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Erich Maria Remarque / Эрих Мария Ремарк
Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке

Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.


Задания и комментарии М. Н. Гузь

First published in the German language as «Im Westen nichts Neues» by Erich Maria Remarque

© 1959, 1971, 1984, 2005 by Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Cologne/Germany

© Издательско-полиграфический центр КАРО, 2013

Erich Maria Remarque

Erich Maria Remarque gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Roman-Autoren des XX. Jahrhunderts. Seine Bücher erreichten Millionenauflagen und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Er wurde am 22. Juni 1898 als Erich Paul Remark in Osnabrück geboren. 1916 wurde er eingezogen, im Juni 1917 kam er als Rekrut an die Westfront nach Belgien, wo er einige Wochen später von einem Granatsplitter verwundet wurde. Die Erlebnisse während des Krieges sollten ihn entscheidend prägen.

1919 aus der Armee entlassen, arbeitete er u. a. als Verkäufer von Grabsteinen, als Volksschullehrer und als Journalist. In dieser Zeit schrieb Erich Maria Remarque sein erstes Buch: den Roman »Die Trambude«. Der Roman »Im Westen nichts Neues« (1929) machte ihn finanziell unabhängig, 1931 veröffentlichte er den Roman »Der Weg zurück«, in dem er die Heimkehr der Kriegsversehrten ins Nachkriegsdeutschland schilderte.

1933 fielen seine Bücher wegen »Literarischen Verrats am Soldaten des Weltkriegs« der Bücherverbrennung der Nazis zum Opfer, Erich Maria Remarque verließ Deutschland. Er ging ins Exil in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1947 annahm.

Weitere Veröffentlichungen waren: »Drei Kameraden« (1938), »Liebe Deinen Nächsten« (1941), »Arc de Triomphe« (1946), »Der Funke Leben« (1952), »Zeit zu leben und Zeit zu sterben« (1954), »Der schwarze Obelisk« (1956). »Die letzte Station« (1956), »Der Himmel kennt keine Günstlinge« (1961), »Die Nacht von Lissabon« (1962) und »Schatten im Paradies« (posthum 1971).

Remarque starb am 25. September 1970 in Locarno.

Der Roman „Im Westen nichts Neues”

In nur wenigen Monaten erreichte dieses Buch riesige Auflagen. Die erschütternde Geschichte wurde bereits 1930 von Lewis Milestone und 50 Jahre später von Delbert Mann verfilmt. Der bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannte Autor wurde über Nacht einer der meistdiskutierten und umstrittenen Schriftsteller der späten Weimarer Republik. Im Roman handelt es um die „verlorene Generation”, um eine Generation, die fast noch im jugendlichen Alter in den Krieg ziehen muss und sich aufgrund des dort erlebten Grauens keine bürgerliche Existenz mehr aufbauen kann – eine Generation eben, die rettungslos verloren ist.

1

Wir liegen neun Kilometer hinter der Front. Gestern wurden wir abgelöst; jetzt haben wir den Magen voll weißer Bohnen mit Rindfleisch und sind satt und zufrieden. Sogar für abends hat jeder noch ein Kochgeschirr voll fassen können; dazu gibt es außerdem doppelte Wurst- und Brotportionen – das schafft. So ein Fall ist schon lange nicht mehr dagewesen: der Küchenbulle* mit seinem roten Tomatenkopf bietet das Essen direkt an; jedem, der vorbeikommt, winkt er mit seinem Löffel zu und füllt ihm einen kräftigen Schlag ein. Er ist ganz verzweifelt, weil er nicht weiß, wie er seine Gulaschkanone* leer kriegen soll. Tjaden und Müller haben ein paar Waschschüsseln aufgetrieben und sie sich bis zum Rand gestrichen voll geben lassen, als Reserve. Tjaden macht das aus Fresssucht, Müller aus Vorsicht. Wo Tjaden es lässt, ist allen ein Rätsel. Er ist und bleibt ein magerer Hering.

Das Wichtigste aber ist, dass es auch doppelte Rauchportionen gegeben hat. Für jeden zehn Zigarren, zwanzig Zigaretten und zwei Stück Kautabak, das ist sehr anständig. Ich habe meinen Kautabak mit Katczinsky gegen seine Zigaretten getauscht, das macht für mich vierzig Zigaretten. Damit langt* man schon einen Tag.

Dabei steht uns diese ganze Bescherung eigentlich nicht zu. So splendid* sind die Preußen nicht. Wir haben sie nur einem Irrtum zu verdanken.

Vor vierzehn Tagen mussten wir nach vorn, um abzulösen. Es war ziemlich ruhig in unserm Abschnitt, und der Furier* hatte deshalb für den Tag unserer Rückkehr das normale Quantum* Lebensmittel erhalten und für die hundertfünfzig Mann starke Kompanie vorgesorgt. Nun aber gab es gerade am letzten Tage bei uns überraschend viel Langrohr* und dicke Brocken*, englische Artillerie, die ständig auf unsere Stellung trommelte, so dass wir starke Verluste hatten und nur mit achtzig Mann zurückkamen.

Wir waren nachts eingerückt und hatten uns gleich hingehauen, um erst einmal anständig zu schlafen; denn Katczinsky hat recht: es wäre alles nicht so schlimm mit dem Krieg, wenn man nur mehr Schlaf haben würde. Vorne ist es doch nie etwas damit, und vierzehn Tage jedes mal sind eine lange Zeit.

Es war schon Mittag, als die ersten von uns aus den Baracken krochen. Eine halbe Stunde später hatte jeder sein Kochgeschirr gegriffen, und wir versammelten uns vor der Gulaschmarie, die fettig und nahrhaft roch. An der Spitze natürlich die Hungrigsten: der kleine Albert Kropp, der von uns am klarsten denkt und deshalb erst Gefreiter* ist; – Müller V, der noch Schulbücher mit sich herumschleppt und vom Notexamen träumt; im Trommelfeuer büffelt er physikalische Lehrsätze; – Leer, der einen Vollbart trägt und große Vorliebe für Mädchen aus den Offizierspuffs* hat; er schwört darauf, dass sie durch Armeebefehl verpflichtet wären, seidene Hemden zu tragen und bei Gästen vom Hauptmann aufwärts vorher zu baden; – und als vierter ich, Paul Bäumer. Alle vier neunzehn Jahre alt, alle vier aus derselben Klasse in den Krieg gegangen.

Dicht hinter uns unsere Freunde. Tjaden, ein magerer Schlosser, so alt wie wir, der größte Fresser der Kompanie. Er setzt sich schlank zum Essen hin und steht dick wie eine schwangere Wanze* wieder auf; – Haie Westhus, gleich alt, Torfstecher, der bequem ein Kommißbrot* in eine Hand nehmen und fragen kann: Ratet mal, was ich in der Faust habe; – Detering, ein Bauer, der nur an seinen Hof und an seine Frau denkt; – und endlich Stanislaus Katczinsky, das Haupt unserer Gruppe, zäh, schlau, gerissen, vierzig Jahre alt, mit einem Gesicht aus Erde, mit blauen Augen, hängenden Schultern und einer wunderbaren Witterung für dicke Luft, gutes Essen und schöne Druckposten. Unsere Gruppe bildete die Spitze der Schlange vor der Gulaschkanone. Wir wurden ungeduldig, denn der ahnungslose Küchenkarl stand noch immer und wartete. Endlich rief Katczinsky ihm zu: »Nun mach deinen Bouillonkeller schon auf, Heinrich! Man sieht doch, dass die Bohnen gar sind.«

Der schüttelte schläfrig den Kopf: »Erst müsst ihr alle da sein.«

Tjaden grinste: »Wir sind alle da.«

Der Unteroffizier merkte noch nichts. »Das könnte euch so passen! Wo sind denn die andern?«

»Die werden heute nicht von dir verpflegt! Feldlazarett und Massengrab.«

Der Küchenbulle war erschlagen, als er die Tatsachen erfuhr. Er wankte.

»Und ich habe für hundertfünfzig Mann gekocht.«

Kropp stieß ihm in die Rippen. »Dann werden wir endlich mal satt. Los, fang an!«

Plötzlich aber durchfuhr Tjaden eine Erleuchtung. Sein spitzes Mausegesicht fing ordentlich an zu schimmern, die Augen wurden klein vor Schlauheit, die Backen zuckten, und er trat dichter heran: »Menschenskind, dann hast du ja auch für hundertfünfzig Mann Brot empfangen, was?« Der Unteroffizier nickte verdattert und geistesabwesend. Tjaden packte ihn am Rock. »Und Wurst auch?«

Der Tomatenkopf nickte wieder.

Tjadens Kiefer bebten. »Tabak auch?«

»Ja, alles.«

Tjaden sah sich strahlend um. »Donnerwetter, das nennt man Schwein haben*! Das ist dann ja alles für uns! Da kriegt jeder ja – wartet mal – tatsächlich, genau doppelte Portionen!«

Jetzt aber erwachte die Tomate wieder zum Leben und erklärte: »Das geht nicht.«

Doch nun wurden auch wir munter und schoben uns heran.

»Warum geht das denn nicht, du Mohrrübe?« fragte Katczinsky.

»Was für hundertfünfzig Mann ist, kann doch nicht für achtzig sein.«

»Das werden wir dir schon zeigen«, knurrte Müller.

»Das Essen meinetwegen, aber Portionen kann ich nur für achtzig Mann ausgeben«, beharrte die Tomate.

Katczinsky wurde ärgerlich. »Du musst wohl mal abgelöst werden, was? Du hast nicht für achtzig Mann, sondern für die 2. Kompanie Furage empfangen, fertig. Die gibst du aus! Die 2. Kompanie sind wir.«

Wir rückten dem Kerl auf den Leib. Keiner konnte ihn gut leiden, er war schon ein paarmal schuld daran gewesen, daß wir im Graben das Essen viel zu spät und kalt bekommen hatten, weil er sich bei etwas Granatfeuer mit seinem Kessel nicht nahe genug herantraute, so dass unsere Essenholer einen viel weiteren Weg machen mussten als die der andern Kompanien. Da war Bulcke von der ersten ein besserer Bursche. Er war zwar fett wie ein Winterhamster, aber er schleppte, wenn es darauf ankam, die Töpfe selbst bis zur vordersten Linie.

Wir waren gerade in der richtigen Stimmung, und es hätte bestimmt Kleinholz gegeben*, wenn nicht unser Kompanieführer aufgetaucht wäre. Er erkundigte sich nach dem Streitfall und sagte vorläufig nur: »Ja, wir haben gestern starke Verluste gehabt – «

Dann guckte er in den Kessel. »Die Bohnen scheinen gut zu sein.«

Die Tomate nickte. »Mit Fett und Fleisch gekocht.« Der Leutnant sah uns an. Er wusste, was wir dachten. Auch sonst wusste er noch manches, denn er war zwischen uns groß geworden und als Unteroffizier zur Kompanie gekommen. Er hob den Deckel noch einmal vom Kessel und schnupperte. Im Weggehen sagte er: »Bringt mir auch einen Teller voll. Und die Portionen werden alle verteilt. Wir können sie brauchen.«

Die Tomate machte ein dummes Gesicht. Tjaden tanzte um sie herum.

»Das schadet dir gar nichts! Als ob ihm das Proviantamt gehört, so tut er. Und nun fang an, du alter Speckjäger*, und verzähle dich nicht – «

»Häng dich auf!« fauchte die Tomate. Sie war geplatzt*, so etwas ging ihr gegen den Verstand. Sie begriff die Welt nicht mehr. Und als wollte sie zeigen, dass nun schon alles egal sei, verteilte sie pro Kopf freiwillig noch ein halbes Pfund Kunsthonig.

* * *

Der Tag ist wirklich gut heute. Sogar Post ist da, fast jeder hat ein paar Briefe und Zeitungen. Nun schlendern wir zu der Wiese hinter den Baracken hinüber. Kropp hat den runden Deckel eines Margarinefasses unterm Arm.

Am rechten Rande der Wiese ist eine große Massenlatrine* erbaut, ein überdachtes, stabiles Gebäude. Doch das ist was für Rekruten, die noch nicht gelernt haben, aus jeder Sache Vorteil zu ziehen. Wir suchen etwas Besseres. Überall verstreut stehen nämlich noch kleine Einzelkästen für denselben Zweck. Sie sind viereckig, sauber, ganz aus Holz getischlert, rundum geschlossen, mit einem tadellosen, bequemen Sitz. An den Seitenflächen befinden sich Handgriffe, so dass man sie transportieren kann.

Wir rücken drei im Kreise zusammen und nehmen gemütlich Platz. Vor zwei Stunden werden wir hier nicht wieder aufstehen.

Ich weiß noch, wie wir uns anfangs genierten als Rekruten in der Kaserne, wenn wir die Gemeinschafts-latrine benutzen mussten. Türen gibt es da nicht, es sitzen zwanzig Mann nebeneinander wie in der Eisenbahn. Sie sind mit einem Blick zu übersehen; – der Soldat soll eben ständig unter Aufsicht sein.

Wir haben inzwischen mehr gelernt, als das bisschen Scham zu überwinden. Mit der Zeit wurde uns noch ganz anderes geläufig.

Hier draußen ist die Sache aber geradezu ein Genuss. Ich weiß nicht mehr, weshalb wir früher an diesen Dingen immer scheu vorbeigehen mussten, sie sind ja ebenso natürlich wie Essen und Trinken. Und man brauchte sich vielleicht auch nicht besonders darüber zu äußern, wenn sie nicht so eine wesentliche Rolle bei uns spielten und gerade uns neu gewesen wären – den übrigen waren sie längst selbstverständlich.

Dem Soldaten ist sein Magen und seine Verdauung* ein vertrauteres Gebiet als jedem anderen Menschen. Drei Viertel seines Wortschatzes sind ihm entnommen, und sowohl der Ausdruck höchster Freude als auch der tiefster Entrüstung* findet hier seine kernige Untermalung. Es ist unmöglich, sich auf eine andere Art so knapp und klar zu äußern. Unsere Familien und unsere Lehrer werden sich schön wundern, wenn wir nach Hause kommen, aber es ist hier nun einmal die Universalsprache.

Für uns haben diese ganzen Vorgänge den Charakter der Unschuld wiedererhalten durch ihre zwangsmäßige Öffentlichkeit. Mehr noch: sie sind uns so selbstverständlich, dass ihre gemütliche Erledigung ebenso gewertet wird wie meinetwegen ein schön durchgeführter, bombensicherer Grand ohne viere. Nicht umsonst ist für Geschwätz aller Art das Wort »Latrinenparole« entstanden; diese Orte sind die Klatschecken und der Stammtischersatz beim Kommiss.

Wir fühlen uns augenblicklich wohler als im noch so weiß gekachelten Luxuslokus. Dort kann es nur hygienisch sein; hier aber ist es schön.

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