Характерна для экспрессионистических устремлений Франка его повесть «Карл и Анна». Чрезвычайно условно все построение этой повести. Ее сюжет, как об этом рассказывает сам Франк, был подсказан ему маленькой заметкой в газете о возвратившемся из плена солдате, который был осужден за то, что, явившись к вдове своего товарища, пытался выдать себя за ее погибшего мужа. Эпизод судебной хроники развит и разработан Франком до мельчайших деталей. Франк как бы производит эксперимент: берет обыкновенных людей, одного из них, Карла, наделяет сильным воображением, этой отличительной чертой своих любимейших героев, и смотрит, что произойдет с ними, если их поставить в невероятную ситуацию. Франк стремится с наибольшей полнотой проследить все психологические нюансы поведения героев, окружая их исключительную судьбу вполне обыденными аксессуарами. В биографиях эпизодических действующих лиц, окружающих Карла, Рихарда и Анну, в описании быта берлинской окраины, много настоящего реализма – сурового, беспощадного, точного.
Сергей Львов
Leonhard Frank, 1882–1961, Romaschriftsteller und Novellist, auch Dramatiker, war Sohn eines Schreinergesellen, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er erlernte das Schlosserhandwerk, war Fabrikarbeiter, Chauffeur, Anstreicher und Klinikdiener. Ab 1904 lebte er in München und war unter anderem als Grafiker tätig. Dann wandte er sich der Literatur zu und siedelte 1910 nach Berlin über. 1915 musste er wegen seiner offenen Kriegsgegnerschaft in die Schweiz fliehen, wo er sich dem pazifistischen Kreis um R. Schickele anschloss. Im November 1918 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde in München Mitglied des Revolutionsrates. 1920–1933 lebte er als freischaffender Schriftsteller und wurde 1928 zum Vizepräsidenten des PEN-Clubs. 1933 emigrierte er erneut in die Schweiz, lebte vorübergehend in London und siedelte 1937 nach Paris über. Nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde Frank zunächst in einem französischen Lager interniert. Als die faschistischen Truppen in die Bretagne einfielen, floh er nach Marseille, wo er in ein Gefängnis eingeliefert wurde, floh erneut und landete in den USA. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück, besuchte 1955 die Sowjetunion, wurde 1957 Ehrendoktor der Humboldt-Universität Berlin. 1953 erhielt Frank den Nürnberger Kulturpreis, 1955 – den Nationalpreis der DDR, 1960 – die Tolstoi-Medaille der UdSSR.
Schon in Franks erstem Buch, dem autobiografisch gefärbten Roman „Die Räuberbande“ (1914, Fontane-Preis), der den Dichter weithin bekannt machte, klingt eines der Hauptthemen seines frühen Schaffens an: die humoristische Entlarvung und kritisch-realistische Schilderung des deutschen Kleinbürgertums. Die Räuberbande ist eine Schar Würzburger Knaben, die gegen die Erwachsenen rebellieren und aus ihrer Gesellschaft auszubrechen versuchen, aber, bis auf einige Ausnahmen, schließlich als „gute“ Bürger enden. „Das Ochsenfurter Männerquartett“ (1927) schildert, wie die ehemaligen „Räuber“ nach schlecht überstandener Inflation ihre finanzielle Misere durch musikalische Darbietungen zu bessern versuchen, und der letzte Roman dieser Reihe, „Von drei Millionen drei“ (1932), führt das Sujet fort, indem der Autor seine Helden den vergeblichen Versuch unternehmen lässt, ihrem Elend zu entrinnen; geschlagen und hoffnungslos kehren die zwei Überlebenden von ihrer „Weltreise“ zurück.
Als Novellist trat Frank 1915 mit „Die Ursache“ auf, einer leidenschaftlichen Anklage gegen den Staat, das Schulsystem der Wilhelminischen Ära und die Todesstrafe. 1918, inmitten der größten Kriegswirren, hatte Frank als Protest gegen den imperialistischen Krieg sein aufrüttelndes Novellenbuch „Der Mensch ist gut“ (Kleist-Preis 1920) folgen lassen. In den 20er Jahren entstanden seine weiteren hervorragenden Novellen und Erzählungen: so das Meisterwerk „Karl und Anna“ (1927), eine Heimkehrergeschichte, in der „die Liebe als Urgewalt auf den Plan tritt“ (Polgar) und die Frank 1929 zu dem gleichnamigen erfolgreichen Drama umgestaltete.
Die westdeutsche Nachkriegszeit spiegelt der Roman „Die Jünger Jesu“ (1949), in dem sich eine Gruppe junger Menschen zusammenfindet, um Gerechtigkeit zu üben.
Franks romanhafter Lebensbericht, Bekenntnisbuch und Chronik in einem, trägt den charakteristischen Titel „Links, wo das Herz ist“ (1952).
Diese Erzählung ist häufig als eine der schönsten und tiefsten Liebeserzählungen charakterisiert worden, die unsere Literatur im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. In vielen Fällen wurde das Werk aber ausschließlich unter dem Aspekt der Kriegs- und Heimkehrerproblematik analysiert. Doch zentrales Thema dieser Erzählung ist nicht die Tragik des Heimkehrers Richard, der seine Frau in den Armen eines anderen findet, sondern die alle Widerstände überwindende Macht der Liebe zwischen Karl und Anna, zwischen zwei Menschen, die füreinander bestimmt sind. In dieser Liebe sind nicht selten irrationale Faktoren hineininterpretiert worden. … Eine genauere Analyse ergibt, dass auch die ungewöhnliche Liebe Karls zu Anna als eine gesellschaftlich begründete Erscheinung zu deuten ist, denn Karl spürt, dass er nur durch die Vereinigung mit Anna „die lähmende Einsamkeit seines bisherigen Lebens überwinden kann.“ Dieses Leben „war bis zu seiner Rückkehr leer, ewige Unruhe und Herzdruck des Alleinseins gewesen.“ Die Überwindung der Vereinsamung und Entfremdung des Individuums in der voll entfalteten Gesellschaft jener Zeit durch die große und starke Neigung zweier Menschen zueinander – das ist das eigentliche Grundmotiv dieser heute schon klassischen Liebesgeschichte der deutschen Literatur.
Über dem fernen, fernen planetar gewölbten Horizont der Steppe, an der Grenze zwischen Europa und Asien, erschien ein Punkt, kleiner als ein Singvogel, der sich mit größter Geschwindigkeit zwei Männern näherte und doch in seiner blauen Ferne an derselben Stelle reglos zu verharren schien, so überwältigend groß waren hier Himmel und Erde.
Das Flugzeug wurde trotz seiner Schnelligkeit erst nach Minuten als solches erkennbar. Es lag in immergleicher Höhe und stieg scheinbar dennoch in riesigem Bogen himmelwärts.
Als der Flieger über zwei Männern schwebte, in der flimmernden Atmosphäre, sah er ein schwarzes Kreuz, viele Kilometer lang und breit, das auf der Steppe lag: einen Längsgraben und einen Quergraben, die von den zwei Männern in die dunkle Steppenerde gestochen worden waren.
Der Flieger konnte nicht erraten, welchem Zwecke dieses Grabenkreuz in der unbewohnten, einsamen Steppe dienen sollte. Er flog weiter nach Westen, in immer gleicher Höhe, schien jetzt in riesigem Bogen erdwärts zu gleiten und versank nach Minuten als winziger Singvogel wieder in den Horizont der Steppe.
Die zwei Männer waren wieder allein in der großen Einsamkeit.
Auch sie kannten nicht den Zweck des Kreuzes. Sie vermuteten nur, dass einmal vor Jahren der Bau einer Stauanlage geplant gewesen sei, um im Notfall die Steppe überschwemmen und den eventuellen Vormarsch der feindlichen Truppen erschweren zu können.
Sie waren mit einer transportablen Wellblechhütte und Proviant, der jeden Monat erneuert wurde, hierher geschickt worden, gleich nach ihrer Gefangennahme bei Kriegsausbruch, und hatten vier Sommer lang gegraben, unkontrolliert, unbeaufsichtigt. Sie hatten viele und lange Pausen gemacht, oft halbe Tage im Steppengras verschlafen und schließlich doch immer wieder zu graben begonnen. Weil der Mensch doch etwas tun müsse.
Vögel flogen Nahrung suchend beständig ab und zu. In dem myriadenstimmig ineinanderwogenden Gesang der Grillen stand die tiefe Stille, als ob die Erde ihren Lebensmittag erreicht hätte und nun horchend verharre.
Die Spitzhacke zerschnitt einen Wurm. Der Mann zog den Rest aus der Erde und schleuderte ihn hoch. Ein Vogel fing ihn im Fluge.
„Wenn sie in der Früh aufstand – ich lag in unserem Bett doch immer an der Wand und sie vorne —, bemerkte ich es gar nicht. Ganz, also ganz leis!“
„Das hast du mir auch schon erzählt. Du bist jedes Mal erst aufgewacht, wenn der Gashahn angefangen hat zu pfeifen.“
„Ja, so eintönig! Das wollt’ ich immer richten. Aber dann ging’s fort.“ Der Verheiratete schaufelte weiter. Er hatte den Bart stehenlassen und sah verwildert aus.
Der andere lag nebenan. Er kaute einen Halm und noch einen Halm. „Wie das nur kommt, dass ihre Brust so weiß ist und die Hüften und der Leib viel dunkler!“ Und da der Verheiratete noch schwieg:
„Wie Messing, sagst du.“
„Wenn du sie hast, vergeht dir das Denken und alles.“
Erst nach einer halben Stunde – der Vogelschwarm war ohne erkennbaren Grund schon mehrmals geschlossen abgeflogen, in die Steppe eingefallen und geschlossen zurückgekehrt – sagte er noch:“Aber das sind jetzt bald vier Jahre. Oft weiß ich gar nicht mehr, wie sie aussieht. Ich seh’ ihr Gesicht nicht mehr. Ich seh’s nicht. Weißt du, Karl, es verschwimmt alles. Nur im Traum: also, zum Greifen lebendig!“
„Ich weiß genau, wie sie aussieht. Alles! … Und wie sie ist. Alles!“
„Du hast sie ja noch nie gesehen … Mit dem Flieger wär’ ich bald bei ihr, so weit sie auch ist … Ach, wer hält das aus! Vier Jahre!“
„Du hast wenigstens jemand auf der Welt, der an dich denkt.“
„Das schon. Das ist richtig.“
„Der überhaupt für dich da ist! Aber ich … wenn ich nachdenk’ – da ist schon rein gar nichts.“
„Ja, sie wartet. Wenn sie nicht schon verreckt ist!“
„Sie ist nicht verreckt!“ rief der Liegende schnell und ließ sich wieder zurücksinken, blickte hinaus in die Steppe. Er sah die Frau, die er nie gesehen hatte, sah, wie sie in der Wohnküche, die er nie betreten hatte, die Kommode abstaubte und dann zu dem alten Diwan schritt, um die Decke zu glätten. Sie beugte sich hinab. Er wusste, dass der Diwan schief in die Wohnküche hineinstand, und kannte Farbe und Muster der Decke.
„Richard! Sag mal, Richard, wenn sie jetzt da wäre, deine Frau, würdest du, Richard, würdest du sie mir einmal lassen?“
Der Verheiratete stützte beide Hände auf den Schaufelstiel, Kinn auf die Hände. „Wenn sie jetzt da wäre …“ Er konnte den Gedanken nicht fassen.
„Sag!“
Er sah zuerst lange auf den Liegenden hinunter.
„Weil du ja auch in dieser verfluchten Not bist … Vielleicht … einmal, vielleicht . Aber beim zweitenmal würd’ ich dir mit der Hacke den Schädel einschlagen.“
„Ob der Gashahn wohl immer noch pfeift?“
Ein Wolkenschatten fiel. Der Grillenchor ebbte in die Steppe zurück und verstummte. Ganz nahe noch ein vereinzeltes, kurzes Zirpen. Die letzte Grille schwieg. Die Männer vernahmen in der vollkommenen Stille plötzlich das Summen ihres Blutes. In der Ferne flammte die noch besonnte Steppe flächenweise wie hell glühendes Gold auf.
Der Wolkenschatten verblaßte, verging an der blendenden Sonne: Myriadenstimmig setzte der Sommergesang wieder ein, wogend vom Horizont zum Horizont. Keine Halmspitze bewegte sich.
„Anna tät’s aber auch gar nicht. Die ist nicht zu haben für andere … Ich hab’ dir doch erzählt, dass ich sie erst entjungfern musste und wie schwer das hielt. Da war sie – auch das hab’ ich dir erzählt – schon dreiundzwanzig Jahre alt. Das ist doch allerhand … Nee, mein Lieber!“
Er hatte alles erzählt in den vier langen Sommern, immer allein mit seiner Sehnsucht, und war doch sonst ein schweigsamer Mann. In der Erinnerung erschien ihm auch das Schwerste schön: der tägliche Kampf ums Brot und um das Dach über dem Kopfe. Denn jetzt war die Gegenwart, die Einsamkeit, das Schwere.
Karl, der Kamerad dieser Einsamkeit, wusste, dass die Bettmatraze dreiteilig und Annas Beckenlinie ausladend und gewellt war; dass ihr Temperament immer zuerst das Schamgefühl durchbrechen musste; dass sie dann eine handfeste Frau war und sonst sehr still, geschickt und sauber. Er wusste, dass der Schürhaken einen Messinggriff und Anna drei kleine Muttermale hatte, braun wie Samt. Er kannte die Stelle, wo das Öfchen und der Schürhaken, und die Stellen, wo die Muttermale waren. In ihm, der niemand auf der Welt hatte, war das Bild Annas entstanden.
„Wenn sie dich aber hintergangen und inzwischen einen andern genommen hat? Vier Jahre sind eine lange Zeit für eine Frau, die Blut hat, Richard … Du wärst vielleicht auch nicht faul gewesen, wenn’s in dem Gras hier Weiber gäbe und nicht bloß Grillen.“
„Da will ich dir einmal was erzählen, was du vielleicht noch nicht weißt. Ich und Anna sind in die Großstadt übergesiedelt, wir haben die schöne Wohnküche erwischt und auch gleich eingerichtet, mit Möbeln auf Abschlagzahlung. Eine Woche später musste ich fort.“
„Das kenn’ ich alles schon. Sechs Mark monatliche Abzahlung!“
„Aber bevor wir das wussten, dass ich fortmuss, haben wir uns gesagt: „Jetzt müssen wir uns dranhalten, dann wird’s gut.“ Und ich denk’ eben, meine Anna hat das nicht vergessen. Die hat gar keine Zeit für solche andere Gedanken. Denn es wird ihr schwer genug fallen, das Zeug zusammenzuhalten.“
„Vielleicht grad deshalb.“
„Was ging’s überhaupt dich an! Dir bleibt das Maul so und so sauber. Und der Anna, der würde ich … Aber ich weiß: das gibt’s bei ihr nicht.“ Er hob die Hacke hoch auf und ließ sie niedersausen.
Ihm waren Sehnsucht und Machtlosigkeit schon oft zum Anlass geworden, dieses zwecklose Kreuz zu verlängern. Auch jetzt
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