Читать книгу «Eine Spur von Mord » онлайн полностью📖 — Блейка Пирс — MyBook.
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KAPITEL SIEBEN

Keri versuchte ruhig zu bleiben, während ihr Blutdruck langsam stieg. Sie fuhr Richtung Süden auf der auf 110 zum Hafen von Los Angeles in San Pedro. Der Feierabendverkehr wurde immer dichter. Es war nach vier Uhr und sie kam trotz der Sirene nur schleppend voran.

Schließlich fuhr sie vom Highway ab und folgte dem gewundenen Straßenverlauf, bis sie bei einem Verwaltungsgebäude in der Palos Verdes Street ankam. Dort sollte sie ein paar Kollegen von der Hafenpolizei treffen, die mit ihr Brenner befragen sollten. Die Hafenpolizei musste konsultiert werden, da sie sich in ihrem Revier befand.

Normalerweise scherte Keri sich nicht um solche bürokratischen Regelungen, aber heute hatte sie nichts gegen ein bisschen Unterstützung einzuwenden. Eigentlich war sie im Umgang mit möglichen Verdächtigen sehr selbstbewusst. Sie war in Krav Maga, einer besonderen Selbstverteidigungstechnik, ausgebildet und Ray hatte ihr sogar ein paar Boxstunden gegeben. Aber mit ihrer angeknacksten Schulter und den gebrochenen Rippen fühlte sie sich nicht so stark wie sonst und sie wusste nicht genau, was sie bei Brenner erwartete.

Von Detective Manny Suarez hatte sie unterwegs per Telefon erfahren, dass Brenner scheinbar kein einfacher Mensch war. Er war in den vergangenen Jahren mehrfach verhaftet worden: Alkohol am Steuer, Diebstahl, tätlicher Übergriff mit Körperverletzung und sogar Betrug, weswegen er sechs Monate hinter Gitter verbracht hatte. Das war vor vier Jahren, und da er eigentlich fünf Jahre lang den Bundesstaat nicht verlassen durfte, hatte er technisch gesehen gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen.

Jetzt arbeitete er hier im Hafen von San Pedro. Laut Becky Sampson hatte er behauptet, erst vor kurzem hierher gezogen zu sein, doch die Akten zeigten, dass er bereits seit über drei Monaten in einer Wohnung in Long Beach wohnte.

Als Keri eintraf, wartete Sergeant Mike Covey von der Hafenpolizei bereits mit zwei weiteren Beamten auf sie. Covey war Mitte vierzig, groß, schlank und glatzköpfig. Er strahlte Autorität aus. Sie hatte ihm telefonisch über ihre Ermittlungen informiert und er hatte die Informationen scheinbar bereits an seine Männer weitergegeben.

„Brenners Schicht endet um vier Uhr dreißig“, verkündete Covey, nachdem sie Hände geschüttelt hatten. „Da es bereits nach vier ist, habe ich den Pier-Manager gebeten, die Crew heute nicht früher gehen zu lassen.“

„Sehr gut. Dann sollten wir uns am besten direkt auf den Weg machen. Ich möchte ihn kurz in seiner vertrauten Umgebung sehen, bevor ich mit der Befragung beginne.“

„Einverstanden. Vielleicht sollten wir mit Ihrem Wagen fahren, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Kuntsler und Rodriguez können im Dienstwagen nachkommen. Wir fahren in dieser Gegend regelmäßig Patrouille, der Wagen an sich wird nicht weiter auffallen. Es wäre etwas anderes, wenn sie eine fremde Person aus dem Wagen steigen sehen.“

„Alles klar“, bestätigte Keri und war erleichtert, dass sie mit kompetenten Männern zusammenarbeiten durfte, die ebenfalls keine großen Wellen schlagen wollten. Ihr Chef hasste schlechte Publicity, je diskreter die Polizei arbeitete, desto besser.

Keri folgte Sergeant Coveys Anweisungen gemäß über die Vincent Thomas Brücke zum Besucherparkplatz von Pier 400. Die Fahrt dauerte länger, als Keri angenommen hatte. Sie erreichten ihr Ziel erst um 4 Uhr 28.

Covey informierte den Pier-Manager über Funk, dass er die Crew jetzt entlassen konnte.

„Brenner müsste jeden Moment hier vorbei kommen“, sagte er zu Keri. Der Dienstwagen der Hafenpolizei fuhr an ihnen vorbei und drehte eine langsame, große Runde. Keiner beachtete sie.

Keri beobachtete die Hafenarbeiter, die jetzt den Pier entlang kamen. Einer der Männer bemerkte, dass er noch immer seinen Helm trug, und trabte zurück in die Halle, um ihn abzugeben. Zwei Männer rannten um die Wette zu ihren Autos, der Rest ging gelassen in einer großen Gruppe.

„Da ist er“, sagte Covey und wies mit dem Kinn auf einen Typen, der etwas abseits alleine ging. Coy Brenner hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Mann in dreckigen Shorts, der vor vier Jahren in Arizona verhaftet wurde. Das Foto von damals zeigte einen durchtrieben und unruhig wirkenden Mann mit längeren braunen Haaren und grauen Bartstoppeln.

Der Mann, der jetzt über den Parkplatz schlenderte, hatte bestimmt zwanzig Kilo mehr auf den Rippen. Seine Haare waren ordentlich kurz geschnitten und sein Bart war lang und dicht. Er trug Jeans und ein kariertes Baumwollhemd, sein Blick war auf den Boden gerichtet. Er sah ernst aus. Coy Brenner kam Keri auf den ersten Blick nicht unbedingt glücklich vor.

„Könnten Sie mir ein paar Minuten geben, Sergeant? Ich würde gerne herausfinden, wie er reagiert, wenn er von einer Polizistin konfrontiert wird.“

„Sicher. Ich werde eine kleine Runde drehen und meinen Männern Bescheid geben, sich fürs erste ebenfalls zurückzuhalten. Geben Sie mir ein Zeichen, wenn wir kommen sollen.“

„Abgemacht.“

Keri stieg aus dem Wagen und zog ihren Blazer über, um die Dienstwaffe zu verbergen. Dann ging sie mit ein wenig Abstand hinter Brenner her. Er schien in seinen eigenen Gedanken versunken und bemerkte sie nicht. Als er bei seinem alten Pickup Truck ankam, hatte sie ihn fast eingeholt. Gerade als sie ihn ansprechen wollte, vibrierte ihr Handy in der Hosentasche. Sie zuckte zusammen, doch er schien sie immer noch nicht zu bemerken.

„Wie geht’s, Coy?“, fragte sie kokett.

Er wirbelte überrascht herum. Keri nahm ihre Sonnenbrille ab, grinste ihn breit an und stemmte ihre Hand in die Hüfte.

„Hi?“, antwortete er, doch es klang eher wie eine Frage.

„Sag bloß, du erinnerst dich nicht an mich. Es ist vielleicht fünfzehn Jahre her. Du bist Coy Brenner aus Phoenix, richtig?“

„Ja. Sind wir zusammen zur Schule gegangen?“

„Das nicht gerade, aber wir haben eine Menge voneinander gelernt, wenn du das meinst. Du kannst mich doch nicht vergessen haben.“

Ob ich zu dick auftrage? Vielleicht sollte ich einen Gang zurück schalten.

Doch Coys Gesicht entspannte sich und sie wusste, dass er angebissen hatte.

„Sorry. Ich hatte einen langen Tag und es ist ja wirklich schon lange her“, sagte er entschuldigend. „Warum hilfst du mir nicht auf die Sprünge? Verrate mir deinen Namen.“ Er schien wirklich überrascht zu sein.

„Keri. Keri Locke.“

„Es tut mir wirklich leid, Keri Locke, aber ich kann dich immer noch nicht einordnen. Dabei bist du definitiv der Typ Frau, an den man sich erinnern würde. Was treibt dich hierher?“

„Ich hatte die Nase voll von der Hitze in Arizona. Jetzt arbeite ich für die Stadtverwaltung. Ich bearbeite Fälle – nichts Besonderes. Und du?“

„Das siehst du doch, ich arbeite am Hafen.“

„Ein Junge aus der Wüste, der jetzt am Hafen arbeitet. Wie ist es denn dazu gekommen? Wolltest du dein Glück in Hollywood probieren? Oder Surfen lernen? Oder bist du wegen einer Frau hier?“

Sie sagte es ganz nebenbei, beobachtete seine Reaktion aber genau. Sein interessiertes und amüsiertes Grinsen wich einem gewissen Misstrauen.

„ich weiß immer noch nicht, wer du bist, Keri. Wo haben wir uns kennen gelernt?“ Sein Ton klang jetzt etwas schärfer als noch vor einer Minute.

Keri spürte, dass ihre Deckung an Überzeugungskraft eingebüßt hatte. Sie hatte nicht mehr viel Zeit und beschloss, etwas aggressiver vorzugehen.

„Vielleicht erinnerst du dich nicht an mich, weil ich nicht aussehe wie Kendra. Ist das vielleicht das Problem, Coy? Hast du nur Augen für sie?“

Er sah jetzt verärgert aus und machte einen Schritt auf sie zu. Keri sah, wie es unwillkürlich die Faust ballte. Sie blieb ganz ruhig.

„Wer zum Teufel bist du?“, fragte er. „Was soll das?“

„Ich will mich nur mit dir unterhalten, Coy. Warum bist du plötzlich so angespannt?“

„Ich kenne dich nicht“, stellte er schließlich fest. Seine Stimme klang jetzt geradezu feindlich. „Wer hat dich geschickt? Ihr Mann? Bist du ein Privatdetektiv?“

„Was wäre, wenn? Gäbe es denn etwas herauszufinden? Willst du mir vielleicht etwas sagen?“

Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Sein Gesicht war jetzt keinen halben Meter mehr von ihrem entfernt. Anstatt sich einschüchtern zu lassen, spannte Keri die Schultern an und erhob ihr Kinn.

„Ich glaube, es war ein großer Fehler, hierher zu kommen, kleine Lady“, knurrte Coy. Er stand mit dem Rücken zum Einsatzfahrzeug, das langsam hinter ihm herangerollt war und jetzt ein paar Meter entfernt stand.

Aus dem Augenwinkel sah Keri, dass auch Sergeant Covy langsam auf sie zukam, ebenfalls darauf bedacht, nicht von Brenner entdeckt zu werden. Sie hatte plötzlich das starke Bedürfnis, die Männer heranzuwinken, aber sie unterdrückte es.

Jetzt oder nie.

„Was hast du mit Kendra gemacht, Coy?“, zischte sie. Nichts erinnerte mehr an das Katz und Maus-Spiel, mit dem sie begonnen hatte. Sie starrte ihn herausfordernd an und fuhr mit den Fingerspitzen über ihren Pistolengürtel, bereit sich selbst zu verteidigen.

Auf ihre Frage hin veränderte sich sein Blick jedoch wieder. Er war jetzt nicht mehr wütend, sondern verwirrt. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, worauf sie anspielte. Er machte einen Schritt zurück.

„Was?“

Sie spürte, dass er nichts getan hatte, bohrte aber trotzdem nach.

„Kendra Burlingame wurde als vermisst gemeldet und mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie ihr nachgestiegen sind. Wenn Sie ihr irgendetwas angetan haben, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, den Mund aufzumachen. Wenn Sie kooperieren, werde ich Ihnen helfen, ansonsten könnte es hässlich für Sie werden.“

Er starrte sie weiterhin ungläubig an. Er schien nicht ganz zu begreifen, was sie gerade gesagt hatte. Sergeant Covey war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Auch seine Hand ruhte auf seiner Waffe.

„Kendra ist verschwunden?“, fragte Brenner und klang wie ein Kind, das gerade erfahren hat, dass sein Hund weggelaufen ist.

„Wann haben Sie sie zuletzt gesehen, Coy?“

„Auf dem Klassentreffen. Ich habe ihr erzählt, dass ich jetzt in der Nähe wohne und sie vielleicht mal besuchen würde. Aber sie hat mir ziemlich deutlich gezeigt, dass sie kein Interesse an meiner Gesellschaft hat. Ich glaube, ich war ihr peinlich. Das wollte ich wirklich nicht, also habe ich mich nicht mehr bei ihr gemeldet.“

„Wollten Sie sich nicht an ihr rächen, weil sie Sie blamiert hat?“

„Sie hat mich nicht blamiert, ich habe mich ganz von alleine geschämt, dass ich jemandem so unangenehm sein kann. Ich habe mich durch ihre Augen gesehen und mir ist bewusst geworden, wie tief ich gefallen bin. Das hat mir die Augen geöffnet. Ich habe mir immer eingebildet, wie cool und wie taff ich bin. Erst durch Kendra ist mir klar geworden, dass ich eigentlich ein ziemlicher Verlierer bin.“

Er sah sie verzweifelt an, suchte nach Empathie in ihren Augen. Keri empfand aber nicht das Bedürfnis, seine Gefühlswelt zu erkunden. Sie hatte genügend eigene Probleme, um sich auch noch um die der anderen zu kümmern.

„Wo waren Sie gestern, Coy Brenner?“, fragte sie. Er akzeptierte, dass sie das Thema wechselte und nickte.

„Ich war gestern den ganzen Tag hier. Mein Boss kann das bestätigen.“

„Das werden wir gleich überprüfen“, sagte Sergeant Covey. Brenner zuckte zusammen. Dann drehte er sich zu Covey um und stellte erstaunt fest, dass nicht nur der Sergeant, sondern auch der Dienstwagen mit den anderen beiden Beamten hinter ihm stand.

„Dann sind Sie also ein Cop“, bemerkte Brenner.

„Ich arbeite für die LAPD, Einheit für Vermisste Personen.“

„Ich hoffe, Sie finden Kendra. Sie ist ein toller Mensch. Durch sie ist die Welt ein besserer Ort und sie hat es verdient, glücklich zu sein. Ich hatte schon immer eine Schwäche für sie, aber ich weiß, dass sie in einer anderen Liga spielt. Wenn ich irgendwie helfen kann, sagen Sie bitte Bescheid.“

„Detective Locke“, warf Sergeant Covey ein, „wenn Sie keine Fragen mehr haben, würde ich jetzt sein Alibi überprüfen. Ich gehe davon aus, dass sie noch andere Dinge zu erledigen haben. Es gibt ohnehin noch einiges zu klären. Mr. Brenner hat bei seiner Bewerbung über seinen Bewährungsstatus geschwindelt. Das ist ein Kündigungsgrund.“

Keri sah, wie Coy Brenners Gesicht noch länger wurde. Er gab wahrlich ein armseliges Bild ab, und jetzt war er auch noch arbeitslos. Sie versuchte das Gefühl, dass sie dafür mitverantwortlich war, abzuschütteln.

„Vielen Dank, Sergeant. Es sieht tatsächlich aus, als liefen meine Ermittlungen in eine Sackgasse. Ich sollte mich um andere Spuren kümmern. Danke für Ihre Hilfe.“

Als Covey und die anderen Beamten Coy Brenner zum Verwaltungsgebäude brachten, stieg Keri in ihr Auto und las die Mitteilung, die zuvor auf ihrem Handy eingegangen war.

Die Nachricht war von Brody.

DIE GALA FINDET STATT, WIR SOLLTEN UNS DORT UMHÖREN. ZIEH‘ WAS SCHICKES AN, KLEINES. WIR TREFFEN UNS DORT.

Brody erstaunte sie immer wieder mit seinen unprofessionellen und sexistischen Sprüchen. Ihm fiel scheinbar auch nicht auf, dass eine Gala, deren Gastgeber verschwunden ist, vielleicht nicht der beste Ort ist, um Freunden und Bekannten der Vermissten auf den Zahn zu fühlen.

Abgesehen davon besitze ich gar nichts Schickes anzuziehen.

Das war aber nicht der einzige Grund für ihre Abscheu. Keri musste zugeben, dass diese Veranstaltung sie an ihr altes Leben erinnerte, als sie noch eine hochgeschätzte Professorin war, Frau eines erfolgreichen Talentscouts und Mutter eines bezaubernden kleinen Mädchens. Diese Gala wäre eine prunkvolle und schmerzhafte Erinnerung an ihr perfektes Leben, bevor sie Evie verloren hatte.

Manchmal hasste sie diesen Job.

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