Читать книгу «Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке» онлайн полностью📖 — Бернгарда Келлермана — MyBook.

XVI

Auf der Treppe des Rathauses blieb Fabian eine Weile stehen und blickte über den Platz. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass das Gespräch mit Taubenhaus ihn mit tiefer Befriedigung erfüllt hatte.

Er empfand den Auftrag von Taubenhaus als überaus ehrenvoll. Welches Vertrauen setzte dieser ihm unbekannte Taubenhaus in ihn? Natürlich würde er sich hüten, auch nur mit einer Seele darüber zu sprechen! Die Rede würde ihn in der ganzen Stadt, ja im ganzen Land bekannt machen. Vielleicht lenkte sie auch die Aufmerksamkeit des Gauleiters auf ihn? Seine Position war gerettet. Viele Leute, das wusste er genau, zweifelten nicht an seiner Begabung, andere aber, Mißgünstige und Neidische, erklärten ihn für einen «Blende».. Nun, diesen Leuten würde er den «Blende». zeigen! Eitelkeit und Stolz färbten seine hübschen Wangen.

Der Entwurf der Rede beschäftigte ihn Tag und Nacht, selbst während er in seinem Büro Schriftsätze diktierte. Viele Stunden am Tage und am Abend ging er in der Stadt spazieren, die zur schönsten Stadt des Reiches werden sollte. Hier war er geboren, hier kannte er jeden Stein, und doch sah er sich alles nochmals genau an, mit neuen, prüfenden, kritischen Augen gleichsam, vom Pflaster bis zu den Dächern und Turmspitzen. Die barocken Häuser in der Altstadt, die Taubenhaus störten, gefielen ihm wie immer außerordentlich. Zwar waren sie nur schmal und standen eng, aber sie verliehen der Stadt ihren Charakter. Natürlich sollten sie erhalten bleiben.

Fabian besuchte den Historischen Verein, der in einem ehemaligen Nonnenkloser untergebracht war. Hier waren nur einige gotische Grabplatten mit abgeschlagenen Nasen zu sehen, ein paar verstaubte Säulenstümpfe und zwei kleine Vitrinen mit allerlei Feuersteinsplittern und Topfscherben aus germanischer Zeit, die von einer Ausgrabung bei Amselwies stammten und die niemand beachtete.

Auch dem Städtischen Museum stattete er einen Besuch ab. Hier sah man eine Anzahl von Stichen und alten Bildern, einige Truhen, Kommoden und Schränke, alles mit auffallender Lieblosigkeit angeordnet.

Am meisten fesselte ihn hier ein altes Gemälde, auf dem die Stadt mit den früher vergoldeten Turmspitzen des Doms dargestellt war. «Die Stadt mit den goldenen Türme». hieß das Gemälde, das ihn nicht mehr losließ. In diesem Augenblick durchfuhr ihn der Gedanke, in seinem Entwurf von diesen goldenen Turmspitzen auszugehen, denn er hatte den Eindruck gewonnen, dass es Taubenhaus vor allem darum zu tun war, Aufsehen zu erregen.

Die Stadt mit den goldenen Türmen! Dieser Gedanke erfüllte ihn, als er dem Hofgarten zustrebte, um sich mit seinem Auftrage zu beschäftigen. War das nicht ein prachtvolles Schlagwort, eine wirkungsvolle Empfehlung für die neue Stadt und das neue Programm? Eine Weile wurde er durch die herrlichen prunkvollen Dahlien abgelenkt, die vor dem Haus des Hofgärtners standen, dann verlor er sich in den Alleen, bis er an entlegene Stellen des Hofgartens kam, wo ihn eine magisch grüne Dämmerung völlig einhüllte, die zum Nachdenken wie geschaffen war. Dort nahm er auf einer stillen Bank Platz, zog einen Notizblock aus der Tasche und versenkte sich in tiefes Nachdenken. Niemand sollte auf den Gedanken kommen, dass Rechtsanwalt Fabian am lichten Tag im Hofgarten säße und untätig vor sich hinträumte.

In der Stadt gab es eine alte Brücke, die «Bischofsbrück». genannt wurde. Ein Bischof und die Apostel, herrliche Barockstatuen, bildeten ihren Schmuck. Kaum tausend Schritt von der «Bischofsbrück». entfernt führte eine moderne, höchst nüchterne Brücke über den Fluss, die kurz «Neue Brück». hieß. Fabian wollte sie, ganz wie die «Bischofsbrück», ebenfalls mit einer Anzahl von Statuen schmücken. Sie sollten Krieger aus allen Epochen der deutschen Geschichte darstellen, Germanen mit Keulen, Landsknechte mit Spießen, einen Trommler aus den Freiheitskriegen, einen Reitergeneral, etwa Friedrich den Großen[53]. Alle zusammen würden sie das Pendant zu dem Bischof mit den Aposteln bilden, und die Brücke sollte fortan «Heldenbrück». heißen.

Es war zur Zeit beliebt, das Heldische im Volk zu betonen. Fabians altes Soldatenherz selbst begeisterte sich dafür, und Taubenhaus, Pionierhauptmann aus dem Weltkrieg, würde von dem Vorschlag sicher hell entzückt sein.

Auch den Gedanken des Baurats Krieg, die alte Reitschule umzubauen, verflocht er in seine Vorschläge. Wenn es auch nicht sein eigener Gedanke war, er war gut zu verwenden. Ohne Zweifel würde es für die Stadt einen ungeheuren Gewinn bedeuten, einen neuen Marktplatz zu erhalten. Man konnte auf diese Weise den heutigen Rathausplatz prächtig und würdig ausgestalten. Wolfgangs Narzissbrunnen kam in die Mitte, vor dem Rathaus selbst aber stand, wie in vielen alten deutschen Städten, eine hoheitsvolle Rolandfigur[54]. Wolfgang müsste sie schaffen. Ein herrlicher Auftrag für ihn!

Jeden Tag dichtete er etwas in seiner «Stadt mit den goldenen Türme»..

Daneben versäumte Fabian keineswegs seine beruflichen oder gesellschaftlichen Pflichten. Seine Arbeitskraft war erstaunlich. Man konnte kaum durch die Strassen der Stadt gehen, ohne seiner gelben Aktentasche zu begegnen.

Er hielt Besprechungen in seinem Büro ab, diktierte Fräulein Zimmermann stundenlang Schriftsätze, nahm Termine wahr, man sah ihn im Theater, am späten Abend noch und häufig auch nachts war sein Büro noch hell erleuchtet.

Zuweilen kam er auch zu seinem Bruder Wolfgang, der in diesen Wochen fieberhaft an seinem «Kettensprenge». arbeitete, und öfter besuchte er auch Frau Lerche-Schellhammer, um ihr Bericht zu erstatten.

«Ich höre, dass die Werke drei neue große Hallen, ganz Glas und Eisen, zu bauen gedenken und vielleicht das Gut von Baron Metz im Norden der Stadt aufkaufen wollen».

Frau Beate lachte: «Weiß ich alles, dazu brauche ich doch keinen Anwalt, mein Lieber». Sie lachte Fabian einfach aus. «Sie sollen herausfinden, weshalb mich meine Brüder ausbooten wolle», forderte sie.

Um die Wahrheit zu sagen, machte Fabian diese häufigen Besuche nur, um Christa wiederzusehen. Er wollte sich darüber klarwerden, ob ihr Lächeln und ihre Sprache noch dieselbe starke Macht auf ihn ausübten.

In der Tat, sie taten es. Er fühlte, dass er nahe daran war, sich in Christa Lerche-Schellhammer zu verlieben. Sie plauderten oft ganze Stunden lang, und Christa erzählte ihm von ihren Reisen, die sie im letzten Jahr in Spanien gemacht hatte. Zuweilen kam es vor, dass ihn ein dringender Anruf in sein Büro zurückrief. Er hatte eine wichtige Besprechung völlig vergessen.

XVII

Eines Tages überfiel Fabian ganz plötzlich der Gedanke, die Stadt in eine Gartenstadt umzuwandeln! Er war wie im Fieber. Der Hofgarten und einige Alleen aus der bischöflichen Zeit bildeten einen herrlichen Anfang, der sich mit Grünflächen, Alleen und Blumenrabatten vervollständigen ließ. Es war in der Tat ein wundervoller Einfall! Ohne großen Aufwand an Geld und Zeit konnte man der Stadt besondere Schönheit und Großartigkeit verleihen. Eine Gartenstadt, Herr Taubenhaus!

Seinen ganzen Stolz aber bildete sein neuer Bahnhofsplatz. Wie war er heute? Nun, heute war er völlig reizlos, um nicht zu sagen öde und langweilig. Er war, offen gestanden, nichts als eine triviale Haltestelle der Trambahnen, um die sich die Leute bei Regen mit entsetzlichen Regenschirmen drängten. Morgen aber, morgen sollte er eine prächtige gärtnerische Anlage darstellen, mit einem lustig plätschernden Springbrunnen in der Mitte und reizvollen Kolonnaden für die Trambahnen. Kurz, ein Bahnhofsplatz ganz nach dem Geschmack Fabians, das würdige Vorzimmer einer noblen, beglückenden und reichen Stadt.

Er nahm eigens eine Tram, um sich von der Reizlosigkeit des heutigen Bahnhofsplatzes zu überzeugen. Einige veraltete Gasthöfe lagen hier, zweitklassige, schlecht bewirtschaftete Wirtschaften.

Während er im grünen Dämmer der alten Kastanien und Linden saß und an seiner Stadt baute, beschäftigte ihn fast ununterbrochen ein geheimer Gedanke, der immer da war, sooft er seine Theaterbauten, Sportplätze und Schwimmhallen auch nur auf Sekunden vergaß, es war die Erinnerung an Christa. Ihr Haus lag nicht weit entfernt, zuweilen sah er ein kleines hurtiges Auto vorüberfliegen, das ihn an den kleinen Wagen gemahnte, den sie steuerte, zuweilen hörte er hinter sich einen leisen Schritt und wandte sich um, und sein Herz pochte. Christa? Wie reizend hatte sie neulich von Spanien erzählt, und ihr Lächeln stand noch vor ihm.

Sobald er seine Einfälle geordnet hatte, ging er an die formale Fassung seiner Rede. Das fiel ihm nicht schwer, denn es war ja sein Beruf, seine Gedanken gewandt und klar auszudrücken. Dabei besaß er auch eine gewisse journalistische Gewandtheit und das, was er seine «poetische Ade». nannte.

Es handelte sich, kurz gesagt, darum, die geistigen und seelischen Kräfte der Stadt zu wecken und Gleichgültigkeit und Lauheit zu überwinden. Die Stadt musste von allen Bürgern in leidenschaftlicher Anteilnahme mitgebaut werden, wie in alten Zeiten von den Zünften. Da aber spürte Fabian einen Ruck im Herzen und sah augenblicklich auf. Kein Zweifel, das war Christa! Er erkannte jede Linie, obschon sie fast ganz von den Gebüschen verborgen war. Sie schlenderte langsam den schmalen Weg entlang, den sie gewöhnlich mit ihrem Auto fuhr, weil er asphaltiert war. In Gedanken ging sie dahin und schwang einen Zweig in der Hand, den sie zuweilen wie einen Taktstock bewegte.

Wenn er laut gerufen hätte, würde sie ihn gehört haben, aber das wagte er nicht, er sprach ihren Namen nur ganz leise aus.

Da blieb sie wie durch einen Zauber stehen und blickte sich um. Dann aber schlenderte sie weiter. Ich werde rufen, dachte er, aber im gleichen Augenblick hielt Christa erneut den Schritt an, um sich umzublicken. Diesmal ging sie näher an das Gebüsch heran. Sie war zu weit entfernt, als dass sie ihn erkennen konnte, aber etwas an der Gestalt auf der Bank im dämmerigen Gebüsch musste sie gefesselt haben, denn sie ging einige Schritte zurück, um auf einem schmalen Seitenweg zu erscheinen. Sofort erhob er sich, voller Freude, dass ein Zufall, oder was es sein mochte, sie zu ihm geführt hatte. Im gleichen Augenblick eilte sie auf ihn zu, sie hatte ihn erkannt.

«Ist es möglich». rief sie erfreut aus, als sie noch einige Schritt entfernt war. «Ich hatte das Gefühl, es ist jemand in der Nähe, den du kennst. Wie sonderbar ist das». Sie lächelte.

«Ich sah Sie an den Büschen entlanggehen und erkannte Sie sofor», rief Fabian und ging ihr entgegen.

Sie reichte ihm die Hand. «Sie arbeiten hier im Hofgarte», fragte sie und blickte auf den Block, den er noch in der Hand hielt. «Ich störte Sie doch nicht».

«Nicht im geringsten. Ich bin eben fertig geworden, als ich Sie erblickte».

«Ich hatte eine Pann», fuhr Christa lebhaft fort, «und musste den Wagen in der Stadt stehenlassen, um zu Fuß nach Hause zu gehen. Begleiten Sie mich ein Stückchen, wenn Sie Zeit haben».

«Gern».

Sofort begann Christa eifrig zu plaudern. «Die Photos von meiner Spanienreis», sagte sie, «von denen ich das letztemal sprach, als der dumme Anruf aus Ihrem Büro kam, sind wirklich so interessant, dass Sie sie sehen müssen. Sobald Sie wieder zu uns kommen, müssen Sie sich ein Stündchen Zeit frei halten. Oder noch besser, Mama ist auf einige Tage verreist, und ich trinke jetzt häufig im „Residenzcafe“ meinen Tee. Haben Sie Zeit, mir einmal im „Residenzcafe“ Gesellschaft zu leisten».

Ihre Aufforderung war so herzlich und natürlich, ihre braunen Augen schimmerten freudig aus ihrem lächelnden Gesicht, dass Fabian errötete. Es war fast, als ob sie gesagt hätte: Ich liebe Sie.

«Ja natürlch? ich würde mich sehr freue», eriwderte Fabian. «Sie brauchen nur den Tag zu bestimmen».

Christa lachte und blieb stehen. «Wenn ich aber morgen sage».

Fabian lächelte. Es tat ihm leid, nicht sofort zustimmen zu können. «Morgen bin ich bestellt. Aber sagen wir übermorgen? Zu welcher Zeit».

«Gegen fünf Uhr».

«Gut, fünf Uhr».

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