erscheinung verschwand.

Der Morgen ist gekommen. Kanonendonner meldete den Schlachtbeginn. Die Kugeln summten wie Mücken. Unser Krieger verließ seinen Platz nicht. Er stand in den ersten Reihen. Dann ist der Schlag von einer Kugel. Seine Hand hing an einer Sehne. Ein Kamerad schnitt sie ihm weg. Trotz der Wunde blieb der Krieger stehen. Der heldenmütige Deutschmeister hat dann einen Abschied erhalten. Er zeigte seine abgetrennte Hand und die Marienmünze seinem Obersten. Mit der goldenen Medaille auf der Brust ist er dann heimgekommen.

«Zeig mir deine rechte Hand, Kind!« rief ihm seine Mutter.

Der Krieger wies ihr den vernarbten Stumpf[12].

«O, ich habe davon gewusst!« fuhr sie fort. »Danke der lieben Himmelsfrau. Du bist nicht tot im Feld.«

Den Madonnentaler aber bewahrte der Krieger sorgsam auf. Und heute ist er im Besitz von seinen braven Kindeskindern.

Der Teufel im Spiegel

Vor vielen Jahren wohnte in der Leopoldstadt ein junges hübsches Mädchen. Ihr Name war Clara. Sie führte ein sehr freies und wildes Leben. Stundenlang schminkte sich das Mädchen vor dem Spiegel. Es bewunderte sich auf sein Gesicht. Und so konnte Clara gar nicht aufhören.

Eines Tages war das Mädchen sehr krank. Es ging schon zum Sterben. Sie hat im Gebet versprochen, ihr Leben zu ändern. Sie wollte nur wieder gesund sein. Die Bitte half.

Schon nach kurzer Zeit hatte hübsche Clara wieder bester Gesundheit. Die guten Worte aber hatte sie vergessen.

Schon bald saß sie wieder vor ihrem Spiegel. Sie betrachtete sich mit Stolz. Sie puderte sich ihr Gesicht weiß. Dann zog sie die Augenbrauen schwarz nach. Sie färbte den Mund rot. Clara war begeistert von ihrer Malkunst.

Plötzlich begann das Spiegelglas leise zu knacken. Clara konnte deutlich ein leises Knistern hören. Sie bemerkte plötzlich, ihr Gesicht konnte sie nicht mehr sehen. Verwundert wischte sie mit der Hand über den Spiegel. Sie fühlte sich plötzlich von einer übermächtigen Kraft festgehalten[13]. In diesem Moment starrte Clara aus dem Spiegel eine grinsende Teufelsfratze. Völlig verzweifelt rief sie:

«Ich bin nicht mehr eitel und nur mehr fromm leben!«

Doch für Versprechungen war es zu spät! Der Teufel sprang aus dem Spiegel. Er packte Clara an den Haaren und fuhr mit ihr in die Hölle.

Noch lange Zeit drohten Mütter ihren eitlen Töchtern mit den Worten:

«Du schaust so lange in den Spiegel, bis der Teufel herausspringt!«

Das Donauweibchen

Im Stadtpark, unter den Kronen von Bäumen, steht auf einem Brunnensockel ein hübsches Marmorstandbild. Es stellt ein Mädchen dar. Es hält ein Fischlein im Schoße. Das ist das Donauweibchen. Man erzählt von ihm folgende Geschichte.

Vor vielen, vielen Jahren war Wien noch ein kleines Städtchen. Da lebten einfache Fischersleute am Ufer von der wilden Donau. Sie floss damals noch nicht so friedlich wie heute. Sie hatte zahlreiche Arme[14]. Es gab keinen Damm, der im Frühjahr die kleinen Holzhütten von den Fischern vor dem gefährlichen Hochwasser schützen kann. Es war kein leichtes Leben für die Fischer. Den ganzen Sommer mussten sie fleißig an der Arbeit sein. Tage und Nächte verbrachten sie in ihren Booten auf dem Wasser. Sie machten einen glücklichen Fang. Dann gingen sie in die Stadt und verkauften ihre Fische auf dem Markt. So konnten sie im Winter davon leben.

In einem solchen Dörfchen an der Donau bei Wien lebte auch ein alter Fischer mit seinem Sohn. Dem Vater ging die schwere Arbeit nicht mehr so leicht von der Hand wie dem Sohn. Aber sie waren beide fleißig und zufrieden. Das Leben gefiel ihnen recht gut.

Draußen war ein eisiger Sturm. Der Schnee hat die Donau bedeckt. Der Sohn hat die kleinen Fenster fest zugemacht. Er hat die geflickten Netze in eine Ecke von der Stube gelegt. Denn bei dem spärlichen Licht konnten sie nicht richtig arbeiten.

«Komm, Vater«, sagte der Sohn,»setz dich hier zum warmen Ofen. Es ist Winter, deshalb eilt die Arbeit nicht so sehr.«

«Du hast recht«, antwortete der Greis,»wir machen Feierabend für heute.«

Der Sohn warf ein großes Aststück in die Flammen, damit das Feuer anhält.

«Nun, Vater, erzähl eine von den vielen Geschichten, die du weißt. Damit wir uns nicht langweilen.«

Da erzählte der alte Fischer sonderbare Dinge von Wassergeistern und Nixen. Der Sohn wollte gar nicht recht glauben. Mahnend sprach der alte Fischer zu ihm:

«Du bist zwar groß und stark und ein tüchtiger Fischer. Aber du bist noch jung. Du hast nicht so viel erlebt wie ich. Du darfst nicht lachen darüber. Jeder alte Fischer kann es bestätigen. Einige von ihnen sind nicht mehr unter uns. Die Geister der Donau haben ihn zu sich genommen. Auf den Grund von Donau. Da steht ein großer Palast. Er ist ganz aus grünem Glas. Er gehört dem Donaufürsten. Er lebt da mit seiner Frau und seinen Kindern. Auf großen Tischen stehen irdene Töpfe. Da halten sie die Seelen von den Ertrunkenen. Der Donaufürst ist ein starker Geist. Er hat die Gestalt von einem Jäger. Er mag am Ufer von der Donau spazieren gehen. Er nimmt einem Fischer, der ihn anspricht. Mit starkem Griff packt er ihn und zieht ihn in die Tiefe.

Auch mit seinen Töchtern ist er streng. Nur mit List gelingt es ihnen, dem unterirdischen Palast zu entfliehen und sich unter die Menschen zu mengen[15]. In windstillen Sommernächten kannst du ihren Gesang hören. Sie locken damit jungen Leute an. Du kannst sie aber auch in den Tanzstuben treffen. Sie sind wie die übrigen Mädchen. Wenn aber der Hahn zum ersten Mal kräht, sind sie verschwunden[16]. Sie kehren dann schnell in ihren Palast zurück. Sie dürfen sich nicht verspäten. Sie erhalten aber grausame Schläge von ihrem Vater. Er kann sie sogar wahrscheinlich töten. Dann ist am nächsten Tag das Wasser von der Donau blutig rot.«

Der Vater erzählte. Aber der Sohn schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf.

«Sei mir nicht böse, Vater«, sagte er endlich,»deine Geschichten sind zwar recht kurzweilig. Und ich höre sie immer wieder gerne. Aber ich kann das alles nicht glauben. Ich habe schon viele Nächte auf der Donau verbracht. Aber noch nie habe ich den Donaufürsten oder eine von seinen Töchtern gesehen.«

Da war es mit einem Schlag hell in der Stube. Und im Türrahmen stand eine schlanke Mädchengestalt von überirdischer Schönheit. Um ihren Körper floss ein langes, weißschimmerndes Kleid. In ihrem schwarzen Haar waren weiße Wasserlilien. Erschrocken waren Vater und Sohn. Unverwandt starrten sie in das gütige Gesicht von der Erscheinung.

«Fürchtet euch nicht vor mir«, sagte sie, »ich mache euch nichts Böses. Ich will nur euch warnen. Tauwetter kommt bald. Und das Eis kracht in Stücke. Das Hochwasser kann die Dörfer überflutet. Es bedroht eure Häuser. Lauft daher weit ins Land. Sonst seid ihr alles verloren!«

Sie hat dies gesprochen. Und plötzlich ist die holde Gestalt verschwunden. Die beiden Fischer aber verloren keinen Augenblick. Trotz des eisigen Sturmes[17] liefen sie zu den einzelnen Hütten. Sie warnten die Leute.

«Das war das Donauweibchen«, sagte ein alter Fischer.»Unseren Hütten droht Gefahr. Immer kommt es und warnt uns. Packt schnell das Nötigste. Wir fliehen sofort!«

So kam es. Alle Fischerhütten standen leer. Nach wenigen Tagen war wirklich Tauwetter. Die riesigen Wassermassen traten über die Ufer. Alles überschwemmten ringsum. Nach einigen Wochen ging das Wasser zurück. Die Fischer kamen nach ihren alten Wohnplätzen zurück.

Sie bauten ihre Hütten wieder auf. Die Freude über die Rettung vom Dorf vor dem sicheren Tod war groß. Nur der junge Fischer war traurig. Seit er das Donauweibchen gesehen hatte, war er vor lauter Sehnsucht nach dem schönen Geschöpf der Donau ganz außer sich[18]. Er konnte nicht mehr lachen und scherzen. Sondern ruderte er mit dem traurigen Herzen weit mit seinem Boot in die offene Donau. Sein Vater wusste das. Und er sprach oft mit seinem Sohn. Er wollte ihn auf andere Gedanken bringen. Aber alles war umsonst[19].

Eines Tages kam der junge Fischer von seiner Fahrt nicht mehr zurück. Nur sein leeres Boot haben die Wellen an das Ufer getragen. Da wusste der Alter – das Donauweibchen hat seinen Sohn zu sich geholt. Er weinte viel.